In Deutschland wird demnächst gewählt. Wir haben uns die Positionen von Gewerkschaften und Parteien im Vergleich angesehen.
Am 26. September finden in Deutschland Bundestagswahlen statt. Nach dem Ende der Ära von Bundeskanzlerin Angela Merkel wird es erstmals seit 16 Jahren eine personelle Veränderung an der Regierungsspitze geben. Der CDU/CSU-Spitzenkandidat Armin Laschet, SPD-Vizekanzler Olaf Scholz und die Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Annalena Baerbock, bewerben sich um die Kanzlerschaft.
Die künftige Bundesregierung wird aber vor allem mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert sein, vor denen Deutschland im Augenblick steht. Dazu zählen insbesondere die Folgen der Corona-Pandemie, des Klimawandels und der Digitalisierung. Aber auch Einschnitte in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zulasten der Beschäftigten und Versäumnisse bei Investitionen in die öffentliche Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten.
Steuern, Investitionen und sozial-ökologischer Wandel: Positionen der Gewerkschaften und der einzelnen Parteien
Wir haben uns in einem zweiten Themenschwerpunkt die Forderungen des deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aber auch einzelner Branchengewerkschaften (ver.di, IG-Metall) rund um die Themen Steuern, Investitionen und sozial-ökologischer Wandel angesehen und mit den Positionen der einzelnen Bundestagsparteien verglichen.
Steuerpolitik
Das Steuerkonzept des DGB würde eine Entlastung von 95% der deutschen Haushalte vorsehen und die reichsten fünf Prozent dafür stärker in die Pflicht nehmen. Um dies zu erreichen soll der steuerliche Freibetrag auf 12.800 Euro jährlich angehoben werden. Der Spitzensteuersatz für Höchsteinkommen (ab 76.800 Euro jährlich) soll von 42% auf 49% ansteigen.
Ein 52%iger Reichensteuersatz soll ab einem jährlichen Einkommen 130.000 Euro anfallen.
Außerdem soll die Vermögenssteuer wieder eingehoben werden. Ab einer Million Euro Nettovermögen würde diese 1% betragen und ab einer Milliarde Euro bis zu 2%. Erbschaften und Schenkungen sollen ebenfalls gerechter besteuert werden. Die Gewerkschaften fordern auch einen Anstieg der Körperschaftssteuer für Unternehmen von derzeit 15% auf 25%. Steuervermeidungs- und Hinterziehungspraktiken multinationaler Konzerne sollen durch nationale und europäische Initiativen künftig nicht mehr möglich sein.
Durch die Einführung einer Kindergrundsicherung (erhöhtes Kindergeld inkl. Einkommens- und altersabhängiger Zusatzleistung) wollen die Gewerkschaften die Kinderarmut in Deutschland bekämpfen.
Investitionen und Schuldenregeln
Deutschland soll ein umfangreiches Investitionsprogramm von jährlich mind. 45 Mrd. Euro für die nächsten zehn Jahre aufsetzen. Die europäischen und nationalen Schuldenregeln sollen dazu reformiert werden. Dem Festhalten an der schwarzen Null (keine Defizite im Bundeshaushalt) wird eine klare Absage erteilt und die nationale Schuldenbremse soll abgeschafft werden. Um den angehäuften Investitionsstau in Deutschland zu überwinden, sollen Kommunen 149 Mrd. Euro in die Hand nehmen.
Der Recoveryplan der EU soll nach seinem Auslaufen 2023 fortgesetzt werden und in einem EU-Zukunftsinvestitionsprogramm münden. Der Schwerpunkt soll dabei auf die sozial-ökologische Transformation gelegt werden.
Investitionen und Schuldenregeln | Steuern | |
CDU/CSU | Schuldenbremse beibehalten Schuldenquote unter 60% des BIP eigene Forderungen unter Finanzierungsvorbehalt gestellt | Keine Steuererhöhungen Unternehmenssteuern auf 25% senken Anhebung von Freibeträgen |
SPD | Schuldenbremse nicht erwähnt Jährlich 50 Mrd. Euro Investitionen | Entlastungen bei Einkommenssteuer für Gering- und Normalverdienende 1%ige Vermögenssteuer Erbschaftssteuer ausweiten |
FDP | Schuldenbremse beibehalten Schuldenquote unter 60% des BIP Anreize für private Investitionen | Keine Steuererhöhungen Unternehmenssteuern auf 25% senken Senkung Spitzensteuersatz |
Die Linke | Schuldenbremse abschaffen Zukunftsinvestitionsprogramm | Freibetrag bei Einkommenssteuer anheben höhere Einkommen stärker belasten 1-5%ige Vermögenssteuer Erbschaftssteuer ausweiten Anhebung Körperschaftssteuer auf 25% |
Bündnis 90/ Die Grünen | Reform der Schuldenbremse Jährlich 50 Mrd. Euro Investitionen für 10 Jahre | Freibetrag bei Einkommenssteuer anheben höhere Einkommen stärker belasten 1%ige Vermögenssteuer Erbschaftssteuer ausweiten |
Sozial-ökologischer Wandel: Industrielle Produktion und Arbeitsplätze
Bestehende Wirtschaftsstrukturen sollen klimaneutral umgebaut und vorhandene Wertschöpfungsketten im Industrie- und Dienstleistungsbereich sollen erhalten werden. Die industrielle Produktion muss jedoch umwelt- und klimafreundlicher werden. Staatliche Normen, Quoten und Grenzwerte sollten der Produktion klimafreundliche Vorgaben machen.
Die Beschäftigten müssen im Zuge dieses Umbaus zu einer ökologischen Wirtschaft umfassende Qualifizierungsmöglichkeiten, gute Arbeitsbedingungen und mitbestimmte Arbeitsplätze erlangen.
Ökosteuern
Die Gewerkschaft ver.di unterstützt grundsätzlich die Forderung nach einem ökologischen Preissystem, bestehend aus Ökosteuern und einer CO2-Bepreisung. Eine Verteuerung des Energie- und Ressourcenverbrauches darf jedoch Gering- und Normalverdiener nicht stärker belasten. Die erzielten Einnahmen durch die CO2-Bepreisung sollen mehrheitlich in Form einer sozial gestaffelten Klima-Kopfprämie an die Haushalte zurückfließen.
Energie- und Verkehrswende
Durch eine ökologische Verkehrswende soll der Verkehr zusehends von Luft und Straße auf die Schiene verlagert werden. Dazu bedarf es einer perspektivischen Verdoppelung der Beförderungskapazität des öffentlichen Personen- und Güterverkehrs. Um die ökologische Energiewende zu ermöglichen muss ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien erfolgen. Im Zuge dessen sollen die Stromkosten für Unternehmen und private Haushalte gesenkt werden. Finanziert werden soll dieser Wandel durch einen „Transformationsfonds“ aus öffentlichen und privaten Mitteln.
Klimaziel | Wesentlichste Maßnahmen | |
CDU/CSU | Klimaneutralität bis 2045 kein Kohlestrom ab 2038 | Europäischer Emissionshandel Strompreissenkungen Ausbau erneuerbarer Energien und des öffentlichen Verkehrs |
SPD | Klimaneutralität bis 2045 Strom zu 100% aus erneuerbaren Energien ab 2040 | Langfristige Industriestrategie Strompreissenkungen Ausbau Schienenverkehr regionale Transformationscluster mit Sozialpartnern |
FDP | Einhaltung Pariser Klimaabkommen (1,5° Ziel) | CO2-Budget und Emissionshandel Marktbasierte Umsetzung Förderung von Innovation Stromsteuer senken |
Die Linke | Klimaneutralität bis 2035 Kohleausstieg bis 2030 Verbrennerverbot bis 2030 | Energieversorgung verstaatlichen Ausbau erneuerbarer Energien Gedeckelter Energieverbrauch Ausbau von Bus und Bahn |
Bündnis 90/ Die Grünen | Kohleausstieg 2030 100% Strom aus erneuerbarer Energie bis 2035 Verbrennerverbot bis 2030 | CO2-Bremse im Grundgesetz CO2-Bepreisung mit Ausgleichszahlungen Ausbau erneuerbare Energien und des öffentlichen Verkehrs |
Anmerkung des DGB: „Die DGB-Gewerkschaften stehen für Demokratie, Gleichberechtigung, Weltoffenheit und Toleranz in Deutschland, Europa und der Welt und damit im klaren Widerspruch zur AfD, die eine mit der extremen Rechten eng verwobene Rechtsaußenpartei mit rechtspopulistischer Agitationsweise ist. Der DGB nennt daher die AfD nicht in einem Atemzug mit demokratischen Parteien, um nicht zur Verharmlosung ihrer völkisch-autoritären Positionen und ihrer im Kern demokratiefeindlichen Strategien und Handlungen beizutragen. Mit demokratischer Normalität hat das Wahlprogramm der AfD nichts zu tun.“
Weiter Infos dazu gibt’s hier:
https://www.dgb.de/bundestagswahl-2021/wahlcheck
https://verdi-waehlt.verdi.de/
https://www.igmetall.de/politik-und-gesellschaft/bundestagswahl