Die KOMPETENZ hat sich umgehört, welche Probleme die Menschen in verschiedenen Lebenslagen haben. Daraus ergibt sich eine Reihe von Forderungen der GPA-djp an die nächste Bundesregierung.
Österreich steht wirtschaftlich vergleichsweise gut da. Unsere Arbeitslosenzahlen sind EU-weit am niedrigsten. Die österreichische Wirtschaft wächst seit Jahren stärker als der EU-Durchschnitt. Nach Luxemburg ist Österreich dadurch zum zweitreichsten Land in der EU aufgestiegen. Jeden Tag kann man diese Erfolgsmeldungen in der Zeitung lesen. Österreich hat in der Krise die richtigen Maßnahmen gesetzt. Konjunkturpakete und Kurzarbeit haben viele negative Auswirkungen abgefedert. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass auch in Österreich bei weitem nicht alles bestens ist. Reich sind nämlich in Österreich nur wenige Menschen, die Zahl der Armutsgefährdeten dagegen wächst und die Einkommen von Männern und Frauen klaffen so weit auseinander wie in kaum einem anderen EU-Land. Fragt man Menschen in unterschiedlichen Lebensphasen nach ihren realen Problemen, dann ergibt sich rasch eine lange to-do-Liste für die künftige Bundesregierung.
Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Im vergangenen Jahr kamen in Österreich rund 77.700 Babys zur Welt. Doch die Entscheidung für ein Kind ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Allzu gegenwärtig sind Schlagworte wie „Karriereknick“ und „Doppelbelastung“. So bekommen die Frauen das erste Kind immer später – derzeit mit 29 Jahren. Die meisten Paare bekommen heutzutage ein oder zwei Kinder. Lisa F. und ihr Partner haben sich entschieden, keine Kinder zu bekommen. Beide arbeiten in leitenden Positionen und bereuen bisher ihre Entscheidung nicht. „Der Zeitpunkt hat einfach nie gepasst. Es ging mir gar nicht so sehr um die finanziellen Einbußen, die es sicher auch gegeben hätte. Aber mit einem kleinen Kind und einem reduzierten Stundenausmaß hätte ich nie in meine Position als Leiterin des Einkaufs zurückkehren können.“
Woran liegt es, dass Frauen wie Lisa F. an den Karrieremöglichkeiten mit Kind zweifeln? Nach den ersten, intensiven Jahren der Kinderversorgung wollen die meisten Frauen in ihren Beruf zurück. Doch da gibt es viele Hürden. Vor allem in ländlichen Bereichen fehlt es an Kinderbetreuungsplätzen und Krippen für die ganz Kleinen. Trotz vieler Anstrengungen in Richtung Gleichberechtigung wird in Österreich immer noch der überwiegende Teil der Versorgungs- und Betreuungsarbeit von Frauen geleistet – unabhängig davon, ob sie berufstätig sind oder nicht. Durch die Bindung an die häuslichen Aufgaben wird der Wiedereinstieg erschwert.
In Österreich arbeiten rund 45 Prozent der Frauen in Teilzeitbeschäftigungen. Johanna U. hat sich für Kinder entschieden und arbeitet seit der Geburt ihres zweiten Sohnes Teilzeit als Verkäuferin in einem Drogeriemarkt. Sie hat von der Durchsetzung von 1.300 Euro Mindestgehalt durch die Gewerkschaft profi tiert, ein bisschen mehr Geld käme ihr aber trotzdem gelegen. Die Arbeitsbedingungen im Handel sind anstrengend. „Ich mag meinen Job, aber durch die vielen Samstage, die ich bis 18 Uhr im Geschäft stehe, leidet unser Familienleben schon ein wenig. Wenn ich auch noch am Sonntag arbeiten müsste, wäre das eine Katastrophe für uns.“
Ein Ausbildungsplatz muss her
Eine gute Ausbildung ist weiterhin der Grundstein für eine sichere Beschäftigung und fürs lebenslange Lernen. Aktuell haben 46,7 Prozent der Arbeitslosen maximal einen Pflichtschulabschluss. Der Anteil der Arbeitslosen mit Hochschulabschluss liegt bei 4,8 Prozent. Doch einen passenden Lehrplatz zu ergattern ist nicht immer einfach. Einige Wunschberufe wie Kfz-MechanikerIn, Einzelhandelskaufmann/-frau oder FriseurIn sind überlaufen. Fleischereien, Speditionen oder Metallwarenindustrie können ihre Lehrstellen mangels geeigneter BewerberInnen oft nicht besetzen. Thomas P. wollte eigentlich eine Mechanikerlehre machen. Nach einer schier endlosen Lehrstellensuche hat er die Hoffnung auf seinen Traumberuf aufgegeben und eine Ausbildung in einer überbetrieblichen Lehrwerkstätte begonnen. „Man merkt in der Berufsschule, dass wir Lehrlinge zweiter Klasse sind. Am Anfang habe ich gehofft, dass einer der Betriebe, bei dem ich ein Praktikum mache, mir vielleicht einen Lehrvertrag gibt, aber inzwischen glaube ich, die nutzen uns nur aus.“ Leider können sich die Lehrlinge im Vorhinein kein genaues Bild über die Ausbildungseignung ihres Betriebes machen.
Mangelhafte Ausbildungsbedingungen führen oft zum verfrühten Bildungsabbruch. Mehr als die Hälfte der MaturantInnen strömt jedes Jahr an die Universitäten. Von der höheren Bildung versprechen sie sich bessere Chancen am Arbeitsmarkt und gute Einkommen. Der AkademikerInnen-Anteil ist in Österreich mit rund 19 Prozent sehr niedrig. Jede/r fünfte Studierende bricht das Studium innerhalb der ersten drei Semester ab. Ob jemand sein Studium erfolgreich beendet, hängt oft von materiellen Faktoren ab.
Die GPA-djp fordert von der neuen Bundesregierung
Gleichstellung
• Mehr Kinderbetreuungsplätze und ein bundeseinheitliches Rahmengesetz für Kinderbildungseinrichtungen, das u. a. Gruppengrößen, Vorbereitungszeiten, Öffnungszeiten, Weiterbildung in der Dienstzeit und Personalschlüssel definiert.
• Die regelmäßige Valorisierung der Kinderbeihilfe.
• Die Abschaffung des dreimonatigen Durchrechungszeitraums beim Mehrarbeitszuschlag für Teilzeitbeschäftigte und die Auszahlung des Mehrarbeitszuschlags ab der ersten Stunde.
• Die Einführung eines Papamonats.
• Ein klares Nein zu einer weiteren Liberalisierung der Öffnungszeiten im Handel und zu einer Aufweichung des freien Sonntags.
• Die Unterstützung der Bemühungen der Gewerkschaften um einen kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.500 Euro in allen Branchen.
• Eine Modernisierung des Urlaubsrechts, die allen ArbeitnehmerInnen nach 25 Jahren eine 6. Urlaubswoche ermöglicht. Derzeit schaffen vor allem Frauen selten 25 Jahre bei einem einzigen Arbeitgeber.
Berufsausbildung
• Eine flächendeckende Qualitätskontrolle auch bei der Lehrlingsausbildung.
• Verbesserte Durchlässigkeit zwischen berufsbildenden Schulen und Lehrausbildung.
• Eine Verkürzung der Probezeit von Lehrlingen von drei auf einen Monat.
• Eine Ausdehnung des Mindeststundenausmaßes, das Lehrlinge in der Berufsschule verbringen, um auch soziale und Sprachkompetenz unterrichten zu können.
Arbeiten um zu Studieren
Derzeit arbeiten zwei Drittel der Studierenden während ihres Studiums, um sich ihre Ausbildung leisten zu können – viele auch schon davor. Kein Wunder, dass Kinder aus Akademikerfamilien mit besserer finanzieller Unterstützung ihr Studium schneller und besser abschließen. Etwa jeder zweite Studienabbruch ist auf die Unvereinbarkeit mit dem Job zurückzuführen und dann bleibt eben nicht die Arbeit auf der Strecke, sondern die Uni – und damit die Chance auf eine bessere Zukunft. Ilona S. arbeitet neben dem Studium in einem Callcenter. „Ich bekomme zwar ein Stipendium, weil meine Mutter als Altenpflegerin nur wenig verdient, ohne mei-nen Nebenjob würde ich aber nicht über die Runden kommen.“
Arbeitslosigkeit als Armutsfalle
Arbeitslosigkeit ist in der heutigen Gesellschaft kein Randgruppenthema mehr. Jede/r fünfte Beschäftigte verliert im Laufe eines Jahres seine Arbeit! Derzeit sind rund 240.000 Menschen arbeitslos. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen und der NotstandshilfebezieherInnen steigt weiter an. Diese Menschen sind besonders gefährdet, in die Armut abzurutschen, denn ohne beständiges Einkommen sind die monatlichen Fixkosten nicht mehr lange bezahlbar. Im Jahr 2011 waren mehr als zwölf Prozent der österreichischen Gesamtbevölkerung armutsgefährdet. Darüber hinaus ist die Zeit der Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihre Familien eine Zeit der Unsicherheit und eine enorme psychische Belastung.
Ruth H. ist seit zwei Jahren arbeitslos. Weil ihr Partner 1.600 Euro als Maurer verdient, hat sie keinen Anspruch auf Notstandshilfe. „Als ich erfahren habe, dass ich keine Notstandshilfe bekommen werde, war ich sehr frustriert. Ich habe 30 Jahre gearbeitet und mit 46 bin ich offenbar zu alt und zu teuer. Am schlimmsten ist das Gefühl, plötzlich von meinem Mann abhängig zu sein.“
Die GPA-djp fordert von der neuen Bundesregierung
Studium
• Ein klares Nein zu Studiengebühren, denn diese wirken sozial selektiv und richten mehr Schaden an, als sie den Universitäten nutzen.
• Statt Zugangsbeschränkungen und Knock-Out-Prüfungen echte Eingangs- und Orientierungsphasen.
• Den Ausbau des derzeitigen Stipendiensystems und die Aufstockung der Mittel für die Studienbeihilfe zur Förderung von Studierenden aus sozial benachteiligten Familien. Arbeitslosigkeit
• Die Anhebung der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von derzeit 55 Prozent zumindest auf den EU-Schnitt.
• Die Abschaffung der Anrechnung des PartnerInnen-Einkommens bei der Notstandshilfe, die dazu führt, dass viele Frauen keine Notstandshilfe beziehen können.
• Die Auszahlung der bedarfsorientierten Mindestsicherung 14-mal im Jahr statt derzeit nur 12-mal.
Große Sprünge in der Pension?
Der Lebensabschnitt der Pension ist heute vielen positiven und negativen Etikettierungen ausgesetzt. Im vergangenen Jahr bezogen in Österreich rund 2,26 Millionen Menschen eine Pension. Die Werbeindustrie zeichnet gerne das Bild von dynamischen und agilen Mitt-Sechzigern, die ihr Geld für das eigene Wohlbefinden, für Reisen und für Luxusartikel ausgeben. Tatsächlich betrug die durchschnittliche Pensionshöhe in Österreich im Jahr 2012 monatlich 1.023 Euro brutto. Bei Männern waren es 1.344 Euro, bei Frauen gar nur 817 Euro. Viele Menschen tun sich schwer, von diesem Einkommen die täglichen Wohn- und Lebenshaltungskosten zu decken.
„Alles wird teurer“, erzählt Josef K. „Dabei leben wir nicht im Luxus. Mit 1.100 Euro Pension und Fixkosten von mehr als 00 Euro im Monat für Wohnen und Heizen bleibt am Ende das Monats einfach nichts übrig – auch wenn wir unsere Lebensmittel beim Billigdiskonter kaufen.“
Pflege ist hohe Verantwortung
In 20 Jahren wird jede/r Neunte in Österreich über 75 Jahre alt sein. Der Lebensabschnitt, in dem ein Mensch pflegebedürftig werden könnte, ist von großen Unsicherheiten geprägt. Im Jahr 2011 wurden rund 140.200 Personen im Rahmen mobiler Dienste und 74.800 Menschen in stationären Einrichtungen betreut. Wie in allen Sozialberufen ist die Qualität der Betreuung von der Ausbildung und Motivation der MitarbeiterInnen abhängig. Ihnen sind die Schwachen und Alten anvertraut, die sich manchmal selbst nicht mehr artikulieren können. Eine entsprechende finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung würde helfen, jene große Fürsorge und Geduld aufzubringen, die im Pflegealltag notwendig sind.
Angela K. ist Krankenpflegerin und arbeitet in der mobilen Pflege in Niederösterreich. „Ich arbeite seit 20 Jahren in dem Job und sehe, dass die Belastung und der Stress immer mehr werden. Das ist für niemanden gut. Wenn ich für einen Patienten nur eine Viertelstunde habe, dann kann ich ihn kaum fragen, wie es ihm geht.“
Soziale Sicherheit darf auch etwas kosten
Dass Österreich die Wirtschaftskrise erfolgreicher als andere Länder gemeistert hat, liegt großteils am gutfunktionierenden Sozialstaat, der die Menschen gegen Lebensrisiken erfolgreich schützt. Wenn wir diesen Sozialstaat absichern und ausbauen wollen, brauchen wir neue Finanzierungsmodelle und Einnahmequellen. Derzeit tragen die ArbeitnehmerInnen über die Einkommens- und die Mehrwertsteuer etwa zwei Drittel zu den Staatseinnahmen bei. Die Einnahmen aus vermögensbezogenen Steuern sind dagegen kaum der Rede wert. Trotz einzelner Erfolge wie etwa der Einführung einer Vermögenszuwachssteuer oder der Solidarabgabe für Spitzenverdienerinnen, bleibt auf dem Weg zu einem gerechten Steuersystem viel zu tun.
Die GPA-djp fordert von der neuen Bundesregierung
Pension
• Nein zu weiteren Verschlechterungen und Einschnitten ins Pensionssystem.
• Nein zur Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters. • Nein zur vorzeitigen Anhebung des Frauenpensionsalters.
• Pensionserhöhungen für alle PensionistInnen über der Inflationsrate. Pflege
• Absicherung des Pflegefonds auch über 2016 hinaus und die Aufstockung der Mittel.
• Abschaffung des Pflegeregresses.
• Keine weitere Verschärfung beim Pflegegeld-Zugang.
• Rund-um-die-Uhr-Betreuung darf nicht schwer kontrollierbaren Pseudo-Selbstständigen-Beschäftigungsverhältnissen überantwortet werden.
Steuern
• Einführung einer Vermögenssteuer für große Vermögen ab 700.000 Euro.
• Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer mit großzügigen Freibeträgen.