Kuba ist als exotisches Urlaubsparadies bekannt. Weniger bekannt sind die wirtschaftlichen Herausforderungen, denen sich die KubanerInnen im 54. Jahr der Revolution stellen. Ein politischer Reisebericht.
Noch immer besteht die totale Wirtschaftsblockade, die die USA bereits 1960 als Antwort auf die soziale Revolution gegen Kuba verhängte. Mit furchtbaren Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben bis heute. Es gibt aber auch viele ‚hausgemachte’ wirtschaftliche Probleme. So wurde nach der Revolution bei der Verstaatlichungspolitik weit über das Ziel hinaus geschossen: Nicht nur Banken und Großunternehmen wurden verstaatlicht oder streng reglementiert, sondern sämtliche Wirtschaftsbereiche, bis hin zu Friseurgeschäften und Wirtshäusern. Es gibt enormen Aufholbedarf bei der Entwicklung der Infrastruktur und der Industrie. Die größten wirtschaftlichen Defizite aber liegen in der Landwirtschaft. Kuba ist eine sehr fruchtbare Insel, dennoch ist das Land von Lebensmittelimporten abhängig, da große Landflächen brachliegen und die Produktivität auf den Staatsgütern niedrig ist. Diese Probleme hängen natürlich auch damit zusammen, dass das Land seine wichtigsten Handelspartner mit dem Ende der Sowjetunion und ihrer Verbündeten fast auf einen Schlag verloren hat.
Neuer wirtschaftspolitischer Kurs
Doch die KubanerInnen haben immer wieder bewiesen, dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten neuen Herausforderungen stellen. So wurde 2010 unter Raúl Castro eine „Aktualisierung des Wirtschaftsmodells“ beschlossen, mit der die genannten ökonomischen Probleme angegangen werden sollen. Vor dem Beschluss im kubanischen Parlament fanden Abstimmungen und heftige Diskussionen in den Betrieben und auf Gewerkschaftskonferenzen statt. Kern der neuen Wirtschaftspolitik sind die Überführung von über einer Million Staatsangestellten in die Privatwirtschaft, die Öffnung von etwa 200 Gewerben für Selbstständige und Vergabe von Land an Private. Diese Maßnahmen sollen dazu beitragen, die Versorgungslage der Bevölkerung zu verbessern, den Fremdenverkehr zu beleben und neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Tourismus und Devisenwährung CUC
Heute sind Verkaufsstände, kleine Lokale und fliegende HändlerInnen rund um die touristischen Zentren und die großen Hotels unübersehbar. Arbeitsplätze im Tourismus sind heißbegehrt. Neue Selbstständige, die mit TouristInnen Geschäfte machen oder ArbeitnehmerInnen in Hotels und Restaurants können ihr Einkommen in der Devisenwährung CUC beziehen, während Staatsbedienstete weiterhin ihr Gehalt in kubanischen Pesos bekommen. Nach dem Ende der Sowjetunion war Kuba gezwungen, die an den US-Dollar gebundene Parallelwährung CUC einzuführen. Ein CUC entspricht dem fünfundzwanzigfachen eines kubanischen Peso, Luxusgüter oder der Eintritt in teurere Lokale sind nur mit CUC möglich. Schon jetzt fehlt es dem kubanischen Bildungssystem an LehrerInnen, da viele AkademikerInnen lieber besser bezahlte Jobs im Tourismus annehmen, als im Staatsdienst zu arbeiten. Eine Entwicklung, die auf Dauer den sozialen Zusammenhalt der kubanischen Gesellschaft gefährden könnte.
Gewerkschaft in Kuba
Manuel Montero, Sekretär in der internationalen Abteilung des Kubanischen Gewerkschaftsbundes (Central de Trabajadores de Cuba – CTC) zur Rolle der Gewerkschaft in diesem Veränderungsprozess: „Uns ist klar, dass Aktualisierungen der Wirtschaft notwendig sind. Wir fordern aber, dass mit den Steuereinnahmen aus der Privatwirtschaft in zukunftsträchtige staatliche Bereiche wie Bildung und Infrastruktur investiert wird. Wir organisieren auch gezielt die Beschäftigten in den Privatunternehmen und wollen das Verständnis herstellen, dass wir alle Teil der kubanischen Arbeiterklasse sind, egal ob wir in Staatsbetrieben, im Privatsektor oder als neue Selbstständige arbeiten.“ Über 90 Prozent der ArbeitnehmerInnen seien Mitglieder der CTC, so Montero. Aber auch die neuen Selbstständigen werden von der CTC organisiert und beraten. So bietet die Gewerkschaft ihre Unterstützung bei der Steuererklärung und der Veranlagung in die Sozialversicherung an. Die Überführung von Beschäftigten aus den unproduktiven Bereichen der Staatswirtschaft in den neuen Privatsektor erfolgt über ein System aus Arbeitsvermittlungs- und Umschulungsmaßnahmen. Die CTC überwacht diese Prozesse und setzt Korrekturen für ihre Mitglieder durch. Trotz aller Probleme und Gefahren bewertet Montero die ersten Erfahrungen mit der neuen Wirtschaftspolitik positiv. Sie böte Kuba die Möglichkeit, die Produktivität zu steigern und neue Wirtschaftsbereiche zu entwickeln.
Eigener Weg
Noch ist völlig offen, ob die Maßnahmen zum gewünschten Erfolg führen und die Lebensbedingungen der KubanerInnen nachhaltig verbessern können. Dass der Weg geändert oder auch ein neuer beschritten wird, ist keineswegs ausgeschlossen. Die Möglichkeit, zurück zum Kapitalismus und unter US-amerikanische Herrschaft, die Möglichkeit, das trotz aller Mängel hervorragende Gesundheits- Sozial- und Bildungswesen aufzugeben und sich den Diktaten von Weltbank und Internationalem Währungsfonds zu unterwerfen, diese Möglichkeit zieht auf Kuba allerdings kaum jemand in Betracht.
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