Qualitätsjournalismus wichtiger denn je

Daniela Kraus ist Generalsekretärin des Pressclubs Concordia
Foto: Jaqueline Godany

Ende September kündigte der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) den Journalisten-Kollektivvertrag einseitig auf. Inzwischen wurde die Kündigung wieder zurück gezogen. Interview mit Presseclub Concordia-Generalsekretärin Daniela Kraus über die Lage der österreichischen Zeitungslandschaft.

KOMPETENZ: Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) hat den Journalisten-Kollektivvertrag ohne Absprache im Oktober gekündigt…
Kraus: Dass der Kollektivvertrag einseitig aufgekündigt wird – bevor überhaupt Gespräche angefangen haben –, ist aus meiner Sicht sehr ungewöhnlich. Was damit strategisch gesagt werden soll, ist mir nicht ganz klar.

KOMPETENZ: Was schätzen Sie?
Kraus: Vielleicht bedeutet es, „Herr im Haus“ zu sein. De facto hat dieser Schritt alle sehr in Aufruhr gebracht. Der VÖZ hat damit sicher mehr Öffentlichkeit erzeugt als ihm Recht sein kann.

KOMPETENZ: Der Zeitungslandschaft geht es nicht gut…
Kraus: Die Verlage haben einen wahnsinnigen Kostendruck, das ist ja überhaupt keine Frage: die Werbeeinnahmen fließen zu den großen amerikanischen Plattformen wie Google, Meta oder X (früher Twitter) ab, und vor allem junge Menschen verzichten auf die gedruckte Zeitung als Informationsmedium. Darüber hinaus sind die Energie- und Papierpreise gestiegen. Doch der VÖZ trägt diese Krise jetzt auf dem Rücken der Journalist:innen aus und verschärft die ohnehin schon harten Arbeitsbedingungen.

KOMPETENZ: Wie beurteilen Sie die derzeitige Lage der Journalist:innen?
Kraus: Ich rede mit sehr vielen angestellten wie freien Journalist:innen. Bei den Angestellten sehe ich einen enormen Arbeitsdruck – immer weniger Menschen werden in den Redaktionen angestellt, sie müssen aber immer mehr Arbeit verrichten. Dazu sind die Aufgaben vielfältiger geworden – Journalist:innen schreiben nicht bloß einen Beitrag für Print, sondern müssen meistens dazu auch den Online-Text, Social Media, Videos und Podcasts abdecken.

KOMPETENZ: Frei arbeiten ist auch nicht gerade einfach…
Kraus: Die Honorare sind oft ein Witz, wenn ich das so salopp formulieren darf. Was ich höre: es werden auch immer weniger Aufträge vergeben. Dort, wo die Freien eigentlich einen ganz großen Kern des öffentlich rechtlichen Auftrags des ORF erfüllen helfen – etwa bei Ö1 – wird wenig bezahlt oder fallen Aufträge ganz aus.

KOMPETENZ: Können die Verleger:innen auf die Journalist:innen verzichten?
Kraus: Solange die Verlage behaupten, dass sie Journalismus verkaufen, werden sie Journalist:innen brauchen. Mit der Kündigung des Kollektivvertrags durch den VÖZ ist das ja ein bisschen so, als wenn der Wirt sagen würde: ich pfeife auf den Koch!

KOMPETENZ: Kein Biotop, das Qualität fördert..
Kraus: Dabei arbeiten in den Medien viele sehr motivierte Menschen. Unternehmen in anderen Branchen ringen darum, ihrem Produkt einen Sinn und Zweck zu geben. Den gibt es im Journalismus sicher im Überfluss – aber dieses Potenzial für die Mitarbeiter:innenmotivation wird von den Medien offenbar nicht ausreichend wertgeschätzt und auch nur selten für die gerade jetzt notwendigen Weiterentwicklungen genutzt.

KOMPETENZ: Seit Ibiza und den Schmid-Chats wissen wir wie wichtig Qualitäts-Journalismus in Österreich ist.
Kraus: Guter Journalismus spielt eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, er gilt als vierte Säule der Demokratie. Eine wirklich wichtige Bedingung für unabhängigen Journalismus ist, dass es geregelte Arbeitsbedingungen gibt. Es geht dabei nicht nur um Bezahlung sondern auch darum, dass Journalist:innen fokussiert ihrer Arbeit nachgehen können. Das reicht vom Kündigungsschutz über die soziale Absicherung bis zu rechtlichem Schutz. Stichwort: SLAPPS – also Einschüchterungsklagen.

KOMPETENZ: Dabei investiert der Staat Geld in die österreichischen Medien. Das reicht von den unterschiedlichsten Formen der Kraus: Medienförderung bis hin zu den öffentlichen Inseraten…
Wir rufen schon lange dazu auf, sowohl die Förderlandschaft als auch die Vergabe öffentlicher Inserate in mindestens zweierlei Hinsicht zu reformieren. Das Geld müsste klar an Qualitätskriterien gebunden sein. Es sollte nicht länger darum gehen, bestehende Geschäftsmodelle zu stützen, sondern darum, Qualitäts-Journalismus zu fördern – egal auf welcher Plattform. Allerdings passiert das derzeit nur bis zu einem begrenzten Ausmaß.

KOMPETENZ: Obwohl die Regierung sich nun auch dem Qualitäts-Journalismus widmet?
Kraus: Es ist derzeit ein Qualitätsjournalismus-Gesetz in Ausarbeitung, das muss noch in Brüssel notifiziert werden. Qualitätsaspekte wie ein Redaktionsstatut oder Qualitäts-Management werden dabei zwar erwähnt, sie sind aber nicht die Grundvoraussetzung für eine Förderung. Die Mitgliedschaft im Presserat kommt gar nicht vor. Auch sonst gibt es umstrittene Regelungen.

KOMPETENZ: Ein Beispiel?
Kraus: Die Höhe der Förderung bemisst sich nach den Journalist:innen, die nach dem Journalisten-KV angestellt sind. Allerdings wird diese Bedingung dann im aktuellen Entwurf gleich wieder relativiert, und zwar durch die Zusätze oder „in vergleichbaren Kollektivverträgen“ oder überhaupt „deren Gehalt sonst marktüblich ist.“

KOMPETENZ: Dabei ist Qualitäts-Journalismus wichtiger denn je. Propaganda, Fake News, Verschwörungstheorien haben erstaunliche Gräben in unserer Gesellschaft geöffnet.
Kraus: Ich glaube, wir können die demokratiepolitische Bedeutung des Journalismus im Moment gar nicht überschätzen. Leider ist das aber weder in der Politik noch in der Gesellschaft angekommen. Wir wissen und es ist durch EU Berichte belegt, dass Russland gezielt Desinformation betreibt und dabei versucht, die europäischen Demokratien zu untergraben. Nächstes Jahr wird es die EU Wahl geben, die Gefahr ist hoch, dass diese Angriffe noch schlimmer werden.

KOMPETENZ: Gibt es noch Hoffnung?
Kraus: Selbstverständlich gibt es Hoffnung. In anderen Branchen gibt es einen Wettbewerb um die besten Köpfe und Denker:innen. In unserer Branche haben wir viele sehr gute Journalist:innen. Wenn uns als Gesellschaft, und zwar uns allen – Politik, Wirtschaft, Medienunternehmen, Journalist:innen und dem Publikum – bewusst ist, wie wichtig Journalismus für die Demokratie und einen fundierten demokratischen Diskurs ist, werden wir Modelle finden, um ihn in Zukunft abzusichern.

VÖZ nimmt Kündigung des Kollektivvertrags zurück.

Ende September 2023 kündigte der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) den „Journalisten-Kollektivvertrag“ einseitig auf. Die Journalist:innengewerkschaft hat sich inzwischen mit dem VÖZ darauf verständigt, dass die Kündigung ohne inhaltliche Vorbedingungen zurückgezogen wird und Verhandlungen aufgenommen werden.
Alle geplanten Kampfmaßnahmen sind daher vorerst ausgesetzt.

Zur Person:

Daniela Kraus ist Generalsekretärin des Presseclubs Concordia. Seit 2019 steht sie der 1859 gegründeten Journalist:innenvereinigung vor. Die Wienerin ist promovierte Historikerin und arbeitete in Journalismus, Medienberatung, praxisorientierter Medienforschung und -bildung. Ihr Interessens- und Arbeitsschwerpunkt liegt auf der Veränderung des Journalismus durch technologische und
gesellschaftliche Innovationen.

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