Unabhängiger Journalismus muss uns etwas wert sein

Foto: OÖN

„Die Lage unabhängiger Medien verschlechtert sich fast überall in Europa.“ Mit diesem alarmierenden Befund ließ am Wochenende die für Werte und Rechtsstaat zuständige EU-Kommissarin Vera Jourova im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ aufhorchen.

Der Beitrag geht auf eine Rede zurück, die bei der Verleihung des Robert-Hochner- und Vorhofer-Preises gehalten wurde.

Sie meinte damit vor allem die wachsende „politische Einflussnahme“ und verwies dabei neben den sattsam bekannten Problem-Ländern Ungarn und Polen unter anderem auf Malta und Spanien. 

Österreich wurde von ihr zwar nicht erwähnt, aber auch unser Land ist in den vergangenen Jahren in der Rangliste der Pressefreiheit mittlerweile auf den bedenklichen 18. Platz abgestürzt. 

Ungeachtet dieser Entwicklung war und ist das heurige Jahr für die Medienbranche die wohl größte Herausforderung seit Menschengedenken. Corona heißt das Virus, das die Medienwelt mit wirtschaftlichen Problemen infiziert hat. Um hier gegenzusteuern, verlegten viele Betriebe selbst ihre Redaktionen zumindest zum Teil in den Kurzarbeitsmodus. Dies, obwohl gerade in dieser Zeit der Arbeitsanfall für Journalistinnen und Journalisten alles andere als geringer geworden war. 

Das Modell Kurzarbeit wurde damit grenzwertig interpretiert, von den Betroffenen aber mitgetragen. Ohne Solidarität, das ist der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp vollinhaltlich bewusst, war und ist diese enorme Herausforderung nicht zu bewältigen. 

Solidarität darf aber keine Einbahnstraße sein. Die Redaktionen haben gerade in den vergangenen Monaten schier Übermenschliches geleistet. Es wäre daher fatal, wenn die Unternehmerseite dies als Freibrief dahingehend interpretieren würde, weiterhin mit verringertem Personalstand zu fahren oder diesen weiter zu reduzieren.

Um den durch die Krise in Bedrängnis geratenen Medien unter die Arme zu greifen, hat die Bundesregierung  mehrere Inseratenkampagnen platziert. Diese Unterstützung war wertvoll und löblich, hatte allerdings einen unangenehmen Beigeschmack. Den solchermassen subventionierten Medien wurde rasch eines unterstellt: die Objektivität der Berichterstattung sei nicht mehr vorhanden,  Verlautbarungsjournalismus gekauft worden. 

Dies wäre jedoch kein probates Mittel, um das Vertrauen in die Seriosität der Medien zu stärken. Wobei eines klar ist: Gerade in der Anfangszeit der Pandemie konnte mangels belastbarer Fakten das wichtige journalistische Grundprinzip Check, recheck, double check nicht wirklich greifen. Für Verschwörungstheoretiker klarerweise ein gefundenes Fressen, um von fake news zu fantasieren. 

Ihnen, oftmals bestenfalls einseitig über soziale Netzwerkkanaele informiert, entging freilich vielfach bewusst, dass seriöse Medien und die Journalistinnen und Journalisten im speziellen rasch Entscheidungen zu hinterfragen begannen und heute regelmäßig auf Fehlentwicklungen hinweisen, etwa wenn Grundrechte wie die Meinungsfreiheit gefährdet sind,  sie Verbesserungsmöglichlichkeiten aufzeigen und die Umsetzung derselben einfordern.

„Qualität im Journalismus hat vor allem mit Personal zu tun. Hier wurde nicht erst in der Corona Krise der Sparstift angesetzt.“

Eike Kullmann

Aber, wie sagte schon Evolutionsbiologe Charles Darwin: „Unwissenheit erzeugt viel häufiger feste Überzeugungen, als es das Wissen tut.“

Gute Recherche und damit seriöse Berichterstattung, Analyse, Hintergrundreportage und Kommentierung sind aber nur gewährleistet, wenn die Rahmenbedingungen ein adäquates Arbeiten in Redaktionen ermöglichen. 

Qualität im Journalismus hat vor allem mit Personal zu tun. Hier wurde nicht erst in der Corona Krise der Sparstift angesetzt. Bei gleichbleibendem oder sogar größerem Platzangebot auf den unterschiedlichen Plattformen bei gleichzeitig bestenfalls gleichbleibender, ja oftmals leider sogar schrumpfender Mannschaft ist es schier unmöglich, entsprechende Qualität dauerhaft sicherzustellen. 

Bei allen Überlegungen in Richtung künftiger Förderung, etwa neuer digitaler Angebote, bedarf es daher unabdingbar entsprechender personeller Ausstattung. Selbstverständlich in Form von in  Kollektivverträgen abgesicherten Anstellungverhältnissen sowie gerechter und lebenswerter Mindesthonorare für Freie.

Journalismus, qualitätsvoller Journalismus, muss uns etwas wert sein. Es ist keine Förderung, wie von Kritikern gerne negativ ausgelegt, sondern eine Abgeltung der Gesellschaft für die demokratiepolitisch unerlässlichen Aufgaben, die die Medien übernehmen. 

Zur Sicherstellung besagter Qualität gehören auch arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards. Über die unabdingbaren Qualitätssicherungsmerkmale wie Anerkennung des Presserats sowie Redaktionsstatuten hinaus, möchte ich ausdrücklich das in den vergangenen Monaten so salonfähig gewordene Home office hervorheben.

Ich erinnere mich an Kollektivvertragsverhandlungen für die Journalisten der Tages- und Wochenzeitungen, die kaum länger als ein Jahr her sind. Die wiederholte Forderung der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp nach klaren, eben im KV verankerten, Rahmenbedingungen fürs Home office wurde von den Herausgeberin damals als unnötig einfach zur Seite gewischt. Dass die Regierung jetzt mit den Sozialpartnern an eben solchen Rahmenbedingungen arbeitet, ist zwar eine Bestätigung für unsere Position und ein bisschen auch Genugtuung. 

Aber Ergebnisse erst im März vorlegen zu wollen, kann, mit Verlaub gesagt, wohl nicht ernst gemeint sein. Wir brauchen hier rasch die entsprechenden Rahmenbedingungen, die dann natürlich auch für die Medien weiterentwickelt werden müssen. Hier geht es schließlich nicht zuletzt um das Sicherstellen des Redaktionsgeheimnisses und damit der Pressefreiheit, einem unverzichtbaren Eckpfeiler der Demokratie.

Lassen Sie mich noch einen, mir ebenso überaus wichtigen Eckpfeiler für Qualität im Journalismus ansprechen. Wie kann es sein, dass die Aus- und Weiterbildung seit Jahren sträflich vernachlässigt wird? Das trifft selbstverständlich in erster Linie die Unternehmen, die ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diese Chancen auch im Interesse einer qualitätsvollen Weiterentwicklung ihrer Produkte unbedingt ermöglichen müssen. Es bedarf jedoch von Seiten der Politik endlich der Bereitstellung ausreichender Finanzmittel. Denn ohne diese kann es kein qualitätsvolles Angebot geben, das – so wie der Journalismus – permanent weiterentwickelt werden muss. 

Wenn die Politik – und hier meine ich nicht nur die Bundesebene – in Sonntagsreden gerne die Wichtigkeit von Bildung betont, dann hat sie auch die Verpflichtung, die Rahmenbedingungen dafür  sicherzustellen. 

Ebenfalls solcher Rahmenbedingungen – und ich werde hier namens der Journalistengewerkschaft in der GPA – djp nicht müde dies zu betonen – bedarf es auch in Bezug auf die älteste Tageszeitung der Welt, die Wiener Zeitung. Die Republik als Eigentümerin hat hier die Verpflichtung, die Zukunft nicht nur in Form von digitalen Ablegern sicherzustellen. Die Zeitung ist die Marke und muss es weiter bleiben. 

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