Unsere Arbeitswelt unterliegt einem ständigen Wandel. Technische Erneuerungen erleichtern unseren Arbeitsalltag und ermöglichen uns, auch von unterwegs zu arbeiten. Aber nicht nur wie und wo, sondern auch wann wir arbeiten hat sich verändert.
Bandbreiten- und Durchrechnungsmodelle, Schichtmodelle und Gleitzeit erlauben heute unterschiedlichste Verteilungen der Arbeitszeit. So ist es beispielsweise möglich, die Wochenarbeitszeit nicht auf 5, sondern 4 Tage aufzuteilen. Dazu benötigt es lediglich eine Betriebs- oder alternativ eine Einzelvereinbarung. Dasselbe gilt für die Ausweitung der täglichen Normalarbeitszeit auf bis zu 10 Stunden. Und ist der Arbeitsbedarf kurzzeitig besonders hoch, lässt das Gesetz auch hier Spielraum. Dann kann die tägliche Maximalarbeitszeit sogar auf 12 und die wöchentliche auf 60 Stunden erhöht werden.
Unsere gesetzlichen und kollektivvertraglichen Bestimmungen bieten weitreichende Möglichkeiten zur Arbeitszeitflexibilisierung. Daher ist der Wunsch der Wirtschaft nach mehr Flexibilität genauer zu hinterfragen. Vorrangig wurde hier die Erhöhung von Durchrechnungszeiträumen gefordert. Schon heute zeigt sich, dass lange Durchrechnungszeiträume das Entstehen von zuschlagspflichtigen Überstunden hemmen. Ist es denn gerecht, dass Menschen längerfristig mehr arbeiten als vereinbart, aber dafür keinen extra Bonus erhalten? Selbstverständlich kann es Zeiten mit besonders hohem Arbeitsaufkommen geben. In dem Zusammenhang sollten wir auch über die wirtschaftsseitig gewünschte Ausweitung der täglichen Maximalarbeitszeit auf 12 Stunden reden. Wir wissen aus zahlreichen Untersuchungen, dass solche Arbeitszeiten zu physischen und psychischen Belastungen führen können. ArbeitnehmerInnen, die solche Risiken in Kauf nehmen, müssen dafür eine angemessene Gegenleistung erhalten. Ein fitter Arbeitsmarkt braucht gesunde und zufriedene ArbeitnehmerInnen. Ausreichend Erholung, Zeit mit der Familie und Freizeitaktivitäten dürfen deshalb nicht zu kurz kommen.
Wenn wir als Gewerkschaft also über eine weitere Flexibilisierung reden, dann nur wenn alle etwas davon haben. Wenn die Wirtschaft ArbeitnehmerInnen mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit abverlangt, muss sie ihnen im Gegenzug mehr Mitsprache zugestehen. ArbeitnehmerInnen sollen bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit gleichberechtigt mitentscheiden dürfen. Sowohl bei der wöchentlichen Verteilung, aber auch über das gesamte Erwerbsleben hinweg. Ein Rechtsanspruch auf Bildungs- und Elternteilzeiten wäre hierfür ein geeigneter Anfang. Aber auch die Verkürzung der Normalarbeitszeit und die sechste Urlaubswoche für alle sind dringend umzusetzende Maßnahmen. Sie würden nicht nur der hohen Produktivität und dem steigenden Arbeitsdruck Rechnung tragen, sondern auch eine Umverteilung des Arbeitsvolumens bewirken, sodass sich niemand krank arbeitet, während andere gar nicht teilhaben. Reden wir über Arbeitszeitflexibilisierung. Aber nicht zum Nulltarif für Unternehmen.