Unser Sozialstaat: Wichtig für uns alle!

In Wahrheit begleiten uns sozialstaatliche Leistungen ein ganzes Leben lang.

Ein guter Sozialstaat sichert Menschen ab, wenn sie krank werden, einen Unfall haben, in Pension gehen, Pflege brauchen oder arbeitslos werden. Dennoch werden immer wieder Stimmen laut, die Sparmaßnahmen fordern. Die fatalen Konsequenzen solcher Maßnahmen werden dabei aber gern verschwiegen.

Unser Sozialstaat ist wieder einmal ins Gerede gekommen. Diesmal wird die Diskussion unter dem Titel der „Senkung der Lohnnebenkosten“ geführt. Der österreichischen Bevölkerung wird dabei von Personen aus Wirtschaft und Politik eingeredet, sie würde von einer Senkung profitieren. So werden etwa unter dem Motto „Mehr Geld im Börsel“ teure Kampagnen gefahren. Gleichzeitig werden immer mehr Stimmen laut, die meinen, unser Niveau der Pensionssicherheit sei nicht mehr zu finanzieren. Was dabei aber ganz bewusst übersehen wird: die fatalen Konsequenzen für die breite Bevölkerung.

Vom Sozialstaat profitieren alle

Bei sozialstaatlichen Leistungen denken viele an Hilfe für Menschen, die armutsgefährdet sind, etwa Sozialhilfe oder Unterstützung bei Arbeitslosigkeit. Von einem ausgebauten Sozialstaat profitieren aber ausnahmslos alle. Er ist die Basis für den Zusammenhalt einer Gesellschaft und Garant für die Lebensqualität eines Landes. Es ist daher kein Wunder, dass Österreich bei der Bewertung der Lebensqualität im Vergleich zu anderen Ländern des Better Life Index wirklich gut abschneidet. Dabei liegen etwa die Werte in den Bereichen Gesundheit, Beschäftigung, Lebenszufriedenheit, Sicherheit, soziale Beziehungen und Umwelt über dem Durchschnitt.

Mein Herz für ein soziales Österreich

Unter dem Motto „Mein Herz für ein soziales Österreich. Unser Sozialstaat – wichtig für uns alle“ hat die Gewerkschaft GPA Anfang September eine Kampagne gestartet. Hintergrund sind die politischen Forderungen nach einer Kürzung der Lohnnebenkosten und damit einhergehenden Angriffen auf den Sozialstaat: https://www.herz-fuer-soziales.at/

In Wahrheit begleiten uns sozialstaatliche Leistungen ein ganzes Leben lang. Schon bei der Geburt erhalten Kinder und Eltern Unterstützung durch den Mutter-Kind-Pass, das Kinderbetreuungsgeld und den Mutterschutz. Auch in der Kindheit und Jugend profitieren wir von staatlichen Leistungen wie Kinderbildung, Familienbeihilfe, Schulbücher und Freifahrten. Während des Arbeitslebens bieten Sozialleistungen Absicherung im Falle von Krankheit, Unfall oder Arbeitslosigkeit. Im Ruhestand sind es vor allem die Pensions- und Pflegeleistungen, die uns unterstützen. Diese Leistungen müssen auch entsprechend finanziert werden. So entfallen ganze 82 Prozent der Sozialausgaben auf die Bereiche Pensionen, Gesundheit und Familien.

Solidarische Finanzierung sichert wirtschaftliche Dynamik

Finanziert werden die sozialstaatlichen Leistungen aus den Beiträgen, die von den Beschäftigten erwirtschaftet wurden, im Wesentlichen (55%) sind das die Sozialversicherungsbeiträge. Fast 40 Prozent stammen aus dem allgemeinen Steuertopf. Natürlich ist in einem Land mit einem hohen sozialen Niveau die Steuer- und Abgabenquote vergleichsweise hoch. Es ist aber völlig falsch, diese Gelder als Belastung für den Wirtschaftsstandort
zu sehen.

„Wir müssen dem Märchen entgegentreten, dass der Sozialstaat den wirtschaftlichen Erfolg behindere. Das Gegenteil ist der Fall“

Barbara Teiber, Gewerkschaft GPA-Vorsitzende

„Sicherheit und Lebensqualität sind die Basis für Produktivität und wirtschaftliche Dynamik. Wir müssen dem Märchen entgegentreten, dass der Sozialstaat den wirtschaftlichen Erfolg behindere. Das Gegenteil ist der Fall“, so die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber. „Dass Menschen in Zeiten der Arbeitslosigkeit, der Kinderbetreuung und Pension den Lebensstandard erhalten, ist auch ein nicht unwesentlicher Nachfragefaktor für unsere Wirtschaft.“ Es stimmt auch nicht, dass aufgrund zu hoher Sozialleistungen niemand arbeiten will. Gerade in Ländern mit hoher Abgabenquote arbeiten auch viele Menschen, weil der Sozialstaat die Teilnahme am Arbeitsmarkt unterstützt.

Lohnnebenkosten sind Leistungen für alle

Es gab auf Druck der Unternehmer in den letzten Jahren schon einige Senkungen der sogenannten Lohnnebenkosten, etwa in den Bereichen Familienlastenausgleich, Unfallversicherung, Insolvenz-Entgelt-Fonds und Arbeitslosenversicherungsbeiträge. Der öffentlichen Hand entgehen dadurch zwischen 2015 und 2025 fast 16,3 Mrd. Euro. Von keinem einzigen Euro, der gespart wurde, profitieren die Arbeitnehmer:innen. Wenn man nun wiederum behauptet, eine neuerliche Senkung der Lohnnebenkosten wäre unerlässlich, um unserer Wirtschaft wieder die nötige Dynamik zu verleihen, muss man auch dazusagen, welche Leistungen gekürzt würden und welche Auswirkungen das auf das Gesamtsystem hätte.

Von 1 € Lohnnebenkosten fließen …

Ein Beispiel: Die Senkung des Krankenversicherungsbeitrags der Arbeitgeber um auch nur 0,1 Prozentpunkte würde der Gesundheitskasse etwa 140 Millionen Euro kosten. Das würde bedeuten, dass 350 Kassenarztstellen weniger zur Verfügung gestellt werden könnten.

Einzigartiges Pensionssystem

Ins Gerede kommt auch wieder einmal unser Pensionssystem. Das Umlageverfahren, bei dem die Pensionen aus den aktuellen Beiträgen und Budgeteinnahmen finanziert werden, schuf eines der stabilsten und gegen Krisen resistenten Systeme. Wenn dann behauptet wird, aufgrund der demographischen Entwicklung ginge sich das alles nicht mehr aus, dann muss man entgegenhalten, dass trotz Alterung der Gesellschaft die Ausgaben für Pensionen gemessen am Bruttoinlandsprodukt weiter stabil bleiben.

Die durchschnittliche Alterspension nach 45 Versicherungsjahren beträgt in:

Dabei geht es auch ganz grundsätzlich darum, ein Altern in Würde zu ermöglichen. Im Vergleich zu Ländern, die auf eine Finanzierung auf den Kapitalmärkten setzen, etwa Deutschland, schafft unser System eine stabile Absicherung eines Lebensstandards im Alter. Konkret bedeutet das: Mit 65 Jahren ist die österreichische Pension um 80 bis 94 Prozent höher als die deutsche Rente. Dazu kommt, dass wir ganz aktuell sehen, wie krisenanfällig und instabil die Kapitalmärkte sein können.

Brauchen keinen Rück-, sondern Ausbau

Unsere Gesellschaft ist mit zahlreichen neuen Herausforderungen konfrontiert. Mit einer älter werdenden Bevölkerung wird auch das Thema einer ausreichenden Pflegeversorgung immer präsenter. Dabei muss auch an die Jüngsten gedacht werden, denn nur eine gute und lückenlose Kinderbetreuung schafft die Basis für eine hohe Erwerbsbeteiligung, was wiederum die Finanzierung der sozialen Leistungen für alle sichert. Die ökologische Transformation erfordert Ressourcen und Mittel, auch für einen sozial gerechten Umbau der Wirtschaft.

„Die Vermögenskonzentration ist unglaublich hoch. Das ist nicht nur ungerecht und nicht leistungsgerecht, sondern auch im höchsten Maße wirtschaftsfeindlich, wenn Gelder unproduktiv veranlagt werden und nicht in den wirtschaftlichen Kreislauf investiert werden.“

David Mum, Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA

Freilich ist es ein Problem, wenn die Finanzierung primär über den Faktor Arbeit geschieht, während die Schere zwischen Arm und Reich in Österreich immer weiter aufgeht. Deshalb fordern die Gewerkschaften und viele politischen Akteur:innen dringend die stärkere Besteuerung von Vermögenswerten. Nach einem Modell der Gewerkschaft GPA würden die reichsten 3 bis 4 Prozent der Haushalte in Österreich mit einem Steuersatz von 0,5 bis 1,5 Prozent besteuert werden. Dass eine solche Maßnahme mehr als notwendig ist, erklärt der Leiter der Grundlagenabteilung der Gewerkschaft GPA, David Mum: „Die Vermögenskonzentration ist unglaublich hoch. Das ist nicht nur ungerecht und nicht leistungsgerecht, sondern auch im höchsten Maße wirtschaftsfeindlich, wenn Gelder unproduktiv veranlagt werden und nicht in den wirtschaftlichen Kreislauf investiert werden.“

Barbara Teiber appelliert daher an eine Abkehr von den Forderungen nach weniger Sozialstaat. Stattdessen, so betont sie, brauche es einen möglichst gut ausgebauten Sozialstaat, von dem alle profitieren. „Machen wir uns jetzt dafür stark, dass es zu keinen weiteren Einsparungen mehr bei der Bildung, in der Sicherheit, in der Gesundheit und bei den Pensionen kommt. Wir haben ein einzigartiges Sozialsystem, schauen wir gemeinsam darauf, dass wir es erhalten und verbessern können.“

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