GPA-djp Bundesgeschäftsführer Karl Dürtscher erklärt, warum er mit der ab 1. Oktober geltenden Phase 3 der Kurzarbeit zufrieden ist, welch zentrale Rolle die BetriebsrätInnen bei der Umsetzung in den Betrieben spielen und warum einzelne Arbeitnehmer derart vorteilhafte Regelungen niemals alleine aushandeln könnten.
KOMPETENZ: Wie sieht die neue Kurzarbeit aus?
Dürtscher: Die Regelung wurde um sechs Monate verlängert. Die Sozialpartner haben alle Eckpunkte fixiert, sodass die Regelung vom Ministerrat abgesegnet werden konnte. Einige Details müssen wir noch in der Feinabstimmung ausarbeiten.
KOMPETENZ: Was sind die wesentlichen Eckpunkte?
Dürtscher: Die Kurzarbeit der Phase zwei wird bis 30. September verlängert, damit erreichen wir eine zeitliche Glattstellung für alle Unternehmen. Manche haben die Kurzarbeit ja rückwirkend mit 1. März beantragt, viele mit 16. März, einige auch später. Phase 3 der Kurzarbeit beginnt dann für alle mit dem 1. Oktober und wird bis 31. März 2021 dauern.
KOMPETENZ: Was wurde inhaltlich erreicht?
Dürtscher: Es ist uns gelungen, die Nettoersatzraten gleich hoch zu halten, sie liegen bei 80, 85 bzw. 90 Prozent – wie in Phase 2. So bleibt den Menschen möglichst viel vom ursprünglichen Gehalt im Geldbörsel.
Der größte Erfolg für die ArbeitnehmerInnen ist aber, dass es uns aktuell gelungen ist, dass kollektivvertragliche Gehaltserhöhungen ab Phase 3 in der Kurzarbeit abgebildet werden müssen: wir nennen das „dynamische Betrachtung“. In Phase 1 und 2 wurden die Nettoersatzraten vom Bezug vor der Kurzarbeit berechnet, das Gehalt war quasi versteinert. Ab Oktober werden die Beschäftigten kollektivvertragliche Erhöhungen aber auch Biennalsprünge oder Beförderungen finanziell zeitnah spüren.
KOMPETENZ: Wird die Abrechnung verändert?
Dürtscher: Nach langer Diskussion haben wir uns dafür entschieden, keinen Modellwechsel vorzunehmen, sondern die Form der Abrechnung beizubehalten. Die Betriebe haben sich teils mühevoll daran gewöhnt, also waren wir bestrebt, hier möglichst wenig zu ändern. Wir haben ein gutes Modell zur Berechnung der Nettoersatzrate gefunden, das sich in den Betrieben zwischenzeitlich etabliert hat.
„Missbrauch ist ein Thema. Es ist daher das gemeinsame Ziel von Regierung und Sozialpartnern, die Kontrolle zu verschärfen.“
Karl Dürtscher
KOMPETENZ: Gab es in Phase 1 und 2 viel Missbrauch bei den Abrechnungen?
Dürtscher: Missbrauch ist ein Thema. Es ist daher das gemeinsame Ziel von Regierung und Sozialpartnern, die Kontrolle zu verschärfen. Es soll vermieden werden, dass die Kurzarbeit beispielsweise missbräuchlich dazu verwendet wird, saisonbedingte wirtschaftliche Schwierigkeiten auszugleichen. Das ist nicht der Sinn der Regelung, hier muss eine schärfere Trennung ausgearbeitet werden.
Neben falschen Arbeitszeitaufzeichnungen und fingierten Abrechnungen gab es auch Betriebe, die Aufträge aufgrund der bestehenden Kurzarbeit nicht angenommen haben. Das ist der Allgemeinheit und dem Steuerzahler gegenüber nicht fair, hier werden wir die Kontrollen verstärken.
KOMPETENZ: Warum wurde die Möglichkeit zur Weiterbildung vereinbart?
Dürtscher: Die ArbeitgebervertreterInnen wollten eine Verpflichtung zur Weiterbildung festlegen. Wir haben erreicht, dass es eine Bereitschaft aber keine Verpflichtung zur Weiterbildung geben wird. Wesentlich dabei ist, dass wir durchgesetzt haben, dass eine begonnene Ausbildung innerhalb von 18 Monaten abgeschlossen werden kann, falls diese zuvor abgebrochen werden musste, weil das Geschäft wieder anzieht. So gehen die investierten öffentlichen und betrieblichen Gelder nicht verloren, die Bereitschaft zur Weiterbildung wird belohnt. Die Umsetzung wird auf der betrieblichen Ebene stattfinden.
Festgelegt wurde auch, dass die Bildungszeit nur innerhalb der Normalarbeitszeit liegen darf, das bedeutet, ArbeitnehmerInnen können nicht dazu gezwungen werden, sich außerhalb der vereinbarten Arbeitszeiten, etwa am Abend, zu bilden, weil da bei vielen berücksichtigungswürdige Interessen dem entgegenstehen.
KOMPETENZ: Welche Rolle werden die BetriebsrätInnen spielen?
Dürtscher: Unsere BetriebsrätInnen spielen seit Beginn der Kurzarbeit eine zentrale und wertvolle Rolle bei der Umsetzung in den Betrieben: sie helfen mit, die Vereinbarungen an die Erfordernisse des Betriebes anzupassen und erklären den MitarbeiterInnen auf was es ankommt. In vielen Fällen haben die BelegschaftsvertreterInnen auch Adaptierungen und Verbesserungen zur Rahmenvereinbarung vorgenommen – sie spielen eine starke Rolle in der Umsetzung.
KOMPETENZ: Wo bedarf es noch weiterer Feinabstimmungen?
Dürtscher: Bei der Kostenteilung der geförderten Weiterbildung zwischen Arbeitgeber und öffentlicher Hand müssen Details noch verhandelt werden.
„Wir haben derzeit rund 450 000 Menschen in der Kurzarbeit. Mehr als die Hälfte der Betriebe ist mittlerweile aus der Regelung ausgestiegen.“
Karl Dürtscher
KOMPETENZ: Wie viele Beschäftigte sind derzeit in Kurzarbeit?
Dürtscher: Wir haben derzeit rund 450 000 Menschen in der Kurzarbeit. Mehr als die Hälfte der Betriebe ist mittlerweile aus der Regelung ausgestiegen. Auch in der bestehenden Kurzarbeitsregelung stellen wir steigende Arbeitszeitraten fest, ein Zeichen, dass die Konjunktur wieder anzieht. Die Arbeitszeit wurde daher in Phase 3 der Kurzarbeit auf mindestens 30 Prozent angehoben. Sie darf nur in Ausnahmefällen unterschritten werden.
Der Durchrechnungszeitraum wird volle sechs Monate betragen – das bringt erhöhte Flexibilität.
KOMPETENZ: Warum braucht es eine Neuregelung der Kurzarbeit, wenn die Konjunktur ohnehin anzieht?
Dürtscher: Die Erholung bildet sich nicht in allen Branchen gleichermaßen ab. Der Städtetourismus liegt nach wie vor am Boden. Davon sind die Branchen Handel und Tourismus sowie die Herstellung von Waren stark betroffen. Etwaige Auftragslöcher in der Industrie – dort speziell in der Zulieferindustrie – werden sich erst im Herbst deutlich zeigen.
KOMPETENZ: Was sind die Hauptziele der neuen Regelung?
Dürtscher: Die Kurzarbeit dient weiterhin primär dazu, Betriebe auf niedriger Ebene weiterzuführen, damit diese schneller durchstarten können, wenn die Auftragslage besser wird. Das fachliche Know-how wird im Unternehmen erhalten, weil die Mitarbeiter nicht gekündigt werden dürfen.
KOMPETENZ: Wurden diese Ziele in Phase 1 und 2 erreicht?
Dürtscher: Ja. Hätte zum Beispiel der Handel nach dem Shut-down den Großteil der Beschäftigten gekündigt, wäre ein steiles Hochfahren nach der Öffnung nicht möglich gewesen. Neue Leute hätten gesucht und eingeschult werden müssen, was gigantische Kosten verursacht hätte. Durch den Erhalt der Beschäftigten-Struktur wurde das inhaltliche und organisatorische Wissen im Betrieb gehalten – eine wichtige Ressource.
KOMPETENZ: Welche Besonderheiten bringt Phase 3 der Kurzarbeit?
Dürtscher: Ab Herbst wird wiederum ein größerer Anteil an Klein- und Kleinstbetrieben in Kurzarbeit sein. Die öffentliche Hand wird hier höhere Förderungen beisteuern als beim Großbetriebsmodell der Kurzarbeit Alt, die vor Corona Gültigkeit hatte. Die Behaltefrist von einem Monat nach Auslaufen der Kurzarbeit bleibt weiter bestehen.
KOMPETENZ: Hat die aktuelle Krise die Rolle der Sozialpartnerschaft bei politischen Kompromissen gestärkt?
Dürtscher: Die rechtskonservative Regierung der vergangenen Jahre hat versucht, die Sozialpartnerschaft konsequent tot zu reden und in die Bedeutungslosigkeit zu drängen. Nun zeigt sich die Bedeutung dieser Zusammenarbeit: die Sozialpartnerschaft funktioniert auf der betrieblichen und der überbetrieblichen Ebene und hat im Arbeitsmarktbereich eine wichtige Regelungskompetenz. Auch die derzeitige Regierung hat den großen Wert erkannt, den die Sozialpartner bei der Erarbeitung arbeitsmarktpolitischer Regelungen einbringen können.
„Gerade das Beispiel Kurzarbeit hat vielen Menschen verdeutlicht, dass es eine starke Interessensvertretung braucht, um Regelungen zum Wohle der Unselbstständigen durchzusetzen.“
Karl Dürtscher
KOMPETENZ: Dringt das zu den Menschen auch durch?
Dürtscher: Gerade das Beispiel Kurzarbeit hat vielen Menschen verdeutlicht, dass es eine starke Interessensvertretung braucht, um Regelungen zum Wohle der Unselbstständigen durchzusetzen. Hier wird klar: ein einzelner Arbeitnehmer kann sich komplizierte Arbeitszeit- und Abrechnungsmodelle alleine in dieser Form nicht aus verhandeln. Ihm fehlen das fachliche Wissen sowie die Durchsetzungskraft. Insofern erleben die Gewerkschaften in der aktuellen Krise eine neue Bedeutung.
KOMPETENZ: Wie lange wird uns die Kurzarbeit noch begleiten?
Dürtscher: Das ist derzeit nicht seriös abschätzbar. Grundsätzlich brauchen wir das Modell, solange die Wirtschaft Covid-19 bedingt strauchelt. Im Februar werden wir daher beginnen zu prüfen, ob und wie eine allfällige Verlängerung aussehen kann.
Zur Person:
Karl Dürtscher (59) ist seit Juni 2018 Bundesgeschäftsführer der GPA-djp und Chefverhandler für den Metaller-KV und Elektro/Elektronikindustrie KV. Er ist seit März 2020 maßgeblich an den Verhandlungen über die Kurzarbeit beteiligt.