Millionenerbin setzt sich für Vermögenssteuern ein

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Marlene Engelhorn muss nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren, und dennoch arbeitet sie derzeit viel: sie setzt sich gemeinsam mit anderen Vermögenden dafür ein, dass große Erbschaften und Vermögen besteuert werden. Im Interview mit der KOMPETENZ erklärt sie warum: es gehe um Verteilungsgerechtigkeit.

KOMPETENZ: Sie werden in einiger Zeit ein großes Vermögen erben und haben angekündigt, einen großen Teil davon zu spenden. Warum?

Marlene Engelhorn: Wenn man sich die Zahlen anschaut und man sieht, ein Prozent der Bevölkerung in Österreich hat 40 Prozent des Vermögens und 50 Prozent haben nicht einmal drei Prozent des Vermögens und wenn man sich dann auch überlegt in Bezug aufs Erben, vier von fünf vermögenden Menschen besitzen ihr Vermögen auf Grund einer Erbschaft und 90 Prozent der vererbten Immobilien gehen an Menschen, die bereits Immobilien besitzen, dann sieht man: Die Schieflage ist unglaublich. Und dem entgegenzuwirken bedeutet, nicht mitzumachen.

KOMPETENZ: Da es derzeit keine Erbschaftssteuern gibt, gehen Sie den Weg der Spende. Wissen Sie schon, an wen Sie spenden werden?

Marlene Engelhorn: Genau das ist der Punkt. Ich sollte das nicht alleine entscheiden. Deshalb setze ich mich ja schon vor der Erbschaft für Steuergerechtigkeit ein. Erbschaften in der Höhe sind keine Privatsache. Probleme, die uns alle als Gesellschaft etwas angehen sollten, sollten auch gemeinsam angegangen werden.

Ich sollte mich nicht über andere erheben und entscheiden, was wichtig ist und was nicht. Einzelpersonen sollten das nicht entscheiden, dafür gibt es demokratische transparente Prozesse. Es geht also nicht darum, an wen ich vielleicht spende, sondern darum, dass die Machtfrage im Raum steht und es hier Steuergerechtigkeit braucht. Solche Erbschaften gehören besteuert und die Verwendung der Mittel in demokratische Prozesse überführt, damit auch alle, die das angeht, mitentscheiden dürfen.

KOMPETENZ: Sie setzen sich also für Vermögenssteuern ein. Warum ist es Ihnen lieber, dass der Staat hier für Umverteilung sorgt, als dass Sie individuell Organisationen oder Einzelpersonen mit einer Spende bedenken?

Marlene Engelhorn wird Millionen erben und wird den meisten Teil davon verschenken, weil sie findet, dass Vermögen besteuert werden müssen.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

Marlene Engelhorn: Wer ist der Staat? Die Polizei, die Kindergärtnerin, der Rechtsstaat, der Lehrer in der Schule, das ist alles der Staat. Es geht um Menschen und es geht um demokratische Mitbestimmung, wie wir unsere Gesellschaft organisieren und Probleme gemeinsam angehen. Und da kann es nicht sein, dass einige wenige auf Grund einer unglaublichen Verteilungsungerechtigkeit für alle entscheiden dürfen. Beim Staat können wir mitbestimmen. Das ist das Wesen demokratischer Wahlen, dass wir alle eine Stimme haben – aber eben nur eine.

„Es gibt also eine Schieflage, was Macht anbelangt, und da bin ich für demokratische Gestaltung, denn es geht um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen.“

Marlene Engelhorn

Der Staat ist vielleicht nicht perfekt. Aber da stellen wir als Volk gemeinsam den Souverän, demokratisch, und wir haben Gewaltenteilung. Das fehlt in der Privatwirtschaft. Ich kann da ja nicht hingehen und sagen, ich möchte, dass dieser verantwortungslose Chef von dem Konzern da nicht mehr so einflussreich ist. Da ist die Macht intransparent in Einzelhand. Ich kann den ja nicht abwählen. Es gibt also eine Schieflage, was Macht anbelangt, und da bin ich für demokratische Gestaltung, denn es geht um eine gerechtere Verteilung der Ressourcen.

KOMPETENZ: Haben Sie konkrete Vorstellungen, wer ab welcher Höhe des Vermögens in welcher Höhe besteuert werden sollte?

Marlene Engelhorn: Es gibt da verschiedenste Modelle für Steuergerechtigkeit, darunter auch das Modell von Thomas Piketty. Aber auch da gilt: man sollte sie gemeinsam diskutieren und es ist auch ein Anspruch von „taxmenow“, dass wir nicht vorgeben, wie es zu machen ist. Wir fragen, wie kann es sein, dass wir noch keine Verteilungsgerechtigkeit haben. Es ist notwendig zu überlegen, warum wir Arbeit so selbstverständlich besteuern, Vermögen aber nicht. Es gibt Erbschaften wie meine im zweistelligen Millionenbereich und es wird nicht ein Cent Steuer erhoben? Dafür habe ich nicht gearbeitet, das ist das Glück der Geburt. Das ist absurd, das macht keinen Sinn. Es gibt unterschiedliche, interessante Modelle, lasst sie uns gemeinsam diskutieren. Es ist nicht meine Aufgabe, hier etwas vorzugeben. Das wäre ja der Wahnsinn, Vermögende, die auch noch Vermögenssteuern selber basteln.

KOMPETENZ: Sie haben „taxmenow“ angesprochen, Sie sind Teil davon. Wie groß ist diese Initiative und was ist ihr Ziel?

Marlene Engelhorn: Die Petition hat über 35.000 Unterschriften, aktiv in der Gruppe mitarbeitend – das fluktuiert etwas – sind zwischen zehn und 20 Personen. Es gibt 40 Erstunterzeichnende, die sich offen dazu bekennen, dass sie zumindest über ein Nettovermögen von einer Million verfügen. Ziel ist es, zum politischen Diskurs für Vermögenssteuern beizutragen.

KOMPETENZ: Es gibt auch das Netzwerk „Millionaires for Humanity“, das für Besteuerung von eben Überreichen plädiert. Sind Sie auch Teil dieses Netzwerks?

Marlene Engelhorn: Ja, da arbeite ich zwar nicht konkret mit, beteilige mich aber daran, weil ich finde, dass das der absolute Minimalkonsens ist. Mir geht das nicht einmal ansatzweise weit genug, aber immerhin.

KOMPETENZ: Was fordert dieses Netzwerk?

Marlene Engelhorn: Ab einem Nettovermögen von zwei Millionen Euro wird eine Vermögenssteuer von einem Prozent gefordert. Das ist wirklich ein Minimalkonsens, aber je mehr Stimmen sich stark machen, je lauter und je vielfältiger wir sind und auch zeigen, es gibt vielleicht nicht die eine Lösung, aber verschiedene Ansätze, auch bei uns Vermögenden, umso besser.  

Zur Person

Marlene Engelhorn, geb. 1992 und aufgewachsen in Wien, derzeit Germanistikstudium an der Universität Wien. Immer wieder kurze Berufstätigkeit, darunter Nachhilfe und Korrektorat, derzeit Volontariat bei der Guerrilla Foundation. Engelhorn wurde in eine vermögende Familie hineingeboren und muss derzeit nicht arbeiten, um ihren Alltag zu finanzieren. Sie wird eines Tages einen zweistelligen Millionenbetrag von ihrer Großmutter erben.

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