„Niemand weiß, wie es weitergehen wird.“

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Nach einer politisch höchst umstrittenen Neuausschreibung werden die Frauenhäuser in Hallein und in Salzburg nur mehr bis 30. Juni 2021 Fördergelder bekommen. Dann müssen sie ihre Geschäftstätigkeit einstellen. Wir haben mit Iris Mayer, der Betriebsrätin des Frauenhauses Mirjam in Hallein (Tennengau), gesprochen.

KOMPETENZ: Seit wann bist du Betriebsrätin im Frauenhaus Hallein?

Iris Mayer: Seit September dieses Jahres. Meine Vorgängerin als Betriebsrätin ging in Pension. Wir sind hier in Hallein 10 Mitarbeiterinnen. Das Haus in Salzburg Stadt hat einen eigenen Betriebsrat.

KOMPETENZ: Kannst du unseren Leserinnen und Lesern kurz das Angebot eures Frauenhauses beschreiben?

Iris Mayer: Das Frauenhaus Hallein hat eine geschützte Adresse, das ist ganz wesentlich für die Sicherheit der Frauen. Wir verfügen über acht 8 Zimmer, darin gibt es Platz für acht Frauen und zwölf Kinder. Im Moment sind wir nicht voll belegt.

Wir bieten Schutz, Beratung und Begleitung für von Gewalt betroffene Frauen und deren Kinder. Das versteht sich als „Hilfe zur Selbsthilfe“, unterstützt die Frauen und stärkt sie. So können sie neue Perspektiven für sich und ihre Kinder entwickeln und ein selbstbestimmtes Leben ohne Gewalt und ohne Angst führen.

Das heißt, zusätzlich zur Arbeit mit den Frauen, die im Haus wohnen, bieten wir auch Beratung an. Wir sind also nicht nur Frauenhaus, sondern auch eine Beratungsstelle.

„Wir warten schon seit Monaten auf Antwort, wie es nach dem 1. Juli 2021 weitergeht. An sich sind wir ab diesem Zeitpunkt alle arbeitslos. Das ist derzeit wohl sehr belastend für alle Mitarbeiterinnen.“

Iris Mayer

KOMPETENZ: Was war deine persönliche Motivation, für den Betriebsrat zu kandidieren? Mit welchen Zielen bist du angetreten?

Iris Mayer: Mir war die betriebliche Zusammenarbeit immer ein wichtiges Anliegen. Und natürlich war die schwierige Situation, mit der wir momentan konfrontiert sind, ein wesentlicher Grund, für die Wahl zu kandidieren.

Meine Kolleginnen sind Lebens-und Sozialberaterinnen, Psychologinnen und Sozialarbeiterinnen. Die meisten von uns arbeiten schon sehr lange im Haus, die Leiterin sogar seit 25 Jahren. Nur zwei Kolleginnen wurden erst vor kurzer Zeit neu eingestellt. Ich selbst bin seit 2013 mit dabei. Wir sind also wirklich ein eingespieltes Team – umso mehr liegt uns daran, das alles nicht in einem halben Jahr zu verlieren!

Als Betriebsrätin möchte ich meine Kolleginnen bestmöglich unterstützen. Harmonie im Team ist mir sehr wichtig. Auch die Unterstützung durch die Gewerkschaft GPA läuft sehr gut!

KOMPETENZ: Wann habt ihr von der Neuausschreibung für euer Frauenhaus erfahren?

Iris Mayer: Seit Jahresbeginn wissen wir, dass es uns in der jetzigen Form nur noch bis Ende Juni 2021 geben wird. Ausgeschrieben sind nur „Schutzunterkünfte“ im Salzburger Land. Die letzten Aussagen der Landesrätin Klambauer (Anm.: Andrea Klambauer, NEOS) lassen stark vermuten, dass es das Haus in Hallein nach 30 Jahren dann nicht mehr geben wird.

KOMPETENZ: Wie ist die Stimmung im Betrieb, was die Zukunft betrifft?

Iris Mayer: Wir waren anfangs optimistisch und haben lange geglaubt, dass wir die Kurve bekommen. Unsere Hoffnung war, dass die zuständige Landesrätin ihr Vorhaben wieder revidiert. Doch beim jetzigen Status quo gehen wir davon aus, dass es uns nach dem 30. Juni nicht mehr geben wird.

KOMPETENZ: Was passiert dann im Sommer mit den Frauen, die bei euch im Frauenhaus leben?

Iris Mayer: Es ist so, dass die Frauen, die bei uns wohnen, unterschiedlich lange im Haus bleiben. Das reicht von einigen Tagen bis hin zu mehreren Monaten. Es hängt davon ab, wie rasch wir für sie Lösungen finden können bzw. auch, ob sie für längere Zeit Schutz benötigen. In manchen Fällen ist die Gewaltbereitschaft des Täters besonders hoch ist, dann kann es sein, dass eine Frau länger als 6 Monate bei uns im Frauenhaus bleibt. Dafür müssen wir dann einen eigenen Antrag stellen. Was nun mit den Frauen ab Juli passiert, wissen wir auch nicht, dazu gibt es immer noch keine Infos bis jetzt.

KOMPETENZ: Welche sind die aktuellen Herausforderungen im Betrieb?

Iris Mayer: Wir warten schon seit Monaten auf Antwort, wie es nach dem 1. Juli 2021 weitergeht. An sich sind wir ab diesem Zeitpunkt alle arbeitslos. Das ist derzeit wohl sehr belastend für alle Mitarbeiterinnen. Niemand weiß nun, wie es weitergehen wird!

Wir sind ein sehr engagiertes Team, das Wohl der Frauen und Kinder, die bei uns wohnen, ist allen im Team extrem wichtig, wir wollen sie bestmöglich begleiten. Dazu kommen noch alle jene Frauen, die bei uns in Nachbetreuung oder in ambulanter Beratung sind.

Außerdem sind derzeit wegen Corona die Bedingungen, unter denen wir arbeiten, schwieriger als sonst.

KOMPETENZ: Wie feiert ihr Weihnachten im Frauenhaus?

Ganz traditionell! Es gibt einen Weihnachtsbaum, der wird jedes Jahr gespendet, den schmücken wir. Letztes Jahr z.B. hat uns die Modeschule Hallein den Baum und dazu auch wunderschönen Baumschmuck gespendet. Es gibt eine klassische Bescherung, mit Geschenken und Liedern, die Frauen kochen und essen gemeinsam. Eine Kollegin hat dieses Jahr mit zwei türkischen Frauen das Lied Stille Nacht einstudiert, damit die beiden mitsingen konnten und sich so als Teil der Gemeinschaft fühlen.

KOMPETENZ: Wie wirkt sich Corona im betrieblichen Alltag aus?

In allen anderen Bundesländern gibt es wegen der steigenden häuslichen Gewalt durch den Lockdown deutlich mehr Anfragen – nur bei uns nicht. Wir befürchten, dass möglicherweise viele Frauen glauben, dass es das Frauenhaus schon jetzt nicht mehr gibt. Die Berichterstattung über unsere Schließung im Sommer war in allen Medien, es ist also gut möglich, dass das zu Missverständnissen geführt hat.

Sonst haben wir, was Corona betrifft, natürlich alle Sicherheitsvorkehrungen umgesetzt, sowohl bei der Arbeit meiner Kolleginnen in der Beratung, als auch bei den Frauen, die im Haus wohnen. Wir tragen Masken, halten Abstand, waschen uns regelmäßig die Hände, und im Büro sind Plexiglasscheiben installiert. Sicherheit und Hygiene sind ein ganz zentral! Wir wurden auch kürzlich alle getestet.

KOMPETENZ: Und wie hat sich der Lockdown ausgewirkt?

Der erste Lockdown im Frühjahr bei tollem Frühlingswetter war für uns alle schwieriger als nun der zweite im Herbst. Im Herbst wussten wir, was uns erwartet. Im Frühjahr war es für die Frauen, die bei uns wohnen, schon sehr schwer. Zum Glück hat unser Frauenhaus einen großen Garten. Trotzdem ist vielen die Decke auf den Kopf gefallen. Es gab aber kaum Konflikte, das war sehr positiv!

KOMPETENZ: Wie würdest du die betriebliche Zusammenarbeit beschreiben?

Es gibt in unserem Team ein sehr gutes und vertrauensvolles Verhältnis – jetzt während der Krise umso mehr! Wir erleben ja zur Zeit eine doppelte Krise, Corona und dazu noch die Unsicherheit, was unsere Zukunft im Frauenhaus betrifft. Wir sprechen uns gegenseitig Mut zu und geben einander viel Unterstützung. Wir erhalten auch ausgezeichnete Teamsupervision im Team.

KOMPETENZ: Wie kommst du persönlich durch diese schwierige Zeit?

In meiner Freizeit versuche ich, den Kopf frei zu bekommen, ich gehe viel in die Natur, zum Wandern oder zum Laufen, ich treibe sehr gern Sport. Normalerweise reise ich auch gerne – wenn ich Krise wieder vorbei ist, möchte ich unbedingt wieder neue Länder und Kulturen kennenlernen, darauf freue ich mich schon.

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