Wenn ArbeitnehmerInnen Missstände aufdecken

Foto: GPA-djp, Lucia Bauer

Wenn Beschäftigte, bei ihrer Arbeit auf grobe Missstände stoßen, braucht es viel Zivilcourage um damit an die Öffentlichkeit zu gehen und zum Whistleblower zu werden. Wir haben mit Datenschutzexpertin Clara Fritsch darüber gesprochen, was das eigentlich mit Gewerkschaften zu tun hat und wie WhistleblowerInnen geschützt werden.

KOMPETENZ: Worum geht es eigentlich beim Begriff Whistleblowing?

Clara Fritsch: Whistleblowing ist das Aufdecken von Missständen oder von kriminellen Aktivitäten. Es geht nicht um Intrigen oder persönliche Rachegelüste, sondern darum, gemeinsame Interessen zu schützen wie beispielsweise Warenproduktion ohne Kinderarbeit, eine intakte Umwelt, einen gesunden Arbeitspatz oder das Grundrecht auf Privatsphäre.

KOMPETENZ: Warum ist das ein Thema für die Gewerkschaft?

Clara Fritsch: Es gehört zur Arbeit von BetriebsrätInnen auf Unzulänglichkeiten hinzuweisen. Das Arbeitsverfassungsgesetz schützt BetriebsrätInnen dabei bis zu einem gewissen Grad. Wenn aber „einfache“ Beschäftigte einen Verdacht äußern wollen, kommen sie leicht in die Bredouille, wissen nicht wohin, wägen ab, ob sich das dafürsteht und lassen es dann meist lieber bleiben.

Wir beschäftigen uns schon lange mit dem Thema und wie man es gesetzlich regeln sollte. Das Thema ist jetzt gerade wieder aktuell, weil auf Druck des Europäischen Parlaments und mit großem Engagement der Abgeordneten Evelyn Regner eine neue Richtlinie zum Schutz von HinweisgeberInnen beschlossen wurde. Damit wird nun, wer rechtswidriges Verhalten im Arbeitsumfeld meldet, vor Repressalien bewahrt.

KOMPETENZ: Edward Snowden oder Julian Assange, sind berühmt geworden, weil sie Missstände aufgedeckt haben. Gibt es auch schon Fälle von Whistleblowing in Österreich?

„Selbstverständlich gibt es auch in Österreich Menschen, die Missstände öffentlich machen und beseitigen wollen und sich dazu an Behörden oder Medien wenden. (…) Beim Whistleblowing muss es sich nicht immer um spektakuläre Medienauftritte handeln.“

Clara Fritsch

Clara Fritsch: Die ersten Whistleblower, die man auch so genannt hat, sind in den 1970er Jahren in den USA aktiv gewesen und haben Papiere zum Vietnam-Krieg öffentlich gemacht. Sehr oft geht es bei Whistleblowing um militärische Aktionen, wie bei Chelsea Manning. Aber seit den 2000er Jahren lassen sich zunehmend WhistleblowerInnen im Zusammenhang mit Missständen am Arbeitsplatz beobachten. Beispielsweise die deutsche Altenpflegerin Brigitte Heinisch.

Selbstverständlich gibt es auch in Österreich Menschen, die Missstände öffentlich machen und beseitigen wollen und sich dazu an Behörden oder Medien wenden. Ein Hinweis an eine Zeitung zu gefälschten Bankkrediten, epidemische Erkrankungen in Gaststätten und Beherbergungsbetrieben, der Email-Verkehr zur Aufsichtsratsbestellung aufgrund dubioser Qualifikationen, etc. BetriebsrätInnen, die ungesetzliche Arbeitsbedingungen beim Arbeitsinspektorat melden, sind ein weiteres Beispiel. Beim Whistleblowing muss es sich nicht immer um spektakuläre Medienauftritte handeln.

KOMPETENZ: Wenn ich in meinem Unternehmen etwas entdecke, von dem ich vermute, dass es gegen das Gesetz verstößt, was soll ich tun?

Clara Fritsch: Zuerst einmal sollte man es auf dem innerbetrieblichen Weg probieren und die Vorgesetzten informieren. Wenn allerdings die Gefahr besteht, dass diese selber „mit drin stecken“ oder gar nichts ausrichten können, dann wendet man sich an die Whistleblowing-Hotline, die gemäß der neuen Europäischen Richtlinie alle Unternehmen über 20 Beschäftigten und alle öffentlichen Einrichtungen bis 2021 einrichten müssen.

Wenn sich jemand an eine Stelle außerhalb des Betriebs wenden möchte, wird es ganz darauf ankommen, worum es konkret geht. Geht es um einen Verdacht auf Korruption, wendet man sich an beispielsweise an die Korruptionsstaatsanwaltschaft.

KOMPETENZ: Wie werde ich geschützt, wenn ich auf Missstände aufmerksam mache?

Clara Frisch: Der Schutz besteht darin, dass anonym gemeldet werden kann, dass die Meldestelle unabhängig sein muss und dass auch außerhalb des Betriebs gemeldet werden kann.

Außerdem sind sämtlich Arten von Benachteiligung durch die EU-Richtlinie zum Schutz von HinweisgeberInnen verboten; es steht darin: „Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um jede Form von Repressalien gegen Hinweisgeber, einschließlich der Androhung von Repressalien und des Versuchs von Repressalien, zu untersagen.“ Und dann folgt eine lange Liste, was alles konkret nicht geschehen darf. Diese Liste reicht von Suspendierung und Kündigung über Aufgaben- und Arbeitszeitänderung bis hin zu Rügen, Disziplinarmaßnahmen oder psychiatrischen Überweisungen.

KOMPETENZ: Die EU hat eine Richtlinie zum Whistleblowing beschlossen. Was bedeutet das für Österreich?

Clara Fritsch: Bis 2021 muss die Richtlinie in nationales Recht umgesetzt werden. Unternehmen mit 50-249 ArbeitnehmerInnen haben dann weitere zwei Jahre Zeit, um eine Meldestelle für HinweisgeberInnen einzurichten.

KOMPETENZ: Was muss mein/e ArbeitgeberIn beachten?

Clara Fritsch: ArbeitgeberInnen müssen eine unabhängige Meldestelle einrichten. Es muss die Möglichkeit geben, anonym zu melden. Der Erhalt der Meldung muss innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Es muss Hinweisen innerhalb von drei Monaten nachgegangen werden. Und das Wichtigste: die Hinweisgebenden müssen geschützt werden. Es gibt noch eine Reihe weiterer Vorgaben, von denen wir die wichtigsten in unserer Broschüre „Whistleblowing“ zusammengefasst haben. In Betrieben mit Betriebsrat braucht es außerdem eine Betriebsvereinbarung.

KOMPETENZ: Welche Rolle spielt dabei der Betriebsrat?

Clara Fritsch: Der Betriebsrat gestaltet über den Weg der Betriebsvereinbarung mit, wie das HinweisgeberInnen-System konkret im Unternehmen gestaltet wird. Der Betriebsrat sorgt mittels der Betriebsvereinbarung dafür, dass beschuldigte Beschäftigte nicht „gebrandmarkt“ werden. Er legt fest, wie die Verdachtsmomente von den zuständigen unabhängigen Stellen behandelt werden. Er verhandelt, welche Informationen an wen weitergegeben werden – und welche nicht.

Zur gemeinsamen Gestaltung der Betriebsvereinbarung steht die GPA gerne zur Verfügung. Unsere neue Broschüre liefert auch zahlreiche Tipps und Hintergrundinfos. Die neue Richtlinie lässt es nach wie vor zu, dass man sich mit Verdacht auf rechtswidriges Verhalten von ArbeitgeberInnen auch jederzeit an die Gewerkschaft wenden kann. Das Recht der Arbeitnehmervertreter auf Information, Konsultation und die Verteidigung der Arbeitnehmerrechte durch Arbeitnehmervertreter ist immer noch in Kraft.

Scroll to top