Die Teuerungskrise lässt nicht nach – Woran das liegt und was die Regierung dagegen tun muss.
Im April hat die Teuerungswelle mit 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresapril einen Höchststand erreicht. Obwohl die Prognosen von einem baldigen Höhepunkt dieser Entwicklung ausgehen, ist die Belastung für die Haushalte bereits seit längerem enorm. Die bisher beschlossenen Maßnahmen der Bundesregierung sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, obwohl dem nicht so sein müsste. Zahlreiche EU-Länder haben weitreichende Maßnahmen zur Eindämmung der Preise im Energiesektor oder bei Lebensmitteln gesetzt und zeigen damit, dass es mit ausreichend politischem Willen möglich ist Abhilfe zu schaffen.
Die aktuellen Preistreiber und deren Auslöser
Nahezu drei Viertel der aktuellen Preissteigerung sind auf die Bereiche Wohnen & Energie, Verkehr sowie Lebensmittel zurückzuführen und das hat seinen Ursprung in zwei Faktoren.
Einerseits sind durch die Pandemie bedingte Lieferengpässe noch immer nicht bereinigt. Gerade die sehr strengen Eindämmungsmaßnahmen durch wieder aufflammende COVID-Infektionen in China führen dazu, dass Containerschiffe aufgrund von Staus in den Häfen deutlich länger nach Europa benötigen. Gleichzeitig ist die hohe weltweite Nachfrage nach verschiedensten Gütern dafür verantwortlich, dass auch die Produktion von wichtigen Vorprodukten, wie etwa Mikrochips, nicht mithalten kann. In Kombination sind diese Lieferschwierigkeiten dafür verantwortlich, dass bereits im Herbst 2021 die Preise für Energie und Treibstoffe in die Höhe schnellten.
Der zweite bestimmende Faktor für die steigenden Energiepreise liegt im Einmarsch Russlands in die Ukraine Ende Februar. Durch die besonders hohe Abhängigkeit Österreichs von Öl – und Gasimporten aus Russland haben die steigenden Weltmarktpreise auch zu enormen Anstiegen von Treibstoff-, Heiz- und Stromkosten geführt. Neben der Unsicherheit über die zukünftige Versorgungssicherheit nährt sich der Verdacht, dass Spekulation und Gewinnausweitungen von Raffinerie-Betreibern für die enormen Preissteigerungen mitverantwortlich sind.
Eine Besonderheit, die vor allem zu steigenden Strompreisen führt, ist das Design des europäischen Strommarktes nach dem Merit-Order-Modell. In der Merit-Order bieten Stromproduzenten aus verschiedenen Energiequellen Strom an und der Marktpreis für das gesamte Angebot wird durch die Stromerzeugungsquelle bestimmt, die gerade noch dafür notwendig ist, um den Strombedarf zu decken. Trotz Österreichs hoher Quote an Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung von rund 80 Prozent des Bedarfs, sind Gaskraftwerke aktuell der preisbestimmende Faktor. Das bedeutet gleichzeitig auch, dass Stromerzeuger, die keine steigenden Produktionskosten haben (z.B. bei Wind – und Wasserkraft) ebenfalls von diesem hohen Marktpreis profitieren. Dadurch verzeichnen die Unternehmen sogenannte Windfall Profits oder Übergewinne, die nichts mit betriebswirtschaftlichem Geschick zu tun haben, sondern nur durch Zufall entstehen.
Da sich die Energiepreise durch Produktion und Transport sich auch in den Erzeugerpreisen niederschlagen, sind zuletzt auch Lebensmittel (+8,4 Prozent) merklich teurer geworden. Kriegsbedingte erwartete Lieferausfälle von Getreide aus der Ukraine werden im Herbst dazu ebenfalls nochmal einen Beitrag leisten.
Wen trifft die Teuerungswelle am stärksten?
Da es sich bei jenen Gütern und Dienstleistungen die besonders hohe Preissteigerungen aufweisen großteils um Produkte des Alltages handelt ist ein Ausweichen nicht möglich. Betrachtet man die Betroffenheit nach Einkommensgruppen wird deutlich, dass niedrige Einkommen viel stärker durch die Teuerung belastet sind.
Haushalte unter den niedrigsten 10 Prozent der Einkommen geben für Wohnen, Energie und Lebensmittel über ein Drittel Ihres verfügbaren Einkommens aus, während im obersten Einkommenszehntel diese nur 16 Prozent von allen Ausgaben ausmachen. Damit wird auch deutlich, dass wenn Wohnen, Lebensmittel und Energie drastisch teurer werden, es vor allem die kleinen und mittleren Einkommen trifft. Das untere Einkommensviertel der Haushalte kann auch nicht von Erspartem zehren, da diese Haushalte eine negative Sparquote haben. Deswegen sollten Entlastungsmaßnahmen bei diesen Bevölkerungsgruppen besonders ansetzen.
Die Antwort der Gewerkschaften auf die Teuerung
Für die gewerkschaftlichen Lohnforderungen in den Kollektivvertragsverhandlungen ist der Erhalt der Kaufkraft für die Beschäftigten die absolute Priorität. Die für Forderungen ausschlaggebende Inflationsrate ist dabei der Durchschnitt der Verbraucherpreisindex-Steigerungen der letzten 12 Monate vor den Verhandlungen. Der 12-Monatsdurchschnitt wird herangezogen, um Ausreißern bei einzelnen Monaten keinen zu starken Einfluss zu geben und es wird auf die Vergangenheit abgestellt, da Prognosen oft von der Realität überholt werden. Für 2022 waren die großen Prognoseinstitute noch im Dezember 2021 von einer Inflationsrate von um die 3 Prozent ausgegangen. Durch den Krieg in der Ukraine wurde diese Prognose jedoch auf rund 6 Prozent erhöht. Über die Inflation hinaus muss auch der faire Anteil an den erwirtschafteten Produktivitätssteigerungen an die ArbeitnehmerInnen gehen.
Durch diese Vorgehensweise in den Lohnverhandlungen konnten in den letzten 25 Jahren stets Reallohnsteigerungen erzielt werden. Auch zuletzt konnten durch Betriebsversammlungen sowie der Androhung von Warnstreiks mit den Abschlüssen in der Papier-Industrie, der chemischen Industrie, der Elektro – und Elektronikindustrie und der Glasindustrie starke Ergebnisse über der Inflationsrate im relevanten Zeitraum erzielt werden. Besonders hervorzuheben sind die absoluten Mindestbeträge, welche für noch stärkere Erhöhungen der Mindestgehälter sorgen und damit auch der höheren Betroffenheit bei den Preissteigerungen Rechnung tragen.
Politische Maßnahmen die nun notwendig sind
Aufgrund der breiten gesellschaftlichen Betroffenheit braucht es jedoch weitere Maßnahmen die über gewerkschaftliche Handlungsspielräume hinausgehen. PensionistInnen, Arbeitslose oder Sozialleistungs-EmpfängerInnen brauchen dringend Unterstützung, um ihren Lebensunterhalt weiterhin leisten zu können. Die Energiepreise sind dabei der klare Anknüpfungspunkt für Maßnahmen um Entlastung für die Haushalte zu schaffen. Einige Europäische Länder haben bereits Eingriffe in Energiemärkte getätigt und die Europäische Kommission unterstütz diese Aktivitäten in der Reaktion auf die Energiekrise.
Ein Preisdeckel von maximal 50 Euro pro Megawattstunde Strom wurde zuletzt in Spanien und Portugal verabschiedet und reduziert damit direkt die Energiekosten für die VerbraucherInnen. Ein zusätzlicher positiver Effekt dieser Maßnahme ist, dass diese auch die gemessenen Inflationsraten verringern wird, was Entspannung bei indexgebundenen Preisen (z.B. bei Mieten) bedeutet.
Die Besteuerung von Windfall-Profits kann notwendige Mittel für die Finanzierung von Entlastungsmaßnahmen generieren und ist aus verteilungspolitischen Erwägungen sinnvoll. Denn warum sollten Aktionäre von Energieversorgungsunternehmen hohe Dividenden einfahren, während die Haushalte die Energiebelastung kaum stemmen können. Solche Windfall-Steuern gibt es bereits in Italien (25 Prozent Steuersatz auf Übergewinne) und Rumänien (80 Prozent der einen Höchstpreis übersteigenden Energiekosten). Zuletzt hat auch Griechenland Pläne für eine Abschöpfung der Übergewinne im Ausmaß von 90 Prozent veröffentlicht. In Österreich rechnet die Verbund AG 2022 mit Gewinnen in Höhe von 2 Milliarden Euro, was mehr als eine Verdopplung der Gewinne im Vergleich zum bereits sehr guten Jahr 2021 bedeuten würde. Das verdeutlicht, dass so eine Steuer auch bei uns höchstwirksam wäre.
Darüber hinaus kann eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel einen unmittelbaren Einfluss auf die täglichen Kosten der Menschen haben. Neben der schnellen Umsetzung ist auch hier die Senkung der Inflationsrate ein positiver Aspekt. Ebenso ist die Valorisierung und Erhöhung von staatlichen Leistungen wie der Kinderbeihilfe, des Arbeitslosengeldes oder eine vorgezogene Pensionsanpassungen notwendig, um vor allem den kleinen Einkommen stärker zu helfen. Einmalzahlungen können dazu ebenfalls einen Beitrag leisten, jedoch muss unbedingt auf zu starre Einkommensgrenzen verzichtet werden, welche Menschen vom Anspruch ausnehmen. Stattdessen sollten Einschleifregelungen auch bei diesen Maßnahmen Einzug finden.
Du bist auch der Meinung, dass die Regierung mehr gegen die Teuerungswelle tun muss? Dann unterstütze die Petition des ÖGB.