Betriebsrätin mit vollem Einsatz

Foto: Knut Beitl – Bildgeschichte

Betriebsrat sein, das ist mehr als eine Funktion, sondern kann zum wahren Beruf und einer erfüllenden Tätigkeit werden. Julia Böhm von der Erste Bank zeigt, wie die Arbeit einer engagierten Betriebsrätin aussieht und was für die Belegschaft alles erreicht werden kann.

Julia Böhm (35) ist freigestellte Betriebsrätin bei der Erste Bank und hat in dieser Aufgabe ihre Berufung gefunden. „Wir sind voll ausgelastet im Betriebsratsteam, mit vielen Beratungsterminen, aber auch mit Terminen mit der Personalabteilung. Dazu kommt die Arbeit an Verbesserungen auf der kollektiven Ebene“, beschreibt Böhm ihren Alltag als Belegschaftsvertreterin. „Wenn man das alles gut machen möchte, nimmt es viel Zeit in Anspruch. Und auch wenn es manchmal stressig sein kann: Mir macht dieser Job eine enorme Freude!“

Böhm hat Kultur- und Sozialanthropologie sowie VWL studiert. Bereits neben ihrem Studium jobbte sie im ServiceCenter der Erste Bank. Nach dem Studienabschluss war sie im Produktmanagement für Kreditkarten tätig und wurde gleich bei ihrer ersten Betriebsrats-Wahl ins Betriebsratsteam gewählt, vorerst noch als Ersatz, zwei Jahre später auf einem regulären Mandat.

Bei der nächsten Wahl 2015 kandidierte sie schon so weit oben auf der KandidatInnenliste, dass sie ein Mandat mit Freistellung erreichte. Zu diesem Zeitpunkt war sie erst 28 – ein rasanter Aufstieg, bei nur vier Freistellungen im Team! Zusätzlich hält sie seit 2019 ein Aufsichtsratsmandat inne.

„Wir sind voll ausgelastet im Betriebsratsteam, mit vielen Beratungsterminen, aber auch mit Terminen mit der Personalabteilung. Dazu kommt die Arbeit an Verbesserungen auf der kollektiven Ebene.“

Julia Böhm

Auch in der Gewerkschaft GPA nimmt Böhm mehrere Funktionen wahr: Sie ist Frauenbeauftragte für den Wirtschaftsbereich 22 Sparkassen und ins Frauenpräsidium delegiert, sowie Mitglied der Landeskontrolle in der GPA Wien. Außerdem arbeitet sie als Trainerin im BRAK-Lehrgang (BetriebsrätInnen-Akademie) zu arbeitsrechtlichen Themen und hält Tagesseminare zum Thema Homeoffice im Rahmen des VÖGB.

Gut aufgestellt in einem großen Betrieb

Das Betriebsratsteam der Erste Bank umfasst insgesamt 19 BelegschaftsvertreterInnen und vertritt knapp 3.000 MitarbeiterInnen. Rund die Hälfte arbeitet in Filialen in Wien, NÖ und im Burgenland, die andere Hälfte am ‚Erste Campus‘ beim Wiener Hauptbahnhof. Die verschiedenen Tochtergesellschaften haben eigene BR-Körperschaften, außerdem gibt es noch einen Europa-Betriebsrat.

Betriebsrätin sein, das ist eigentlich ein sozialer Job. Ich kann meine KollegInnen unterstützen und ihnen helfen, und genau dafür liebe ich meine Arbeit.“

Julia Böhm

Wenn Böhm über ihre Aufgaben als Betriebsrätin spricht, ist ihr die Begeisterung anzuhören. Die Arbeit macht ihr Freude, denn „Betriebsrätin sein, das ist eigentlich ein sozialer Job“, findet sie. „Ich kann meine KollegInnen unterstützen und ihnen helfen, und genau dafür liebe ich meine Arbeit.“ Ihre Aufgaben umfassen zwei große Bereiche: einerseits die Beratungstätigkeit, andererseits die Verbesserungen auf der kollektiven Ebene, die sie gemeinsam mit dem BR-Team anstrebt und verhandelt, wie z.B. Betriebsvereinbarungen oder Arbeitszeitregelungen.

Beratungsgespräche

Die Beratungsgespräche, die Böhm führt, decken eine breite Palette an Themen ab, von Elternkarenz bis zum Vorruhestand. Letzterer ist aktuell sehr nachgefragt: „Wir haben eine Gleitpension als betriebsinternes Modell, zu dem sich viele KollegInnen beraten lassen wollen, manchmal sind es fünf Termine an einem Tag nur zu diesem Thema.“

Auch Mutterschutz, Elternkarenz und Elternteilzeit sind stark nachgefragt bei den KollegInnen, denn: „Besonders beim ersten Kind gibt es jede Menge Fragen, und die KollegInnen sind dankbar für die individuelle Beratung.“ Andere beliebte Themen sind der Gehalts-Check und Tipps für Entwicklungsmöglichkeiten oder Gehaltsverhandlungen; Fragen zu längeren Krankenständen und zur Wiedereingliederungsteilzeit; zu Sabbaticals; und schließlich auch zur Beendigung von Dienstverhältnissen und zur Abfertigung. Böhm findet: „Dieses sehr breite Spektrum, und dass ich tagtäglich meinen KollegInnen mit Rat und Tat beiseite stehen kann, das macht den Job so spannend.“

„Wir sehen uns als Sprachrohr der Belegschaft. Es herrscht ein gutes Gesprächsklima, was für Verhandlungen einfach enorm wichtig ist, nur so können wir Verbesserungen erreichen.“

Julia Böhm

Kollektive Ebene

Auf der kollektiven Ebene stehen aktuell Themen wie die Erhöhung des Essenszuschusses an – die Inflation macht leider auch vor dem Kantinenessen nicht halt – und der Zuschuss zum Öffi-Ticket. Auch über einen Teuerungsbonus will man verhandeln.

Doch zuerst stehen die Kollektivvertragsverhandlungen für den Sparkassen-KV vor der Tür, die im Februar starten. Auch wenn Böhm nicht im Verhandlungsteam mit dabei ist, so kann sie trotzdem die Vorbereitungen für Gespräche mit ihren KollegInnen nutzen und für die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft werben. „Das ist für die Verhandlungen wirklich wichtig! Wir erläutern dabei nicht nur die Forderungen für die KV-Runde. Ich erkläre meinen KollegInnen, warum eine Gewerkschaftsmitgliedschaft eben doch einen Unterschied macht – und auch, wo das Urlaubsgeld herkommt!“

Hast du schon einmal überlegt selbst einen Betriebsrat zu gründen?

Wenn es bei dir im Betrieb mindestens 5 Beschäftigte gibt, kann eine Betriebsratswahl stattfinden. Dein Chef/deine Chefin, darf die Wahl nicht behindern. Als Betriebsrätin/Betriebsrat hast du einen besonderen Kündigungsschutz und du kannst einen Teil deiner Arbeitszeit für die Betriebsratstätigkeit verwenden. Wir unterstützen und begleiten dich und deine KollegInnen bei der Durchführung der Betriebsratswahl.
Du möchtest mit uns darüber reden? Dann wende dich an unsere Beratung in deinem Bundesland. Alle Kontakte findest du hier: https://www.gpa.at/kontakt

Serviceangebot

Auch das Serviceangebot des Erste Bank-Betriebsrates kann sich sehen lassen. Derzeit arbeitet man an der Digitalisierung der vergünstigten Betriebsrats-Gutscheine, was diese dann einfacher zugänglich machen wird. Die Gutscheine kauft der Betriebsrat in großen Kontingenten und kann so mit den verschiedenen Firmen Rabatte aushandeln. „Das ermöglicht den Kolleginnen deutliche Ersparnisse beispielsweise beim Einkauf von Lebensmitteln, Bekleidung oder Möbeln.“, erklärt Böhm, „Gerade jetzt, wo alles teurer wird, helfen die Gutscheine beim Sparen.“

Ein weiteres wichtiges Benefit, das der Betriebsrat für die Belegschaft erreichen konnte, ist die MitarbeiterInnen-Beteiligung an den Aktien des Unternehmens.

Die betriebliche Zusammenarbeit, betont Böhm, funktioniere sehr gut: „Wir sehen uns als Sprachrohr der Belegschaft. Es herrscht ein gutes Gesprächsklima, was für Verhandlungen einfach enorm wichtig ist, nur so können wir Verbesserungen erreichen.“

Homeoffice

Für das Arbeiten im Homeoffice war die Pandemie ein „Booster“, erinnert sich Böhm: „Davor war Homeoffice zwar schon möglich, aber wurde im Durchschnitt nur etwa einen Tag pro Woche genutzt. Zu Beginn der Pandemie arbeitete plötzlich der gesamte Erste Campus zu 100 Prozent von zu Hause aus, was technisch zum Glück kein Problem war.“ Rückblickend brachte diese Situation einen Fortschritt, der Betriebsrat konnte die Betriebsvereinbarung überarbeiten, und „nun nehmen es die meisten KollegInnen für zwei bis drei Tage pro Woche in Anspruch.“

Bis zu 50 Prozent Homeoffice sind möglich, allerdings nur für die Beschäftigten am Campus, die Filialen brauchen ihre MitarbeiterInnen größtenteils vor Ort. „Da müssen wir als Belegschaftsvertretung darauf achten, dass die FilialmitarbeiterInnen nicht zu kurz kommen“, erzählt Böhm.

Die Arbeit von zu Hause aus hat in Folge auch die Ratio beim Desksharing verändert: Bereits seit 2015 gibt es am Campus Desksharing, also Schreibtische, die gemeinsam benutzt werden. Vor Corona waren es acht Schreibtische für zehn Beschäftigte, seit 2022 sind es 6,5 Tische für zehn Köpfe. Was den positiven Nebeneffekt hatte, dass Platz frei wurde für zwei Tochtergesellschaften der Erste Bank. „Für die KollegInnen sehr erfreulich, da sie nun von der Infrastruktur des Campus profitieren können!“

Ob ihr der frühere Job im Produktmanagement nicht doch ein bisschen fehlt? „Ich bin hier richtig“, ist sich Böhm sicher, „meine Aufgaben als Betriebsrätin sind unglaublich vielfältig. In Beratungsgesprächen ist mal die Psychologin gefragt, mal die Arbeitsrechtlerin, mal einfach nur eine gute Zuhörerin. Oft geht es auch darum, jemandem Mut zu machen oder persönliche Probleme zu lösen. Wenn wir fürs Kollektiv eintreten, dann bin ich Verhandlerin. All diese verschiedenen Fassetten machen den Job einfach spannend!“

Zur Person:

Julia Böhms sportliches Steckenpferd ist Triathlon, also eine fordernde Kombination aus schwimmen, Rad fahren und laufen. Ihre zweitliebste Freizeitbeschäftigung ist Reisen. Noch besser, wenn sie beides verbinden kann, wie z.B. beim Triathlon-Training auf Mallorca. „Sport ist für mich extrem wichtig als Ausgleich zum Stress“, betont Böhm. Reisepläne über den Sport hinaus hat sie derzeit auch jede Menge, ganz oben auf ihrer Liste stehen Ziele wie Indien und die Malediven, aber auch Portugal oder Island fände sie reizvoll.

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