Derzeit wird die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft verhandelt. Gesetze zum Schutz von ArbeitnehmerInnen und Umwelt könnten ausgehebelt werden.
Seit Anfang 2013 verhandelt die EU-Kommission im Auf- trag der EU-RegierungschefInnen (also auch der österreichischen Regierung) die „Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)“ mit den USA. Die Erleichterung von Handel und Investitionen soll laut den Verantwortlichen Wachstum und Wohlstand für alle bringen. Die bislang seitens der EU-Kommission vorgelegten Studien (mit teilweise fragwürdigen Annahmen) sind jedoch dürftig: Je nach Studie würde TTIP jährlich 0,03 bis 0,13 Prozent mehr Wirtschaftswachstum für die EU bringen. Insgesamt 400.000 neue Arbeitsplätze sollen in den ersten 15 Jahren ab Umsetzung des Abkommens enstehen. Das wäre ein prognostizierter Beschäftigungseffekt von gerade einmal knapp 26.000 pro Jahr für alle 28 EU-Länder. Ein mehr als bescheidener Effekt für ein derart umfassendes Abkommen angesichts der derzeit mehr als 26 Millionen Arbeitslosen in der EU. Wenn so ein Abkommen also nicht substanziell mehr Arbeitsplätze bringt, warum wird dieses dann verhandelt, und was sind die Inhalte des Abkommens?
Zweifelhafte Angleichung
Es gibt bereits jetzt regen Handel zwischen der EU und den USA. Zölle existieren abgesehen von wenigen Ausnahmen kaum noch. Der Fokus des Abkommens liegt daher auf der Beseitigung der sogenannten „nicht-tarifären“ Handelshemmnisse zwischen der EU und den USA. Gesetze, Standards und Regelungen wie zum Beispiel KonsumentInnen- und Datenschutz, die Kennzeichnung von Lebensmitteln, Umweltgesetze, Medikamentenpreise, Patente, Arbeitsnormen und auch die Vergaberegeln für öffentliche Aufträge sollen in Zukunft „gegenseitig anerkannt“ werden. Für die Menschen in der EU könnte das Gentechnik, Hormonfleisch oder Chlorhühner auf dem Teller, geringeren Datenschutz oder eine Verschlechterung von Arbeitsbedingungen bedeuten.
Alle Macht den Konzernen?
Damit nicht genug. Auch Investor-Staats-Klagerechte sollen eingeführt werden – bereits Ende der 90er Jahre gab es den Versuch der OECD das zu tun: über das Multilaterale Investitionsabkommen (MAI). Das wurde von der Zivilgesellschaft unter starker Beteiligung der Gewerkschaften erfolgreich verhindert. Jetzt ist dieses Thema zurück. In TTIP (und CETA – EU-Kanada Abkommen) sollen Konzerne die Möglichkeit erhalten, Staaten zu klagen, wenn sie sich „unfair behandelt“ oder „indirekt enteignet“ fühlen. Die Erfahrungen mit diesem Instrument zeigen: Der Beschluss neuer oder die Veränderung bestehender Gesetze kann zu Konzernklagen auf entgangene Gewinne mit Forderungen in Milliardenhöhe führen.
Energiekonzern klagt Deutschland
Beispiele gefällig? Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat Deutschland auf 3,7 Milliarden Euro Schadenersatz für den Ausstieg aus der Atomkraft geklagt – Verfahren noch anhängig. Ägypten wurde 2012 vom französischen Wasserkonzern Veolia für die Anhebung des Mindestlohns vor das Schiedsgericht gezerrt. Diese Klagen werden bei internationalen Schiedsgerichten wie dem Weltbanktribunal (ICSID) verhandelt – von drei Personen (zwei Anwälte, ein Schiedsrichter), unter Ausschluss der Öffentlichkeit und ohne Berufungsmöglichkeit. Konzerne können so öffentliche Staatskassen plündern. Allein die Drohung solcher Klagen wird mittelfristig zum „Chilling“-Effekt führen – der Selbstbeschränkung von Regierungen beim Erlass strengerer Umwelt- oder Sozialgesetze. Klagsrechte sind daher nichts anderes als eine ernsthafte Gefährdung der Demokratie.
Während mit TTIP die breite Masse der Menschen in der EU und den USA eine weitere Verschlechterung ihrer Lebensqualität erfahren wird und auch die Umwelt das Nachsehen hat, gibt es einige wenige Gewinner dieser Deregulierung: Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks. Für sie werden die Gewinne sprudeln.
Undemokratische Verhandlungen
Die TTIP-Verhandlungsdokumente sind geheim. Das Europäische Parlament wird lediglich informiert und ist zur Geheimhaltung verpflichtet; nationale Parlamente sind nicht eingebunden und werden meistens nicht einmal informiert. Erst durch den Druck der Zivilgesellschaft entsteht derzeit eine öffentliche Diskussion. Dagegen wurden und werden große Konzerne von der Europäischen Kommission hofiert. Im Vorfeld der Verhandlungen fanden 93 Prozent aller Treffen mit LobbyistInnen internationaler Großkonzerne statt. Zivilgesellschaftliche Organisationen, so auch Gewerkschaften, haben kein Mitspracherecht.
Ein Abschluss der Verhandlungen war ursprünglich von offizieller Seite noch im Jahr 2014 geplant. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass dieser Termin eingehalten wird. Wenn das Abkommen einmal aus- gehandelt ist, darf das Europäische Parlament dem vorliegenden Vertrag nur zustimmen oder ihn ablehnen. Ob nationale Parlamente in den Abstimmungsprozess eingebunden werden, ist noch unklar.
TTIP verhindern
In vielen EU-Staaten und in den USA wächst bereits der Widerstand gegen dieses „Unterwerfungsabkommen“. Und tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Alternativen zu TTIP, die tatsächlich Arbeitsplätze schaffen: Lohnerhöhungen, Arbeitszeitverkürzung und Investitionen in den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln, erneuerbaren Energien und den Sozialstaat – von Bildung über Pflege bis hin zu Kinderbetreuung – sind nur einige der Ideen. Dafür braucht es eine Abkehr von der EU-Kürzungspolitik und unter anderem die Besteuerung großer Vermögen. Infos unter: www.ttip-stoppen.at
Alexandra Strickner
ist Ökonomin, Mitbegründerin und derzeit Obfrau von Attac und politische Koordinatorin der Verbindung Wege-aus- der-Krise, der die GPA-djp angehört. www.wege-aus-der-krise.at
Gewerkschaft will TTIP-Verhandlungen aussetzen
Der Österreichische Gewerkschaftsbund steht dem Freihandelsabkommen TTIP skeptisch bis ablehnend gegenüber. Zu groß ist die Gefahr, dass das Abkommen zu massiven Angriffen auf Sozialsysteme, Arbeitsrechte, Umweltschutzauflagen und Konsumentenrechte führe. Diese Skepsis wird durch die strikte Weigerung, die Verhandlungen öffentlich zu führen, verstärkt. Der ÖGB fordert die Aussetzung der Verhandlungen und unter anderem eine Ausnahme der umfassenden Investitionsschutzbestimmungen. Infos unter: www.gpa-djp.at/international/