US-Wahl: Gewerkschaften haben hohe Erwartungen an Joe Biden

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Joe Biden wird 46. US-Präsident mit knapper demokratischer Mehrheit im Repräsentantenhaus

Am 3. November fanden die Wahlen zum 46. US-Präsidenten statt. Ein offizielles Endergebnis dieser historischen Wahl gibt es bislang noch nicht. Dies könnte auch noch ein paar Wochen dauern. Seit dem Abend des 7. November ist jedoch aufgrund von zahlreichen Ergebnissen und Prognosen klar, dass Joe Biden der nächste Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein wird. Für einen Sieg benötigt einer der beiden Kandidaten 270 der sogenannten „Wahlmännerstimmen“. Aktuell kann der Demokrat Biden 306 dieser auf sich vereinen. Der noch amtierende Präsident Donald Trump hingegen liegt derzeit bei 232 und hat somit keine Chancen mehr diese Wahl zu gewinnen.

In den beiden Kongresskammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat, die ebenfalls zumindest teilweise neu gewählt wurden, sehen die neuen Mehrheitsverhältnisse derzeit wie folgt aus: Im Repräsentantenhaus verfügen die Demokraten bereits über die erforderliche Mehrheit von 219 Sitzen, die Republikaner kommen derzeit auf 205. Im Senat hingegen zeichnet sich wohl eine knappe Mehrheit der Republikaner ab. Diese liegen derzeit bei 50 der 51 benötigten Sitze, die Demokraten bei 48.

Trump erkennt Wahlergebnis nicht an und zieht alle Register um an der Macht zu bleiben

Noch-Präsident Trump weigert sich bisher vehement seine Niederlage anzuerkennen. Während in zahlreichen US-Bundesstaaten die Stimmauszählungen noch im Gange waren, rief der Republikaner über Twitter dazu auf, diese zu stoppen und ihn zum neuen Präsidenten zu erklären. Ohne irgendwelche Beweise vorzulegen spricht er ununterbrochen von Wahlbetrug und hat schon in mehreren US-Bundesstaaten Klagen gegen die Auszählungsergebnisse eingereicht. Die meisten Gerichte haben diese jedoch bereits abgewiesen.

Dennoch findet Trump in seiner republikanischen Partei gewichtige Unterstützer für seine teils völlig absurden Vorwürfe. Außenminister Mike Pompeo sowie der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat Mitch MC Connell stärken Trump öffentlich den Rücken und sprechen sich ebenfalls für eine umfangreiche Anfechtung des Wahlergebnisses aus. US-Justizminister und Trump-Gefolgsmann William Barr hat bereits eine Untersuchung der Wahl eingeleitet, die aus verfassungsrechtlicher Sicht äußerst umstritten ist.

Laut unabhängigen Wahlbeobachtungs-Organisationen wie der OECD konnten jedenfalls keine Unstimmigkeiten festgestellt werden. Nahezu alle ExpertInnen sehen keine realistischen Chancen für Trump, gegen das Ergebnis rechtlich erfolgreich vorgehen zu können. Der baldige Ex US-Präsident bleibt jedoch bei seiner Behauptung, dass diese Wahl „gestohlen“ worden sei.

Entscheidend wird in den nächsten Wochen jedenfalls sein, ob die Mehrheit der republikanischen Parteispitze Trump und seine Vertrauten unterstützen wird oder ob sie die Aussichtslosigkeit dieser Wahlanfechtung erkennen und versuchen Trump schnellst möglichst los zu werden.

Trumps beispielloser Angriff auf die Grundfesten der Demokratie in den USA zeigt zumindest bei der republikanischen WählerInnenschaft bereits Wirkung. 70% seiner UnterstützerInnen glauben tatsächlich an Wahlbetrug. Für die ohnehin aufgeheizte Stimmung im Land ist das weiterer Zündstoff.

Gewerkschaften haben hohe Erwartungen an künftige Biden-Präsidentschaft

Neben dem Präsidentenamt war in den letzten vier Jahren auch der Senat unter republikanischer Führung. Die Demokraten hatten hingegen im Repräsentantenhaus eine Mehrheit. Diese politische Pattstellung führte immer wieder dazu, dass die Demokraten im Repräsentantenhaus Gesetze verabschiedeten, die im Senat dann jedoch von den Republikanern blockiert wurden. Davon waren in jüngster Vergangenheit unter anderem Krisen- und Konjunkturpakete als direkte Reaktion auf die Corona-Pandemie betroffen, genauso wie gesetzliche Initiativen, die die gewerkschaftliche Organisierung in den Unternehmen erleichtert bzw. das Zustandekommen betrieblicher Vereinbarungen vereinfacht hätten.

Durch die bevorstehende Amtsübernahme von Joe Biden, einer Mehrheit seiner Partei im Repräsentantenhaus und den schon jetzt sicheren Zugewinn zweier Sitze im Senat durch die Demokraten erwarten sich die Gewerkschaften eine neue Dynamik bei wichtigen und bisher blockierten Gesetzesvorhaben. Dies betrifft vor allem die folgenden Gesetzespakete:

Konjunktur- und Sozialpaket

(Heroes Act)

Dieses Gesetz soll eine umfangreiche wirtschaftliche und sozialpolitische Reaktion auf die COVID-19 Krise in Form eines Konjunkturpaketes in Höhe von 3 Billionen US-Dollar darstellen. Das Maßnahmenpaket sieht unter anderem Finanzmittel für die Behörden, eine Ausweitung des Arbeitslosengeldes, Investitionen in die Gesundheitsversorgung und Förderungen für kleine Unternehmen vor. Der Heroes Act wurde von den Demokraten bereits im Mai eingebracht und im Repräsentantenhaus auch angenommen. Blockiert wird das Paket bisher jedoch durch den republikanisch dominierten Senat.

Gesetz zum Schutz gewerkschaftlicher Organisierung

(Protecting the Right to Organize Act)

Dieser Gesetzesvorschlag dient dem Schutz des Vereinigungsrechts von Beschäftigten. Darin sind finanzielle Strafen für Betriebe vorgesehen, die eine gewerkschaftliche Organisierung durch Kündigungen von MitarbeiterInnen oder andere Schikanen zu verhindern versuchen. Unternehmen, die sich weigern mit den Betriebsgewerkschaften Vereinbarungen auszuhandeln, wären darüber hinaus gezwungen, zurück an den Verhandlungstisch zu kehren und einen Abschluss zu erzielen. Auch dieses Gesetz wurde von den Demokraten eingebracht und im Repräsentantenhaus bereits erfolgreich abgestimmt. Bislang scheitert das Vorhaben ebenfalls am Senat.

Faire Bezahlung für Schlüsselarbeitskräfte während der COVID-19 Krise

(Frontline Workers Fair Pay Act)

Dieser Gesetzentwurf sieht zusätzlich zum regulären Gehalt eine Gefahrenzulage für Beschäftigte im Gesundheitswesen und für jene in lebenswichtigen Bereichen vor. ÄrztInnen und Pflegekräfte hätten dadurch Anspruch auf zusätzlich bis zu 35.000 Dollar jährlich. Dieses Gesetz wurde durch die Demokraten im Repräsentantenhaus eingebracht, bisher jedoch noch nicht abgestimmt.

Schutzmaßnahmen für Schlüsselarbeitskräfte im Gesundheitswesen

(Frontline Health Care Workers Assistance Act)

Dieser Gesetzentwurf sieht bestimmte Maßnahmen zur Beschaffung von Ausrüstung und Geräten vor, die zur Verhütung, Identifizierung und Eindämmung von COVID-19 Fällen unter Beschäftigten im Gesundheitswesen erforderlich sind. Dieses Gesetz wurde durch die Demokraten im Repräsentantenhaus eingebracht, aber bisher noch nicht für die Abstimmung frei gegeben.

Direkte Abstimmungen über Gesetzesvorschläge: Von Gewerkschaften unterstützte Initiativen waren erfolgreich

Rund um die Präsidentschaftswahl hatten die Wahlberechtigten in einigen US-Bundesstaaten auch die Möglichkeit direkt über bestimmte Gesetzesinitiativen abzustimmen, die beispielsweise von NGOs oder BürgerInneninitiativen eingebracht wurden. Erfreulicherweise sind alle von den Gewerkschaften unterstützten Initiativen angenommen worden.

In Arizona hat die Bevölkerung eine Erhöhung der Einkommenssteuer für Besserverdienende mehrheitlich unterstützt, die dem Bildungssystem 827 Mill. US-Dollar jährlich bringen wird. Die Bevölkerung in Colorado hat eine Initiative für bezahlten Urlaub aus familiären oder medizinischen Gründen für Beschäftigte angenommen. In Florida wird der bundesstaatliche Mindestlohn ab 2026 auf 15 US-Dollar pro Stunde angehoben. Die gleichgeschlechtliche Ehe sowie eine Erhöhung der Ausgaben für erneuerbare Energien wurden in Nevada per Volksentscheid durchgesetzt.

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