Der Klimawandel wird jene stärker treffen, die benachteiligt sind

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Die Klimaerwärmung wird die Arbeitswelt auch in den kommenden Jahrzehnten drastisch verändern. Neben der Wertschöpfung wird aber auch die körperliche und mentale Gesundheit von uns Menschen darunter leiden.

„Die Auswirkungen des Klimawandels werden auch an den Extremwetterereignissen in Österreich deutlich werden, wie etwa Überflutungen, die bestimmte Produktionsstätten lahmlegen,“ sagt Karl Steininger so unaufgeregt als würde es sich um ein Kochrezept handeln. Dabei beschreibt der Grazer Professor für Klimaökonomie und nachhaltige Transition nur Ereignisse, die sehr wahrscheinlich eintreten werden: Murenabgänge, Überschwemmungen, vermehrte Hitzetode. Was das für die Wirtschaft bedeutet, kann Karl Steininger in Zahlen ausdrücken. Was aber die psychischen und körperlichen Folgen der Klimakrise sein werden, ist schwer quantifizierbar.

Klimamodelle

In allen Teilen der Welt schreitet die Klimaerwärmung voran. Die Durchschnittserwärmung bei 1,5-2 Grad über den vorindustriellen Werten zu halten ist zwar das Ziel des Klima-Übereinkommens von Paris, die zögerlichen Klimaschutzmaßnahmen der Politik sind aber weit davon entfernt sicherzustellen, dass es nicht schlimmer kommt. Vieles deutet sogar darauf hin, dass die Erwärmung die 2 Grad überschreiten wird. In seinem kürzlich auf Deutsch erschienenen Buch „Im Angesicht des Anthropozäns“ beschreibt der US-amerikanische Ökosozialist Ian Angus verschiedene Zukunftsmodelle der Klimaforschung:

„Man darf nicht vergessen, dass sich hinter globalen Durchschnittstemperaturen starke örtliche und zeitliche Unterschiede verbergen. So ist etwa die Atmosphäre über den Meeren prinzipiell kühler. Eine erhöhte globale Durchschnittstemperatur von vier Grad könnte eine Erwärmung von sechs Grad oder mehr an Land bedeuten sowie einen Anstieg von 16 °C in der Arktis. „Will man am Szenario einer Durchschnittserwärmung von maximal 2 Grad festhalten, mit dem der Klimaökonom Karl Steininger arbeitet, müssten industrielle Klimasünder noch mehr beschränkt werden als bisher von der Politik geplant. Außerdem sei die Einhaltung dieser Obergrenze vom Einsatz „bisher noch nicht existenter Technologien“ abhängig, wie Ian Angus schreibt: Filteranlagen, die CO2 aus der Abluft von Industrieanlagen filtern und Technologie um das extrahierte Kohlendioxid sicher zu lagern. Dazu kommt: „Globale Erwärmung beinhaltet noch mehr als erhöhte Durchschnittswerte auf dem Thermometer: Der Temperaturanstieg kann dramatische Veränderungen im Wettergeschehen, in der Biodiversität und in anderen Bereichen auslösen,“ so Angus: Extremwetterereignisse, die zu  Überschwemmungen und Murenabgängen führen können.

Karl Steininger ist Professor für Klimaökonomie und beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Arbeit und Wirtschaft
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Die Kosten des Nicht-Handelns

Karl Steininger berechnet am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel (WEGC) der Universität Graz die wirtschaftlichen Folgen des Klimawandels in Österreich.

„Die Auswirkungen bis 2050 sind relativ klar, weil das Klima bis dahin im Wesentlichen durch die vergangenen Emissionen gesteuert wird,“ erklärt der Klimaökonom. Nachdem klimaschädigende Gase wie CO2 lange in der Atmosphäre verbleiben, werden wir die Folgen der gegenwärtigen Emissionen noch sehr lange spüren, eine heute beginnende Reduktion derselben werden wir erst wirklich ab Mitte des Jahrhunderts spüren.

Unter dem Titel „Klimapolitik in Österreich: Innovationschance Coronakrise und die Kosten des Nicht-Handelns“ berechneten Steininger und sein Team, dass sich schon heute die alljährlichen klimabedingten Schäden auf mindestens zwei Milliarden Euros belaufen. Um 2030 werden die Schäden bei zumindest 2,5 bis 5,2 Milliarden liegen, in der Periode um 2050 bei zumindest 4,3 bis 10,8 Milliarden Euro pro Jahr.

Allein im Bereich Handel und Produktion werden sich die Schäden im Zeitraum 2016 bis 2045 auf jährlich 3 Millionen, im Zeitraum 2036 bis 2065 auf 21 Millionen Euro belaufen, hauptbetroffen wird der Osten Österreichs sein.

Auswirkungen auf die Arbeit

Ein Bericht des Weltklimarats aus dem Jahr 2014 zeichnet Szenarien, die für weite Teile des Festlandes 4 bis 7 °C Durchschnittserwärmung zum Ende des Jahrhunderts voraussagen. Treffen diese ein, so werden „immer mehr Menschen unter Bedingungen leben, die so extrem sind, dass in Teilen des Jahres der Wärmeausgleich des menschlichen Körpers bei körperlichen Aktivitäten beeinträchtigt und die Arbeit im Freien ohne Schutz nicht mehr möglich sein wird.“ Die Rede ist von „erheblichen Einschränkungen der individuellen Arbeitsfähigkeit“ und „monatelang ausfallenden Arbeitskapazitäten.“ Im schlechtesten Fall reduziert sich die Arbeitskapazität in den Hitzemonaten im Jahr 2100 weltweit auf 63 Prozent, was eine massive Arbeitslosigkeit zur Folge haben würde.

„Dafür fällt im Sommer in der Hochhitzephase auch Arbeitszeit weg. Die Frage wird sein, wie man darauf reagiert.“ Eine Siesta in den Mittagsstunden einzulegen, wie in Spanien, wäre ein Lösungsansatz.

Karl Steininger

Damit wird der Druck auf die arbeitende Bevölkerung steigen – auch unter schwierigsten Bedingungen, ohne Sonnenschutz im Freien oder ohne Klimatisierung in Innenräumen zu arbeiten – weil die Bedrohung des Arbeitsverlustes real steigt. Zudem würden, so Karl Steininger, zukünftige Extremwetterereignisse und ihre Folgen, wie Murenabgänge, Überschwemmungen und dergleichen, Wertschöpfungsketten und Lieferketten unterbrechen, was den Druck auf den Arbeitsmarkt zusätzlich erhöhen wird.

Lösungsansätze und Tote

Klar ist, die Klimaveränderung wird große Teile der Arbeitswelt auch in Österreich nachhaltig verändern. Karl Steininger unterscheidet hier „zwischen Bereichen im Freien, wo man sich schwerer tut Hitzewellen durch Klimaanlagen abzufedern, wie bei Bauarbeitern, in der Landwirtschaft etc. und auf der anderen Seite die Menschen, die in Büros arbeiten, wo sich Klimaanlagen oder eine gute Architektur ausgleichend aufs Raumklima auswirken.“ Die Bauwirtschaft würde wegen der erhöhten Temperaturen früher im Jahr beginnen und länger in den Herbst hinein arbeiten können. „Dafür fällt im Sommer in der Hochhitzephase auch Arbeitszeit weg. Die Frage wird sein, wie man darauf reagiert.“ Eine Siesta in den Mittagsstunden einzulegen, wie in Spanien, wäre ein Lösungsansatz.

In anderen Bereichen sind die Folgen der Klimaerwärmung nicht nur negativ, man denke etwa an den Sommertourismus, wo wir Gäste aus dem dann zu heißen Mittelmeerraum gewinnen könnten. Dieser wird den zunehmend schlechter verlaufenden Wintertourismus in wirtschaftlicher Hinsicht aber nicht ausgleichen können.

Zu Veränderungen wird es auch in der Landwirtschaft kommen. Nicht nur werden die Arbeitsbedingungen in den Sommermonaten härter, auch steigt das Risiko der LandwirtInnen, wenn Extremereignisse wie Dürre oder Hagel Ernteausfälle bei Getreide, Wein oder Obst verursachen.

„Ähnlich wie bei Corona wird der Klimawandel jene stärker treffen, die benachteiligt sind.“

Karl Steininger

Schwer abzuschätzen sind aber die Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit durch den Klimawandel. „In Österreich allein kommen wir schon jetzt auf rund 240 vorzeitige Todesfälle im Jahr. Das kann je nach Szenario auf 3000 oder 9000 Tote ansteigen,“ so Steininger. Folgen, die sich auch bei den Arbeitsbedingungen im Gesundheits- und Pflegesektor bemerkbar machen werden.

Karl Steiningers Job ist die Auswirkungen des Klimawandels in Zahlen zu fassen. In vielen Bereichen ist das gut machbar, in anderen aber weniger. Kaum quantifizieren lassen sich die Folgewirkungen des Klimawandels auf die menschliche Psyche, welche u.a. durch Extremwetterereignisse oder gar Wirtschaftskrisen ausgelöst werden. Bei allen methodischen Grenzen, für Karl Steininger vom Grazer Wegener Center zeichnet sich deutlich ab: „Ähnlich wie bei Corona wird der Klimawandel jene stärker treffen, die benachteiligt sind.“ Sprich: Die Ärmsten der Gesellschaft.

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