Was der neue Journalisten-Kollektivvertrag für JournalistInnen bei Tages- und Wochenzeitungen und deren digitale Angebote bringt.
Vier harte Verhandlungsjahre, dutzende Verhandlungsrunden, unzählige Vorbesprechungen, und am Ende schaut eine Verschlechterung eines der besten Kollektivverträge der Republik heraus – mit einer deutlichen Verringerung der Lebenseinkommen? Ein gewerkschaftlicher Erfolg?
Rückblende. Die Medienszene vor vier Jahren – 2009, das Jahr nach Börsenkrach und weltweiter Wirtschaftskrise. Die Medienunternehmen beschäftigen zahlreiche freie MitarbeiterInnen als Systemerhalter, setzen sie für Nacht- und Wochenenddienste ein. Illegal. In den Printredaktionen setzen massive Sparprogramme ein. KollegInnen werden dazu „überredet“, auf Quinquennien, teils sogar auf die jährlich von der Gewerkschaft ausgehandelten Gehaltserhöhungen zu verzichten. Illegal. In Online-Redaktionen stellen die Verlage Kolleginnen und Kollegen nach den kuriosesten Kollektivverträgen – Werbung und Marktkommunikation, IT, allgemeines Gewerbe – an. Aus Sicht der Gewerkschaft: Illegal. Verlage beginnen, auch in Printredaktionen Teile auszugliedern, um aus dem Kollektivvertrag zu flüchten. Aus Sicht der Gewerkschaft: Ebenfalls illegal.
Starke Gewerkschaft
Zu den grundsätzlichen Fragen, die sich eine Gewerkschaft – die sich jede Gewerkschaft – stellen muss, gehört: Was können wir bewegen, wie weit können wir Marktmechanismen korrigieren, können den Marktkräften Paroli bieten, wie stark sind wir, um Forderungen durchzusetzen, die „der Markt“ für den oder die Einzelnen niemals erfüllen würde. Nach der Einigung auf wesentliche Punkte des neuen Kollektivvertrages lautet die Antwort: Wir sind stark genug, um auch in einer für die Branche schwierigen wirtschaftlichen Lage einen Kollektivvertrag durchzusetzen, der nach wie vor zu den besten im Lande zählt, der gesicherte Arbeitsbedingungen für die älteren Kolleginnen und Kollegen garantiert, und der jüngeren KollegInnen, die im Online-Bereich, in ausgegliederten Redaktionsteilen oder gar als so genannte „Freie“ arbeiten, endlich die „Heimkehr“ in den Journalisten-Kollektivvertrag sichert.
Notwendiger KV
Was die Unternehmer wirklich wollen, haben Sie mit der Kündigung des Kollektivvertrages im vergangenen Jahr ja einigermaßen deutlich artikuliert: Wer braucht schon einen KV? Sind individuelle Regelungen nicht viel günstiger? Für die Untenehmen zumindest kurzfristig: Ja. Für die JournalistInnen: Nein. Was bedeutet ein kollektivvertragsfreier Zustand, wie ihn die Unternehmer provoziert haben? Für alle jene, die in ausgegliederten Bereichen, Onlineredaktionen und als Freie auf einen Journalisten-KV gehofft haben: Das Ende der Hoffnung und die Fortschreibung prekärer Arbeitsverhältnisse. Für alle jene, die unter den „alten“ KV fallen: Kurzfristig nichts, denn der Kollektivvertrag wird Bestandteil des individuellen Dienstvertrages. Aber: jährlich von der Gewerkschaft verhandelte Gehaltserhöhungen gibt es dann nicht mehr. Mit Eingriffen in bestehende Einzelverträge ist zu rechnen.
Mit einer entschlossenen Aktion vor dem Verband der Österreichischen Zeitungen (VÖZ) ist es gelungen, die Kündigungen de Kollektivverträge rückgängig zu machen – zweifellos ein großer gewerkschaftlicher Erfolg. Andererseits hat der VÖZ unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass ein Abschmelzen der 150-prozentigen Sonderzahlungen und eine Abflachung der Gehaltskurve (für das eine oder andere VÖZ-Mitglied wohl aus Überlebensgründen) unabdingbare Voraussetzungen für die Fortsetzung der Verhandlungen seien. So ist der vorliegende Journalisten-KV neu ein Kompromiss zwischen Positionen, die zu Beginn der Verhandlungen vor vier Jahren unvereinbar schienen.
Fairer neuer KV
Was bringt der Vertragsabschluss? Alle jene, die jetzt schon journalistische Arbeit bei Tages- und Wochenzeitungen und deren digitalen Angeboten leisten, denen die korrekte Zuordnung in den Journalisten-KV aber verweigert wurde, werden künftig unter diesen Journalisten-KV fallen. Erreicht wird dies durch präzise Formulierungen, was „Freie“ dürfen und was nicht und durch eine Liste von Unternehmen – ausgegliederte Redaktionsteile und digitale Angebote – die sich dem KV unterwerfen. Diese Liste erarbeitet der VÖZ vor In-Kraft-Treten des neuen KV. Onlineredaktionen sind zwar schon im „alten“ KV ausdrücklich erwähnt, doch die Durchsetzung des Rechtes scheiterte oft daran, dass die Betroffenen selbst aus Angst um ihren Arbeitsplatz darauf verzichteten. Hier ist es zu einem dramatischen Stimmungswandel gekommen, der Wunsch nach dem Journalisten-KV ist in den Onlineredaktionen deutlich zu vernehmen. Ähnliches gilt für die „Freien“, denen immer mehr bewusst wird, dass sie sich durch das Akzeptieren illegaler Verhältnisse ins soziale Vakuum begeben. Die KollegInnen, die dem „alten“ KV unterliegen, müssen zwar ab 1. Juli 2014 mit einem schrittweisen Abschmelzen der 150-Prozent-Sonderzahlungen („15. Gehalt“) rechnen, doch niemand wird mit dem neuen KV weniger verdienen als vor dem Vertragsabschluss, und auch alle übrigen wichtigen kollektivvertraglichen Rechte – vor allem Kündigungsfristen und Urlaub – bleiben unberührt.
Verbesserungen
Verbesserungen haben wir bei der Arbeitszeit erreicht, ebenso in punkto Anrechnung von Elternkarenzzeiten, bei PraktikantInnen- und AspirantInnen, und auch durch die Einführung von Sabbaticals. Die kommenden Monate stehen im Zeichen der Umsetzung des Kollektivvertrags. Der VÖZ hat sich verpflichtet, eine Liste von Unternehmen zu liefern, die dem KV beitreten. Diese Liste ist auf Vollständigkeit zu prüfen. Gelungen ist es auch, ein bisher gern genutztes Schlupfloch zur Flucht aus dem KV zu schließen: Sollte ein Unternehmen künftig auf die Idee kommen, Bereiche auszugliedern, dann gilt automatisch eine „Rucksackregel“: Die Bestimmungen des Kollektivvertrags bleiben auch nach der Ausgliederung wirksam. KollegInnen, die dort arbeiten, nehmen sie quasi als „Rucksack“ mit. Auf Unternehmensebene werden die Betriebsräte, unterstützt durch die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, darauf achten, dass der Kollektivvertrag korrekt umgesetzt wird, der für die kommenden Jahre faire und gerechte Arbeitsbedingungen für alle Journalistinnen und Journalisten bei Tages- und Wochenzeitungen und deren digitalen Angeboten sichert.