Die digitale Revolution in der Energiebranche bringt große Veränderungen für die Beschäftigten. Die Antwort darauf heißt Qualifizierung.
Wie viele Branchen ist auch die Energiewirtschaft im Umbruch begriffen. Neue digitale Angebote und Plattformen verändern die Marktbedingungen. Internationale Konzerne wie Google und Amazon verschaffen sich mit enorm hohen Investitionen Zugang zum regionalen und überregionalen Energiemarkt, während junge Unternehmen neue innovative Zugänge, Lösungen und Geschäftsmodelle entwickeln. Bald schon bekommen KundInnen von Apple nicht nur ihr neues Smartphone, sondern auch den Strom geliefert. Wer das nicht mag, bekommt ethisch korrekten Ökostrom auch von seiner Tageszeitung angeboten.
Gerne wird in diesen Zusammenhängen von einer Demokratisierung der Energiewende gesprochen. Es steht außer Frage, dass diese Entwicklungen neue Möglichkeiten eröffnen und in Zukunft neue Marktbereiche mutig erschlossen werden müssen. Die Grundlage dafür kann aber nur sein, dass Kundeninteresse und Versorgungssicherheit ebenso berücksichtigt werden wie die nötigen Veränderungen aufseiten der Arbeitnehmerbedingungen. Auf die vielfältigen Fragen, welche sich aus den beschleunigten Entwicklungen ergeben, gibt es wenige, aber klare Antworten.
Die neue Energiewirtschaft und ihre Zukunft
Neue Player am Energiemarkt und neue Anforderungen an die Kernkompetenzen klassischer Energieanbieter erzeugen Ver-änderungsdruck. Unter dem Deckmantel der „Energiewende“ werden wirtschaftliche, beschäftigungspolitische und soziale Per-spektiven allzu gerne in den Hintergrund gedrängt. Dabei stellen sich fundamentale Fragen. Neben den Veränderungen durch neue Mitbewerber, veränderte Kundenbeziehungen und Technologien, welche das Selbstverständnis der Branche testen, stel-len sich grundsätzliche Fragen:
Wie wird sichergestellt, dass einseitige Förderungsmodelle keine Arbeitsplätze gefährden? Wie leisten neue Marktteilnehmer (wie beispielsweise reine Onlineunternehmen) ihren Anteil an Finanzierung, Instandhaltung und Ausbau des gesamten physischen Energiesystems? Wie wird die hohe Fachkompetenz der Belegschaft im Energiesektor in die Anwendung neuer Techno-logien integriert?
Energiewende und Digitalisierung stellen die Identität der Energiewirtschaft auf eine harte Probe. Etablierte Übertragungs- und Verteilernetzbetreiber müssen unter gegebenen Umständen ihre eigenen Kernkompetenzen weiterentwickeln. Im Zeitalter von allgegenwärtiger
Onlineinformation, von Preisvergleichsportalen und Ökostrom, wird ein neues Selbstverständnis unumgänglich.
Es ist nötig, neue digitale Konzepte im Umgang mit KundInnen zu entwickeln. Durch eine Kombination von Innovation und Kooperation wird man sich neuen Herausforderungen stellen. Aus vielen Prognosen und Bewertungen rund um das Thema „Digitalisierung“ wird vor allem eines klar, es gibt kein Standardrezept. Orientierung kann nur ein work in progress bringen, denn niemand kann heute sagen, welche Strategien erfolgreich sein werden. Das erfordert flexiblere Strukturen, schnelleres Reagie-ren und vor allem die Kapazitäten zu Weiterentwicklung und Innovation.
Wo genau passiert Energie 4.0, und was bedeutet das für die Menschen?
Auf die Frage, wo Energie 4.0 eigentlich stattfindet, gibt es eine klare Antwort – überall! Neue Plattformen werden es ermöglichen, Erzeuger, Verteiler, Speicherung und Verbrauch ideal aufeinander abzustimmen. Es wird möglich, von den Daten und Informationen der Kundenbeziehung über Smart-Meter (digitaler Stromzähler) bis hin zum Smart-Home alles punktgenau zu steuern. Wie heute an der Börse selbstverständlich, werden Algorithmen in Zukunft den perfektionierten Strombezug als auch Stromverbrauch regeln. Dezentral, wie Netze funktionieren, werden sich Wertschöpfungsketten entsprechend breit entwickeln. Ja sogar KundInnen selbst (jeder einzelne Haushalt) werden sich via Blockchain-Technologien (über große Datenmengen organisiert, wird überschüssige Energie von Einzelhaushalten zurück auf den Energiemarkt gebracht) in ihrer Natur verändern.
All diese Entwicklungen haben nicht nur drastische technische und wirtschaftliche Auswirkungen. Für die Menschen bedeutet das als VerbraucherIn Unübersichtlichkeit über Angebote und deren Qualität. Für eine Vielzahl hochqualifizierter Beschäftigter in der Energiewirtschaft heißt das vor allem große Unsicherheit. Das Nachdenken und Handeln in Fragen der Energiesicherheit und Qualitätsfragen hinsichtlich der Veränderung vieler Arbeitsplätze ist unerlässlich. „In einer Welt in der Technik allgegenwär-tig wird, ist die sichere Energieleistung nicht nur die Basis industrieller Wirtschaftsleistung, sondern auch Garant für Sicherheit in allen Lebensbereichen. Umso wichtiger ist es, dass nötige Innovationen und Entwicklungen nicht zum Selbstzweck durchgesetzt werden. Aspekte der Versorgungssicherheit und personeller Weiterbildung müssen heute geklärt und langfristig gesichert werden“, sagt Johann Hubmann, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Energie der GPA-djp.
Sollten bei den rasanten Entwicklungen Sicherheit, Leistbarkeit und Nachhaltigkeit nicht vollumfänglich berücksichtigt werden, könnte leistbare Energie bald die Ausnahme sein und der Begriff „Energiearmut“ auch in hochentwickelten Ländern kein Fremdwort mehr sein.
Nachhaltige Voraussetzungen für Energie 4.0
Eine nachhaltige Energiepolitik braucht notwendigerweise auch qualitätsvolle und qualifizierte Arbeitsplätze. Nur ein modernes Qualifizierungsprogramm kann es leisten, diese Herausforderungen zu meistern. Im Zentrum steht dabei die Beschäftigungspolitik der agierenden Unternehmen. „Damit anstelle der Risiken für Beschäftigung Chancen für Beschäftigung treten können, braucht es sinnvolle Investitionspolitik, klare Regelungen bei den Arbeitsbedingungen, adäquate Gehaltsregelungen“, erläutert Johann Hubmann und konkretisiert: „Die Anforderungen und Darstellungen wie sie von vielen Akteuren der Sozialpartnerschaft geäußert werden, haben viel für sich, und wir stellen uns gerne den Herausforderungen. Gerade deswegen fordern wir ein modernes Qualifikationsprogramm für unsere Angestellten auf allen Qualifikationsebenen – von den IngenieurInnen bis zu den Angelernten.“
Betriebliche Rationalisierungserträge müssen für die Weiterbildung der Beschäftigten eingesetzt werden. BetriebsrätInnen und Beschäftigte dürfen keine Rädchen im System sein, sondern müssen von Anfang an in die Veränderungsprozesse eingebunden werden und Arbeitsplätze genauso wie die betriebliche Weiterbildung mitgestalten und Regeln setzen.