Sepp Eisenriegler vom Reparatur- und Service-Zentrum im KOMPETENZ-Interview.
KOMPETENZ: Wann war eigentlich bei Ihnen zu Hause zuletzt ein Gerät kaputt?
Eisenriegler: Das war so eine Kaffeemaschine vor etwa einem Jahr.
KOMPETENZ: Was haben Sie damit gemacht?
Eisenriegler: Ich habe sie hierher ins Reparatur- und Service-Zentrum (R.U.S.Z.) gebracht. Man sieht in solchen Fällen, dass die angeblichen Verschwörungstheorien wirklich existieren. Das Mahlwerk der Kaffeemaschine wird vom Motor über eine Metallschnecke angetrieben, die in dieses Zahnrad aus schlechtem Kunststoff greift. Aber die Zähne werden mit der Zeit abgerieben, wie Sie hier am weißen Abrieb sehen können. Deshalb läuft irgendwann der Motor leer durch, die Bohnen werden nicht mehr gemahlen.
KOMPETENZ: Warum ist Reparieren besser als ein Neukauf?
Eisenriegler: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, was uns Studien – und die gibt es meterweise – sagen: Dass bereits bei der Produktion und Distribution von Waschmaschinen, ab der Rohstoffgewinnung bis zur Lieferung zu den KundInnen, 53 Prozent der Umweltbelastungen verursacht werden; also bevor ich ein Neugerät einschalte, ist bereits mehr als die Hälfte der Umweltbelastungen passiert. Nur 47 Prozent können die KonsumentInnen selbst steuern.
Und wenn man uns einredet, dass wir wegen der Energieeffizienz Millionen von Waschmaschinen tauschen sollen, ist das Bauernfängerei. Denn zum energieeffizienten Waschen gibt es ein einziges Programm, meist ist es das 60-Grad-Eco-Programm, das drei bis vier Stunden dauert. Alle anderen, speziell die Kurzwaschprogramme, verbrauchen viel mehr Energie. Der Löwenanteil des Stroms wird nämlich beim Aufheizen des Wassers benötigt, die Wäsche selbst wird nur etwa 30 Grad warm. Dass nur mit dem Ökolabel-Programm energiesparend gewaschen wird, steht in den Bedienungsanleitungen. Aber die sind schlecht lesbar, deshalb haben wir es uns abgewöhnt – nur acht Prozent lesen diese überhaupt.
KOMPETENZ: Ist bei einer Reparatur nicht oft eine Arbeitsstunde teurer als ein Neugerät?
Eisenriegler: Also es ist schlimm genug, aber nicht so schlimm. Durch das Reparieren wird schon einmal der ökologische Fußabdruck, der in der Produktion passiert ist, relativ verringert.
KOMPETENZ: Ich kann mich erinnern, dass Sie vor 20 Jahren eher belächelt wurden. Jetzt haben Sie ein Buch herausgebracht und geben zwei Interviews pro Tag. Ist Ihre Botschaft im Mainstream angekommen?
Eisenriegler: Bei den Medien und den Kunden und Kundinnen hat die Idee, Geräte statt wegzuwerfen zu reparieren, schon immer Gefallen gefunden. Wir sind gegen die geplante Obsoleszenz vorgegangen, also dass in Geräten Zählwerke und Sollbruchstellen eingebaut werden, damit sie nach kurzer Zeit kaputtgehen. Die Branchenvertreter dachten zuerst, sie könnten das aussitzen. Aber jetzt sehen das auch die KonsumentInnen so. Von daher ist die Botschaft im Mainstream angekommen.
Der beste Beweis ist, dass die konservative EU-Kommission vor einem Jahr einen Aktionsplan veröffentlicht hat, der einen systemischen Wandel von der linearen zur Kreislaufwirtschaft vorsieht.
Es geht in Wirklichkeit ja um die Rohstoffe: Die EU ist knapp vor China der größte Wirtschaftsraum, aber wie kein anderer abhängig von Rohstoffimporten – aus mehrheitlich politisch instabilen Ländern. Dass die EU-Kommission deshalb für einen sorgsameren Umgang mit den Rohstoffen ist, kann mir nur recht sein. Wir sind seit Jahren in Brüssel dahinter. Da darf man nicht neidisch sein bezüglich geistigen Eigentums, sondern wichtig ist, dass es jetzt passiert. Die Entkopplung des Rohstoffverbrauchs von weiterem Wachstum ist irreversibel. Die Industrie wird das nur verzögern, aber nicht verhindern können.
KOMPETENZ: Kann man damit etwa sagen, der Neukauf ist ein kapitalistischer Akt des Wohlstands, während Reparieren das sozial verantwortungsbewusstere Handeln widerspiegelt?
Eisenriegler: Durchaus. Wir bemühen uns, das Reparieren attraktiv und bequem zu machen. Deshalb haben wir ein Jahr nach dem R.U.S.Z. ein wienweites Reparaturnetzwerk gegründet. Derzeit hat es mehr als 80 – seriöse – Mitgliedsbetriebe. Das ist automatisch so gewachsen, weil sich immer mehr Betriebe unterscheiden wollen von den vielen schwarzen Schafen, die als verlängerter Arm der Verkaufsabteilungen agieren. Und es wird immer noch die Arbeit zu stark besteuert.
KOMPETENZ: Sie fordern seit langem eine ökosoziale Steuerreform …
Eisenriegler: … Seit 40 Jahren.
KOMPETENZ: Was stimmt Sie optimistisch, dass es in Österreich dazu kommen wird?
Eisenriegler: Wenn die oberste EU-Behörde einen Aktionsplan beschließt, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern, kann man auch das Steuersystem ändern. Ich glaube, das eine bedingt das andere. Eigentlich ist das In-Besitz-Nehmen ein Problem, das wir uns selbst schaffen. Wir brauchen neue Konsummodelle. Zum Beispiel unbefristete Mietverträge für Waschmaschinen, die wir anbieten. Diese Produkt-Dienstleistungssysteme sollten eigentlich die Hersteller gemeinsam mit dem Elektrohandel anbieten. Aber die stationären Elektrohändler verhalten sich wie die Lemminge. Die großen Elektromärkte brauchen enormen Umsatz, um noch Profit machen zu können.
KOMPETENZ: Sie meinen, das ist nicht nachhaltig durchdacht?
Eisenriegler: Die Branchenvertreter des Elektrohandels sind nur am Umsatzwachstum interessiert, und gleichzeitig schreiben sie den Herstellern vor, wie lange die Geräte zu funktionieren haben. Darauf gehe ich auch in meinem Buch näher ein.
KOMPETENZ: Es heißt „Konsumtrottel – Wie uns die Konzerne austricksen und wie wir uns wehren“. Was sollten KonsumentInnen bei den Weihnachtseinkäufen beachten?
Eisenriegler: Ein Neukauf ist aus ökologischer Sicht das Schlechteste, was man machen kann. Aber wenn man schon ein Gerät neu kauft, sollte man immer danach fragen, wie lange Ersatzteile verfügbar sind. Daraus lässt sich schließen, für wie lange ein Gerät gebaut wurde.
KOMPETENZ: Über Sie liest man verschiedene Definitionen, Aufklärer, Lobbyist, Weltverbesserer … wie sehen Sie sich selbst?
Eisenriegler: Am ehesten entspricht mir die Bezeichnung Pionier der Ressourcenschonung. Das war ich immer schon. Angefangen von der Umweltberatung Wien, die ich in den 80er-Jahren initiierte; mein Beruf war meine Berufung und ist es heute immer noch. Ressourcenschonung ist die Mutter des Umweltschutzes. Würden wir weniger Materialien aus der Erdkruste extrahieren und daraus Produkte machen, hätten wir heute keinen Klimawandel.
KOMPETENZ: Könnten Sie sich vorstellen, in die aktive Politik einzusteigen?
Eisenriegler: Nein. Das ist nicht meines. So muss ich mich mit keinem Herrn Strache ärgern oder mit anderen Populisten, deren einziges Interesse darin besteht, populistischen Sand ins Getriebe zu streuen.