Erik Lenz, Zentralbetriebsrats-Vorsitzender in der AUVA hat für die Beschäftigten der Unfallversicherung einen arbeitsrechtlichen Meilenstein errungen: Gemeinsam mit Rechtsberaterin Karin Koller von der GPA-Wien hat er erreicht, dass die Umkleidezeiten aller Beschäftigten, die in Gesundheitseinrichtungen der AUVA arbeiten, als Arbeitszeiten anerkannt werden.
Rückwirkende Ansprüche gelten für zwei Jahre. Diese Anerkennung bringt Betroffenen ein Mehr an Freizeit für bereits geleistete Arbeit und Einheitlichkeit in den bisher herrschenden Regelungs-Wirr-Warr.
Es war ein langer und steiniger Weg bis zum endgültigen Erfolg. Viele Jahre kämpfte Erik Lenz, Vorsitzender des Zentralbetriebsrates der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA), dafür, dass Umkleidezeiten für alle Beschäftigten der AUVA als Dienstzeiten gewertet und bezahlt werden. Juristisch war die Sachlage seit einem wegweisenden Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) von Mai 2018 klar: Damals wurde entschieden, dass die Umkleidezeiten und die damit verbundenen innerbetrieblichen Wegzeiten des Personals in einer Tiroler Krankenanstalt als zu entlohnende Arbeitszeit zu werten sind. „Der OGH hat in seiner Urteilsbegründung gewürdigt, dass der Zeitaufwand für das Anlegen von hygienischer Dienstkleidung, die ausschließlich im Krankenhaus angezogen oder gewechselt werden darf, keine private Angelegenheit, sondern eine Vorgabe des Arbeitgebers ist und daher abzugelten ist“, erklärt Karin Koller, GPA- Rechtsschutzsekretärin der Region Wien.
„Besteht der Arbeitgeber, egal aus welchen Gründen darauf, dass die Dienstkleidung am Arbeitsort an- und ausgezogen wird, dann muss er diese Zeiten als Arbeitszeiten bezahlen.“
Karin Koller
Die umfassende Anerkennung der Umziehzeiten als Arbeitszeiten für alle Berufsgruppen in den acht Häusern der AUVA verlief dennoch schleppend, bereits vor dem OGH-Urteil es gab einen Fleckerlteppich an Regelungen, die Lenz vereinheitlichen wollte: „In jedem unserer Häuser gab es Betriebsvereinbarungen zum Thema Arbeitszeit mit eigenen Regelungen für circa 100 verschiedene Dienstarten. Bei einigen Berufsgruppen waren Umkleidezeiten hinterlegt, bei anderen aber nicht.“ Das lag auch daran, dass innerhalb der AUVA vor vielen Jahren die Umziehzeiten mit den Mittagspausen verknüpft wurden und bei Diensten, die länger als sechs Stunden dauern, die halbe Mittagspause, die per Kollektivvertrag als dienstfreie Zeit vereinbart war, als Umziehzeit angerechnet wurde.
Teilzeitbeschäftigte mit sechs Stunden Arbeitszeit waren von der Regelung nicht umfasst. „Beschäftigungsverhältnisse, bei denen keine Pause möglich ist, wie Schichtdienste oder Dienstzeiten, in denen jemand alleine auf einer Station arbeitet, waren ausgeschlossen“, kritisiert Lenz.
Mühsamer Etappensieg
Nach dem richtungsweisenden OGH-Urteil bemühten sich Lenz und Koller um eine außergerichtliche Lösung mit der AUVA und erreichten just für die Gruppe der Teilzeitbeschäftigten einen Etappensieg: „Die Anerkennung der Umkleidezeiten bei Diensten bis zu sechs Stunden als Arbeitszeit wurde außergerichtlich vereinbart.“
Bei den längeren Diensten zeichnete sich trotz langem Atem der Gewerkschafter aber keine Verhandlungslösung ab, Lenz hatte die Nase voll: „Wir konnten keinen Willen zur Veränderung mehr erkennen und wollten durch eine Klage weiteren Druck aufbauen.“ Gewählt wurde ein risikoreicher Weg, Koller brachte über den Zentralbetriebsrat der AUVA im Jänner 2021 eine Feststellungsklage gegen die Unfallversicherungsanstalt ein. „Es war juristisch schwierig, das Klagebegehren so konkret aber dennoch generalisiert zu formulieren, dass im Urteilsbegehren alle Dienstarten aufgeführt waren und die Beschäftigten aller betroffenen Häuser umfasst waren“, erklärt Koller für die seit dem OGH-Urteil feststand: „Wir müssen die Umziehzeiten für alle Beschäftigten der AUVA nachträglich und für die Zukunft absichern.“
Einheitliche Regelung für alle
Die strategische Klage zeigte Erfolg, Lenz und Koller haben eine umfassende Lösung und damit eine Gleichbehandlung aller in der AUVA ausgeübten Dienstarten erreicht: Im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung erkennt die AUVA mit Dezember 2021 die Umkleidezeiten aller Dienstarten als Arbeitszeit an. „Für das An- und Ausziehen und die dafür notwendigen Wege zur Wäscheausgabe und zur Garderobe sind pro Dienst jeweils 15 Minuten im System als Arbeitszeit hinterlegt“, erklären Lenz und Koller.
Zusätzlich wurden im Dezember des Vorjahres alle Umziehzeiten seit der Klageeinbringung aufgerollt, zahlreiche Beschäftigte haben nachträglich bis zu 70 Stunden an Freizeit abgegolten bekommen.
„Die AUVA hat sich lange Zeit gelassen, einen an sich schon klaren Rechtssatz umzusetzen. Ohne den Druck des Betriebsrates wäre hier nichts passiert“, sind sich Lenz und Koller einig. Nun profitieren alle Berufsgruppen in österreichweit acht Krankenanstalten der AUVA, die im Dienst mit PatientInnen arbeiten und daher hygienische Kleidung tragen müssen: ÄrztInnen, Pflegekräfte, Portiere, Bettentransporteure, Schreibkräfte in der Erstaufnahme oder auch Reinigungskräfte auf den Stationen.
„650 Menschen profitieren von der Anerkennung der Umkleidezeiten und haben dadurch Tage oder sogar Wochen an Zeitguthaben dazugewonnen.“
Erik Lenz
Aus der Abrechnung für die anerkannte Umkleidezeit der Dienste mit mehr als sechs Stunden Arbeitszeit geht hervor, dass insgesamt mehr als 650 Beschäftigte in den Krankenanstalten der AUVA aus diesem Titel heraus Zeiten für bereits geleistete Arbeit gutgeschrieben bekommen haben. Bei einzelnen ArbeitnehmerInnen ergeben die nachträglich anerkannten Umkleidezeiten mehr als 70 freie Stunden. Lenz ist hochzufrieden damit, dass durch diese Anerkennung bei einzelnen KollegInnen gewissermaßen die Arbeitszeit verkürzt wird: „Damit wurden endlich all jene Zeiten, die unsere Beschäftigten seit der Einbringung der Feststellungsklage beim und für den Arbeitgeber tatsächlich aufgewendet haben, anerkannt und gutgebucht.“
Meilenstein für die Beschäftigten
„Die Veränderung ist nachhaltig abgesichert, ist für künftige Dienste im System hinterlegt und kommt auch den KollegInnen der Vida im Bereich Dienstleistungen zu Gute“, sieht Lenz einen Meilenstein für die Beschäftigten. Für den Gewerkschafter kommt die Entlastung gerade zur rechten Zeit: „In der Pandemie, in der viele KollegInnen in unseren Krankenanstalten ohnedies enorm belasten sind, kommen diese zusätzlichen Zeiten der Erholung gerade richtig. Die MitarbeiterInnen in unseren Einrichtungen leisten großartige Arbeit, viele sind sehr unter Druck. Die Anrechnung der Umziehzeiten kommt einer kleinen Arbeitszeitverkürzung gleich, der Zeitausgleich kann einigen KollegInnen echte Entlastung bringen.“
Die Tatsache, dass eine Einigung in dem Fall nur durch die Klage möglich war, beeindruckt Lenz nicht, sie ist aber jedenfalls auch ein großer persönlicher Erfolg: „Als Betriebsrat ist es eine meiner Aufgaben, die MitarbeiterInnen vor Gericht zu vertreten. In Fällen, wo Arbeitgeber zentrale Rechtspositionen der Beschäftigten nicht einsehen wollen, ist eine Klage das passende Instrument. Da steht dann auch der Betriebsrat vor dem Vorhang und muss vor Gericht im Interesse der KollegInnen argumentieren.“
Dennoch sieht Lenz den Erfolg nicht als Einzelleistung, er konnte auf breite Unterstützung der anderen Betriebsräte in der AUVA zurückgreifen und war in regem Austausch mit vielen KollegInnen. Auch die Unterstützung aus Gewerkschaft und Arbeiterkammer war für den erfahrenen Vorsitzenden eine wertvolle Ressource: „Karin Koller hatte die Position der Klagevertreterin, ich bin als Auskunftsperson und Kläger aufgetreten. Wenn man ein Problem gut bespricht und vorbereitet, dann kann man beim Arbeits- und Sozialgericht wichtige Dinge für die ArbeitnehmerInnen erreichen.“
Gewerkschaftsmitglieder sind wichtig
Wichtig sei auch ein hoher Organisationsgrad in den Betrieben: „Es hilft sehr, wenn man Unterstützung von vielen Mitgliedern bekommt, die sich dann manchmal auch an der Aufbereitung und Argumentation des Themas beteiligen.“
Von 25 bislang geführten Klagen hat der Zentralbetriebsrat der AUVA 23 gewonnen. Lenz ist stolz darauf, in derartigen Fällen quasi Recht zu setzen. Neben den Beschäftigten in der AUVA könnten von der aktuellen außergerichtlichen Einigung auch KollegInnen in anderen Sozialversicherungsträgern und verwandten Branchen profitieren: „Wir haben mit unserer Klage die Rechtsdurchsetzung für ArbeitnehmerInnen im Gesundheitswesen verbessert.“