Im Zivildienst kam Stefan Kraker zur Caritas. Er blieb und ist heute Betriebsrats-Vorsitzender für 2.300 Menschen in ganz Steiermark.
Zur steirischen Caritas kam der ehemalige Student der Informatik und technischen Mathematik während seines Zivildienstes 1993. Dort hätte Stefan Kraker gemäß seiner Vorbildung eigentlich eine Schnittstelle zwischen zwei Rechner-Systemen programmieren sollen. „Doch dann ist der Bosnienkrieg ausgebrochen und es gab wichtigere Aufgaben“, erinnert sich Kraker an seine Anfänge mit 27Jahren.
Der vorgesehene Indoor-Job, wuchs zur Betreuung der damals so eben aus Bosnien geflüchteten Menschen heran. „Das Projekt wurde immer größer“, erzählt der gebürtige Grazer. Neben den bosnischen Flüchtlingen wurden auch rund 250 AsylwerberInnen von Ehrenamtlichen betreut. Es wurden Menschen, die meist alles verloren hatten, quer durch das Bundesland von SteirerInnen aufgenommen. „Die Anteilnahme war hoch und die Integration am Arbeitsmarkt hat noch wesentlich besser funktioniert als heute“, weiß der Caritas-Betriebsratsvorsitzende. „Dass es inzwischen anders geworden ist, haben wir Jörg Haider zu verdanken.“
Eine Lebensaufgabe
Stefan Kraker fuhr durch das Bundesland und erkundete, wie es den Geflüchteten geht und was etwa noch für sie getan werden kann. Er fungierte als Bindeglied zwischen BetreuerInnen, Flüchtlingen und den staatlichen Vorgaben. Die Aufgaben häuften sich, Kraker entschloss sich auch nach dem Zivildienst bei der Caritas zu bleiben: „Das war ein spannender Job, ich konnte dabei ganz viel lernen“.
Auch Verwaltungsarbeit und Bürokratie gehörten dazu. „Mein Großvater war Beamter, deshalb war mir die kameralistische Verwaltung nicht unbekannt“, erzählt der Betriebsratsvorsitzende. Kraker lernte bald, wo er die richtigen Anträge stellen musste. Integration erlebte er durchwegs positiv: „Es hat gut getan, zu beobachten, was in einer Region, wenn sich die Menschen drum kümmern, alles möglich ist“. Wie etwa ein Fußball-Verein im Ort zur Integration beitragen kann, wie alles geht, wenn nur der Wille da ist. Kraker traf enorm engagierte Menschen – querbeet von BürgermeisterInnen bis zu ArbeiterInnen und Pfarren mit all ihren Ressourcen.
„Anfangs war ich skeptisch, ein Freund, der die Liste übernommen hatte, setzte mich auf den letzten Platz.“
Stefan Kraker
In dieser Zeit wurde er auch erstmals von seinem damaligen Betriebsrat angesprochen. „Anfangs war ich skeptisch, ein Freund, der die Liste übernommen hatte, setzte mich auf den letzten Platz.“ Mit der Zeit rückte Kraker weiter vor und wurde Teil des Betriebsratsgremiums, eine Aufgabe, die ihn anspornte. Als die damalige Betriebsratsvorsitzende erkrankte, avancierte Kraker vom Kassier zur Vertretung – 2002 wurde er dann selber zum Vorsitzenden gewählt. Bis auf eine kurze Pause, ist Kraker bis heute Betriebsratsvorsitzender der Caritas Steiermark, obwohl es nie sein „Karriereziel“ war und vertritt MitarbeiterInnen der Kinder-, Jugend- und Flüchtlingsbetreuung ebenso wie jene in der Alten-und Familienbetreuung. Die Bandbreite der Caritas-Einrichtungen und Angebote reicht dabei u.a. von Lerncafés, Jugendwohngemeinschaften und Sozialläden bis hin zu Altenpflege, Rechtsberatung für MigrantInnen, Streetwork für Drogensüchtige und Behindertenarbeit. Insgesamt vetritt er 2.300 ArbeitnehmerInnen.
Das jenseitige Konto
Derzeit zählt der Personalmangel zu den größten Problemen in der Caritas Steiermark. Es fehlen nicht nur SozialarbeiterInnen und Pflegefachkräfte auch MitarbeiterInnen im Außendienst wie im Innendienst – werden ebenso gesucht wie Menschen für die Personalverrechnung oder IT-Fachleute. Viele in der Belegschaft müssen deshalb an ihre Belastungsgrenzen gehen. Bekannt ist auch der Mangel an Kräften in der Pflege. „Hier sind in den letzten Jahren die Qualitätsansprüche stark gestiegen“, sagt Stefan Kraker. Diese höheren Standards bedingen auch einer genaueren Dokumentation, damit bleibt jedoch weniger Zeit für die Betreuungsleistung und das wirkt sich auf die Arbeitsbelastung aus. Eine PflegerIn muss über jeden Schritt Buch führen, Krankheit und Tod gehören zu ihrem Berufsalltag. Für viele sind daher Jobs mit geringerer Belastung und weniger Verantwortung attraktiver. Auch ist die Caritas dafür bekannt, keine besonders hohen Gehälter zu bezahlen. „Wer bei uns arbeitet sollte bereit sein, auch ein bisschen an das jenseitige Konto zu glauben“, schmunzelt Kraker.
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Abgrenzung und Austausch
Für seine KollegInnen ist Stefan Kraker an Arbeitstagen von 7.30h bis 18 Uhr zu sprechen, er gönnt sich aber freie Wochenenden. „Mir ist keine Notsituation vorgekommen, die nicht zwei, drei Tage Zeit hätte, dass man sie bespricht“, erklärt der Betriebsratsvorsitzende. Oft genug geht Krakers Job nach dem offiziellen Dienstschluss unter der Woche weiter, wenn er etwa Teamsitzungen in einem Pflege-Wohnhaus besucht, die erst um 18 Uhr beginnen.
„Wenn wir mit Hilfe der GPA nicht gemeinsam drangeblieben wären, hätten uns die Arbeitgeber auseinander dividiert und wir wären gescheitert.“
Stefan Kraker
Die Vernetzung ist für einen Betriebsrat sehr wichtig, sie wird durch die GPA ermöglicht, über deren Strukturen „Gott sei Dank sehr viel passiert“, weiß Kraker. Der betreuende GPA-Sekretär ist Helmut Krivec. „Was er sagt, hat immer Hand und Fuß“, lobt Kraker. Um sich auszutauschen, gibt es eine offene Plattform von Betriebsräten im kirchlichen Bereich und Treffen unter den österreichweiten Caritas-Betriebsräten. Eine wertvolle Quelle: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, sondern können von unseren Erfolgen und auch vom Scheitern lernen“. Die Vernetzung untereinander und mit ArbeitnehmerInnen-Vertretern aus anderen karitativen Organisationen hat auch geholfen, die Arbeitszeitverkürzung durchzusetzen. Für Diakonie, Caritas und Sozialwirtschaft Österreich ist sie über alle drei Sozialkollektiv-Verträge hin gültig. Betriebsratsvorsitzender Kraker: „Wenn wir mit Hilfe der GPA nicht gemeinsam drangeblieben wären, hätten uns die Arbeitgeber auseinander dividiert und wir wären gescheitert“.
Vernünftige Verhandlung
Betriebsräte sollten durchaus spezielle Eigenschaften mitbringen. „Sie sollten fremde Bedürfnisse über die eigenen stellen und müssen es mögen für andere etwas zu tun.“, sagt Stefan Kraker. Auch nicht all zu hoher Respekt vor den Vorgesetzten und ein gesundes Selbstbewusstsein helfen. Gleichzeitig ist es wichtig ein gewisses Augenmaß zu bewahren „Denn nach den Verhandlungen müssen beide Seiten leben können. Wenn die Gegenseite das Gesicht verliert, verbessert das die Gesamtsituation leider nicht.“
„Denn nach den Verhandlungen müssen beide Seiten leben können. Wenn die Gegenseite das Gesicht verliert, verbessert das die Gesamtsituation leider nicht.“
Stefan Kraker
Auch mit privaten Probleme wenden sich MitarbeiterInnen an Stefan Kraker etwa wenn es um die Lehrstelle für ein Kind geht. Kraker versucht auch hier weiterzuhelfen, immerhin konnte er bereits einen Schulplatz und eine Arbeitsstätte vermitteln.
Ein Virus, das glücklich macht
Privat kehrt der Grazer gerne zu den Zahlen und der Genauigkeit zurück, wenn er das Modell eines Feuerwehr-Autos zusammensetzt. Die bekannteste Größe nennt sich H0, sie entspricht etwa dem Maßstab 1:87. „Eine Freundin hat mir einmal einen Bausatz geschenkt, ab dann war ich mit diesem Virus infiziert“, erinnert sich Stefan Kraker. „Modellbau ist ein guter Ausgleich, eine Konzentrationsübung, die auch nicht immer funktioniert. Es gibt Tage, da spüre ich, das wird nichts und andere, da versinke ich darin und merke nicht, dass es hell oder dunkel wird.“
Mehr als 1.000 Feuerwehren hat Kraker bereits in liebevoller Präzision geschaffen, und sucht nun eine Möglichkeit, sie alle aufzustellen. Auch seine Tochter hat von jeher eine Affinität zur Technik, wurde darin bestärkt und arbeitet als technische Zeichnerin von Entlüftungs- und Abwasseranlagen in Krankenhäusern. Nur Betriebsrätin ist sie bisher keine.
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