Der neue Handels-Kollektivvertrag bietet für die 400.000 Angestellten in Österreich eine Reihe von Verbesserungen. Bis spätestens 2021 muss umgestellt werden.
Was lange währt, wird endlich gut. Über 40 Verhandlungsrunden und drei Jahre dauerte es, bis sich die Sozialpartner auf ein modernes Gehaltsschema im Handel einigten. Über die positiven Veränderungen dürfen sich rund 400.000 Angestellte im Einzel-, Groß- und Kfz-Handel freuen. Ihr neuer Kollektivvertrag (KV) sieht höhere Einstiegsgehälter, eine flachere Gehaltsstruktur, die übersichtliche Gehaltseinstufung und vor allem Verbesserungen für Frauen vor. Gültig wird der neue Handels-KV ab 1. Dezember 2017, eine Übergangsfrist läuft bis Dezember 2021 – in diesem Zeitraum müssen Unternehmen auf die neue Vereinbarung umstellen. „Mit der fairen Verteilung des Lebenseinkommens und mit der neuen Bewertung von Qualifikationen und Berufsbildern im neuen Kollektivvertrag, haben wir den Bedürfnissen vieler Angestellter Rechnung getragen“, erklärt Franz Georg Brantner, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Handel in der GPA-djp.
So siehts jetzt aus
Für Angestellte mit Einzelhandels- oder kaufmännisch administrativer Lehre wird ein Mindestgehalt von 1.600 Euro brutto im Monat (statt bisher 1.546 Euro). gelten. Der jährliche KV-Abschluss ist darin noch nicht enthalten. Das Einstiegsgehalt ist in den vergangenen Jahren überproportional gestiegen, 2005 waren es noch 1.096 Euro. Im neuen KV werden auch die Karenzzeiten bei Vorrückungen voll angerechnet – davon profitieren vor allem junge Mütter. Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin der GPA-djp: „Die volle Anrechnung von Karenzzeiten im neuen Gehaltssystem erhöht beispielsweise das Lebenseinkommen für eine Frau mit zwei Kindern um drei Prozent.“
Einfache Regelungen gelten nun bei der Entlohnung. Denn bisher bekamen etwa BuchhändlerInnen oder DrogistInnen unterschiedliche Gehälter ausbezahlt. Ebenso wurde in Salzburg und Vorarlberg nach einem anderen Schema vergütet als in den sieben anderen Bundesländern. Insgesamt gibt es derzeit acht Handels-Bereiche (u. a. Foto- oder Lebensmittelhandel), die einen unterschiedlichen Tarif erhalten. Im neuen KV gilt nur noch eine Tabelle für das gesamte Bundesgebiet und alle Handelsbranchen.
Für die Zukunft gerüstet
Die Entwicklung des Online-Handels wirkt sich immer mehr auf den stationären Handel aus. „Wir haben uns deshalb gefragt, wo sich der stationäre Handel vom Online-Handel abgrenzt“, erklärt Anita Palkovich. „Und wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, welche Herausforderungen generell für die Zukunft im Handel gelten.“
Ergebnis: Der stationäre Handel kann sich besonders durch Beratung und Service unterscheiden. Deswegen ist es für die Branche existenziell wichtig, dass sich die MitarbeiterInnen weiterbilden. „Unternehmen, die das Fachwissen ihrer Angestellten nutzen, werden auch eine bessere Qualität und Kundenbindung erreichen können“, weiß Franz Georg Brantner. Deshalb wird eine unternehmensspezifische Fortbildung bei der Gehaltseinstufung berücksichtigt.
Nun zählen Verantwortung und Kenntnisse
Alle Angestellten im Handel bekommen durch den neuen KV ein höheres Gehalt oder gleich viel wie bisher. Im Übergang muss allerdings darauf geachtet werden, dass alle Angestellten in die richtige Gruppe kommen. „Das neue Beschäftigungsgruppenschema löst die bisherigen Einstufungsprobleme. Es gibt kein ‚überwiegend‘ mehr“, erklärt GPA-djp-Wirtschaftsbereichssekretärin Palkovich. Nun werden für jede Beschäftigungsgruppe und Tätigkeit Bewertungskriterien eingeführt. Überprüft wird, welche Verantwortung und Befugnis mit dieser Tätigkeit verbunden sind oder welche Fachkenntnisse dafür gebraucht werden.
Palkovich: „Wenn ich etwa die Befugnis für die eigenständige Bearbeitung bei Reklamationen habe, dann ist es egal, wie oft das geschieht – aufgrund der Befugnis und der damit verbundenen Verantwortung bin ich höher einzustufen. Auch wenn Beschäftigte regelmäßig in einer Fremdsprache beraten, sind sie höher einzustufen.
Sämtliche Tätigkeiten im Handel wurden in acht neue Beschäftigungsgruppen zusammengefasst. Sie ersetzen schwammige Formulierungen wie etwa „einfache“ oder „schwierige“ Tätigkeiten. Außerdem werden auch die neuen Berufsfelder im Online-Handel besser abgebildet.
Daneben wird die facheinschlägige Ausbildung aufgewertet, sie wird nun bei den Einstufungskriterien berücksichtigt, wenn die Ausbildung für die Tätigkeit von Bedeutung ist. Ein Fliesenleger, der im Baumarkt arbeitet, wird damit in einer höheren Beschäftigungsgruppe als bisher eingeordnet werden.
Auch ist Erfahrung nicht länger ein Hindernis für eine Neuanstellung. Franz Georg Brantner: „Durch die flachere Struktur in der neuen Gehaltstabelle und einer neuen Systematik bei den Vordienstzeiten haben Ältere wieder bessere Chancen, eine Beschäftigung zu finden.“
auch für Führungskräfte
Neben der Fachkarriere wird jetzt als neues Element auch die Führungslaufbahn im neuen Kollektivvertrag abgebildet. Stellvertretertätigkeit ist klar abgebildet und zusätzliche Entlohnung für „Tagesvertretungen“ ermöglicht auch Teilzeitbeschäftigten, Führungsaufgaben wahrzunehmen. Für die sogenannten „All-in-Verträge“ gibt es nun eine Transparenz-Klausel. Künftig müssen auf dem Dienstzettel das Mindestgehalt, die Überzahlung und sämtliche pauschal abgegoltenen Entgeltbestandteile aufgeschlüsselt werden.
„Die Abgeltung von Überstunden an Sonn- und Feiertagen ist dabei ausgenommen“, erklärt Palkovich. Diese Überstunden müssen – trotz „All-in-Vertrag“ – extra abgegolten werden. „Betriebe sind verpflichtet, den MitarbeiterInnen im Kalenderjahr eine Deckungsrechnung vorzulegen. Das dient einerseits der Rechtssicherheit der Betriebe, andererseits können die Ansprüche unserer Mitglieder auf diese Weise besser überprüft werden.“ l
Das gilt beim Umstieg:
1) Ein Betrieb geht per Stichtag in den neuen KV über. Wer vor dem Stichtag aufgenommen wird, fällt unter den alten KV. Mit dem Stichtag gehen alle Verträge in den neuen KV über. Die Übergangsfrist läuft vom 1. 12. 2017 bis 1. 12. 2021.
2) Der Stichtag ist mit dem Betriebsrat zu vereinbaren.
3) In Betrieben ohne Betriebsrat muss der Stichtag drei Monate vor Übertritt bekannt gegeben werden.
4) Einen Monat vor dem Übergang erhalten die Angestellten einen Umstiegs-Dienstzettel. Damit können sie überprüfen, ob sie richtig eingestuft sind.
5) GPA-djp-Mitglieder erhalten eine individuelle Umstiegsberatung. Infos unter: www.gpa-djp.at