Die Regierung spart bei der Erwachsenenbildung – 1200 TrainerInnen in ganz Österreich werden abgebaut. Dabei bringt gerade auch diese Branche die Arbeitswelt in Schwung.
Seit Dienstag vor Weihnachten ist es fix: Die Stiftung für die bald arbeitslosen AMS-TrainerInnen ist unter Dach und Fach. Der Förderausschuss des Arbeitsmarktservice (AMS)hat für „stiftungsähnliche Maßnahmen grünes Licht“ gegeben – die Initiative soll bei Umschulungen unterstützen. Freilich herrscht jetzt in der Branche größte Unsicherheit.
„Eigentlich ist das kurios“, erklärt Eva Holder, Betriebsrätin beim ABZ* AUSTRIA. „Aus- und Weiterbildung ist heute wichtiger denn je.“ Denn kaum ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin, die heute in einem Arbeitsverhältnis stehen, können davon ausgehen, dass ihre Branche krisenfest ist. Und sie nicht im Laufe ihres Lebens einen anderen Beruf werden ausüben müssen. Fakt ist: Fast jeder Beschäftigte sollte mit einer Umschulung oder Weiterbildung rechnen. Und gerade hier spart der Staat. Umso wichtiger ist es, auf die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer vertrauen zu können. Die AK will in den nächsten fünf Jahren bundesweit 150 Millionen Euro in einen Qualifizierungs-Fonds und den AK-Projektfonds „Arbeit 4.0“ investieren. Ein wichtiger Teil der Offensive: die Auswirkungen der Digitalisierung für die Beschäftigten möglichst positiv zu gestalten. Dazu gehört auch die umfassende Weiterbildung.
Selbstbewusstsein stärken
Die GPA-djp hat gemeinsam mit ArbeitnehmerInnen die Initiative „#Erwachsenenbildung ist mehr!“ ins Leben gerufen. Eva Holder: „In sozialen Medien werden gerne die „Sinnlos-AMS-Kurse“ angeprangert. Da haben wir uns gedacht, wir zeigen die guten Projekte unserer Branche auf, schließlich sind wir auch diejenigen, bei denen Bildungsabschlüsse wie z.B. der Pflichtschulabschluss oder ein Lehrabschluss nachgeholt werden kann. Gerade das ABZ* AUSTRIA kann mit viel Sinnvollem aufwarten. Hauptzielgruppe sind Wiedereinsteigerinnen, langzeitarbeitslose Frauen oder junge Frauen ohne Bildungsabschlüsse. „Viele der Betroffenen haben sich umorientieren müssen, weil sie merkten, dass sie etwa als Friseurin nicht mehr weiterarbeiten können.“ Frauen über 50 haben es dann besonders schwer. Deshalb werden nicht bloß berufliche Fertigkeiten geübt, sondern auch die eigenen Kompetenzen bewusst gemacht: „Viele Frauen verlieren gerade nach einer längeren Pause ihr Selbstbewusstsein, und das muss wieder gestärkt werden.“
„Viele der Betroffenen haben sich umorientieren müssen, weil sie merkten, dass sie etwa als Friseurin nicht mehr weiterarbeiten können.“
Eva Holder, Betriebsrätin beim ABZ Austria
Ein Beispiel ist Zekiye Cantilav. Die dreifache Mutter hatte schon immer ein Ziel: Fahrlehrerin. Durch viel Einsatz, Fleiß und dem Projekt „ mit Zukunft – Zukunft mit Wiedereinstieg“ hat sie sich ihren Traum erfüllt und übt ihren Beruf heute mit Leidenschaft aus. Das AMS vermittelte sie an ABZ* AUSTRIA, wo Cantilav schon in ihrem Erstgespräch klarstellte, dass sie einen ganz genauen Plan hat. Begeistert von ihrem Enthusiasmus, haben die Beraterinnen bei der Auswahl von Kursen und Förderungen geholfen. „Damals sagte ich: In der Zukunft sehe ich mich nur als Fahrlehrerin im Auto.“ Nach dem ersten Gespräch folgten acht Monate Ausbildung mit einem Erst- und Hauptkurs, um danach zur Prüfung anzutreten. Erfolglos. Vom Rückschlag hat sich Cantilav nicht entmutigen lassen. Ihre Antwort: Noch mehr lernen, Hilfe holen und Blick nach vorne. Und der Fleiß wurde belohnt: Nun ist die Fahrlehrerin auf Wiens Straßen unterwegs und bringt Autofahr-Neulingen das sichere Lenken bei. „Ich bin ABZ* AUSTRIA sehr dankbar und immer noch in Kontakt mit meinen Beraterinnen, die mich von Anfang bis zum Ende unterstützt haben.“ Gemeinsam wurden Erfolge gefeiert und Niederlagen weggesteckt.
„Doppelte Einsparungen“
Doch nun spart die Regierung. Im September demonstrierten Hunderte Menschen vor dem Sozialministerium in Wien – Berufstätige aus der Erwachsenenbildung zeigten ihren Unmut über die Kürzungen im AMS-Budget. Unter ihnen auch Eva Holder, die Einsparungen beim ABZ* AUSTRIA zu Recht beklagt. „Wir waren Anfang des Jahres noch 180 Beschäftigte, jetzt sind wir nur mehr 160.“
Zynisch gesagt: Die Regierung kürzt doppelt. TrainerInnen werden arbeitslos und Projekte, die Menschen aus der Arbeitslosigkeit führen sollten, werden gestrichen. „Es heißt, die Sparmaßnahmen treffen nur Deutschkurse und MigrantInnen. Das stimmt nicht! Bei uns wurden auch eine Maßnahme für Wiedereinsteigerinnen und ein Projekt für junge Frauen, wo es um Qualifizierung und Orientierung geht, gekürzt“, ärgert sich Holder.
20 Mitarbeiterinnen verloren
Sie hat vor 10 Jahren beim ABZ* AUSTRIA begonnen. Die Sozialpädagogin arbeitete damals beim „Office SÖB“ am Schöpfwerk, dort wurden Frauen für den Einstieg in den Bürobereich vorbereitet. Später wechselte Holder in die Bildungsberatung und ist daneben auch für EU-Projekte zuständig. Als Betriebsrätin nicht freigestellt, ist sie derzeit gemeinsam mit ihren fünf Betriebsrats-Kolleginnen besonders gefordert. „Wir haben bis jetzt 20 Mitarbeiterinnen verloren und versuchen sie in anderen Projekten unterzubringen, wenn es mit den Qualifikationen irgendwie passt. Leider werden auch Anfang des Jahres Projekte beendet und somit KollegInnen gekündigt“ Vom vielen Telefonieren werden die Mobiltelefone dieser Tage regelrecht heiß.
„Wir sind rein Projekt finanziert und zu 100 Prozent von unseren Fördergebern abhängig“
Eva Holder, Betriebsrätin beim ABZ Austria
Wie in vielen Branchen, gilt auch bei der Erwachsenenbildung: Etwa zwei Drittel der Beschäftigten sind weiblich und viele arbeiten nur Teilzeit. Es gibt keine Basisfinanzierung: „Wir sind rein Projekt finanziert und zu 100 Prozent von unseren Fördergebern abhängig“, macht Holder deutlich. Früher gab es auch noch Maßnahmen vom ESF oder den Ministerien, die oft für drei Jahre ausgeschrieben waren, aber inzwischen laufen viele der Kurs- oder Beratungsmaßnahmen nur mehr ein Jahr lang. Ein weiteres Problem sind kurzfristige Kürzungen oder Streichungen von Angeboten: Zwar kann der Kurs verlängert werden, doch oft entscheidet das AMS erst sehr spät über eine Weiterführung. Damit steigt die Unsicherheit beim Institut und den TrainerInnen – inklusive gewaltiger Existenzängste.
„Wir wünschen uns langfristigere Förderverträge und längere Planungszeiträume. Es geht aber leider in eine andere Richtung“, schlussfolgert die ABZ* AUSTRIA-Betriebsrätin.