Kommentar: 1.700 Euro Mindestlohn

Wir brauchen Einkommen, mit denen man auskommen kann. Die GPA-djp fordert 1.700 Euro brutto als Mindestlohn für alle Branchen und jeden Vollzeitjob.

Das sind aktuell etwa 1.250 Euro netto. Bei einer Armutsgefährdungsschwelle von 1.161 Euro im Monat (2014) ist das eine mehr als legitime Forderung. Denn auch 1.250 Euro sind noch lange kein Luxuseinkommen, sondern eben einmal genug zum (Über-)Leben. Ich persönlich kann mir auch keine Tätigkeit vorstellen, die bei Vollzeitarbeit weniger wert sein könnte.

Dass die Wirtschaft diese Forderung überzogen findet und darin eine Gefahr für den Wirtschaftsstandort
sieht, ist weder besonders überraschend noch originell und verdient daher in meinen Augen keine besondere Entgegnung. Einzig die Argumentation des Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl verdient nähere Betrachtung. Er bemängelt nämlich den zu geringen Abstand zwischen 1.700 Euro Einkommen und der bedarfsorientierten Mindestsicherung. Seiner Meinung nach bietet ein Gehalt von 1.700 Euro zu wenig Anreiz, einen Job anzunehmen. Damit gibt der Wirtschaftskammerpräsident unbeabsichtigt zu, dass unsere Forderung wohl doch nicht so unverschämt hoch sein kann.

Bei aller Freude über diese unfreiwillige Unterstützung, die Behauptung von Herrn Leitl, dass man mit der Mindestsicherung leicht auf dasselbe Einkommen kommt, wie wenn man für 1.700 Euro brutto arbeitet, ist natürlich trotzdem falsch. Die bedarfsorientierte Mindestsicherung beträgt derzeit 827,83 Euro, und im Gegensatz zu einem Gehalt wird die Mindestsicherung nicht 14-mal sondern nur 12-mal im Jahr ausbezahlt. Es ist daher höchst unseriös, die Monatsbeträge einfach gegenüberzustellen. Dazu kommt, dass wer Mindestsicherung beziehen muss im wahrsten Sinne des Wortes ganz unten in der Gesellschaft angekommen ist. Denn bevor ein Antrag auf Mindestsicherung gestellt werden kann, muss das gesamte Vermögen „verwertet“ – sprich alle Ersparnisse aufgebraucht – sein. Außerdem muss jeder zugewiesene Job angenommen werden. Das ist eine Lebenslage, in die sich kein Mensch freiwillig begibt und in der eher Mitgefühl als Neid angebracht wäre. Wenig überraschend ist die Mindestsicherung daher auch eine klassische Überbrückungsleistung, die im Schnitt nur acht Monate lang bezogen wird.
Anstatt eine sinnlose Neiddebatte gegen die Ärmsten in der Gesellschaft vom Zaun zu brechen, sollten sich die Herren aus Wirtschaft und Finanzministerium lieber damit auseinandersetzen, wie es sein kann, dass in einem der reichsten Länder der Welt fast 300.000 Menschen so wenig verdienen, dass sie trotz Arbeit armutsgefährdet sind. 1.700 Euro Brutto-Mindesteinkommen sind daher auch ein wichtiger Schritt zur Armutsvermeidung.

Die beste Versicherung gegen Armut und soziale Ausgrenzung sind immer noch ausreichende wie auch qualitätsvolle Arbeitsplätze. Dazu gehört auch ein Einkommen, mit dem man auskommen kann. Alles andere ist für eines der reichsten Länder der Welt, im speziellen für die Arbeitgeber dieses Landes, eine Schande und für die GPA-djp nicht akzeptabel.

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