Donald Trumps bevorstehende Präsidentschaft bedroht grundlegende Rechte von Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften.
„Sie streiken, und du sagst: ,Das ist okay. Ihr seid alle weg. Ihr seid alle weg. Jeder Einzelne von euch ist weg.‘ Du bist der Beste.“
Donald Trump zu Elon Musk über seine Drohungen gegen Streikende
Donald Trump ist trotz einer schlechten Arbeitsmarktbilanz aus der ersten Amtszeit und der stärksten gewerkschaftlichen Mobilisierung der jüngeren Geschichte als Sieger aus der letzten US-Wahl hervorgegangen. Seine Wahl bedroht nun grundlegende Rechte von Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften.
Gewerkschaftliche Unterstützung für Harris
Die Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder hat laut Wahltagsbefragungen für Harris gestimmt. Diese Unterstützung kam nicht überraschend: Biden und Harris setzten sich stärker für Arbeitnehmer:innen ein als jede US-Regierung seit Franklin Roosevelt, der von 1933 bis 1945 US-Präsident war.
Joe Biden ist der erste Präsident in der Geschichte des Landes, der einen aktiven Streik besuchte, nämlich einen der Automobilarbeiter:innen der Gewerkschaft United Auto Workers (UAW).
Wichtige Erfolge der letzten Jahre
Von einem massiven Covid-Rettungspaket über Investitionen in Infrastruktur und Halbleiter sowie in Klima-, Industrie-, Steuer- und Gesundheitspolitik bis hin zur Reform der Waffengesetzgebung, Biden verwirklichte viele seine Wahlversprechen.
Biden und Harris erreichten bedeutende Verbesserungen für Arbeitnehmer:innen, unter anderem:
- Verbesserungen beim Anspruch auf Überstundenvergütung
- Stärkung der US-Arbeitsbehörde National Labor Relations Board (NLRB)
- Absicherung von Millionen Pensionen
- Verpflichtende Arbeitsstandards bei öffentlichen Aufträgen
Wo die Republikanische Partei blockierte, arbeitete Biden mit sogenannten Exekutivanordnungen, die zwar keinen Gesetzesstatus, aber Weisungscharakter für die Arbeit der Bundesregierung und Behörden haben. Seine Anordnungen reichen von der Förderung der verantwortungsvollen Polizeiarbeit und Strafjustiz über die Verbesserung des Zugangs zu Gesundheitsversorgung und Geburtenkontrolle bis hin zu Maßnahmen gegen rassistische und gegen Menschen mit Behinderung gerichtete Diskriminierung.
Arbeitnehmer:innenrechte und Green Deal Hand in Hand
Als besondere Errungenschaft setzte der „Inflation Reduction Act“ neue Maßstäbe für die Verknüpfung von Klimaschutz und Arbeitnehmer:innenrechten: Das Gesetz macht öffentliche Förderungen für klimafreundliche Industrien davon abhängig, dass Unternehmen gewerkschaftlich verhandelte Mindeststandards einhalten.
Dadurch entstanden bereits 270.000 gut bezahlte „grüne“ Arbeitsplätze, weitere 1,5 Millionen sollen folgen. Diese Politik zeigt, wie Klimaschutz und starke Arbeitnehmer:innenrechte Hand in Hand gehen können.
Die „Cost of Living Crisis“ als entscheidender Faktor
Die Wahlniederlage von Kamala Harris lässt sich nicht mit mangelndem Engagement für Arbeitnehmer:innen erklären. Trotz positiver Wirtschaftsdaten wie gesunkener Arbeitslosigkeit und leicht steigender Reallöhne leiden viele Familien unter enormen finanziellen Belastungen: Die Inflation trieb die alltäglichen Ausgaben in die Höhe und Kreditzinsen verdoppelten sich. Die massiv gestiegenen Lebenshaltungskosten waren schließlich wahlentscheidend.
Zwar konnte die Demokratische Regierung mit umfangreichen Hilfsprogrammen zunächst gegensteuern, doch wichtige Unterstützungen wie der steuerliche „Kinderfreibetrag“ oder Zuschüsse zu Lebensmittelausgaben liefen aus. Diese spürbare Verschlechterung der Lebenssituation vieler Familien überschattete die grundsätzlich arbeitnehmer:innenfreundliche Politik von Biden und Harris.
„Dieses Ergebnis ist ein herber Schlag für alle Arbeitnehmer:innen, die darauf angewiesen sind, dass unsere gewählten Entscheidungsträger:innen für unsere Arbeitsplätze, unsere Gewerkschaften und unsere Verträge kämpfen.“
Liz Schuler, Präsidentin des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO
Gewerkschaftliche Organisierung bedroht
Die jüngsten Erfolge bei der gewerkschaftlichen Organisierung – etwa die Gründung von über 500 Betriebsräten bei der Kaffeehauskette Starbucks – sind nun gefährdet.
Trumps erste Amtszeit war von einer gewerkschaftsfeindlichen Politik geprägt: Er schwächte die US-Arbeitsbehörde finanziell und durch die Besetzung mit eindeutig unternehmensfreundlichem Personal, verhinderte Lohnerhöhungen für öffentlich Bedienstete und erleichterte die Umgehung von Arbeitnehmer:innenrechten.
„Project 2025“: Ein Hauch von Reagan und Thatcher
Seine Vertrauten haben nun mit „Project 2025“ konkrete Pläne für weitreichende Einschränkungen von Arbeitnehmer:innenrechten vorgelegt. Diese sehen unter anderem vor:
- Erschwerung der Betriebsratsgründung
- Einführung von durch die Unternehmensleitung kontrollierten „Mitarbeitervertretungen“ als Scheinbetriebsräte
- Abschaffung wichtiger Schutzrechte für Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften im öffentlichen Dienst
- Einschränkung des Anspruchs auf Überstundenzuschläge
Diese Pläne würden die noch immer schwierige Position der US-Arbeitnehmer:innen und Gewerkschaften weiter schwächen.
„Project 2025 verspricht die Zerschlagung der Betriebsräte und Gewerkschaften, denn wir sind eine Säule der Demokratie und eine Kontrolle der Macht. Wir haben schon in der Vergangenheit Angriffe auf unsere Grundrechte erlebt. In den kommenden Tagen, Monaten und Jahren wird es die Aufgabe der Gewerkschaften sein, die arbeitenden Menschen zu verteidigen, wenn dies wieder geschieht.“
Liz Schuler, Präsidentin des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO
Diese Entwicklungen beunruhigen Gewerkschaften weltweit. Während Kolleg:innen in den USA um grundlegende Arbeitnehmer:innenrechte und nicht zuletzt um ihre Arbeitsplätze kämpfen, stehen Gewerkschaften in Europa vor Herausforderungen durch Automatisierung, Digitalisierung und die Organisation der ökologischen Wende. Die Antwort darauf kann nur in sozialem Dialog und verstärkter internationaler Zusammenarbeit liegen.
Internationale Gewerkschaftssolidarität
Der Europäische Gewerkschaftsbund und sein Präsident Wolfgang Katzian bekräftigen ihre Solidarität mit den US-Kolleg:innen: „Egal wer an der Macht ist, der Zusammenschluss in Gewerkschaften ist immer die beste Hoffnung für arbeitende Menschen. Wir werden die Solidarität zwischen den Arbeitnehmer:innen auf beiden Seiten des Atlantiks weiter ausbauen“. Gerade in politisch und wirtschaftlich schwierigen Zeiten ist die gewerkschaftliche Organisierung der beste Weg, Arbeitnehmer:innenrechte zu verteidigen.
Lehren für Österreich und Europa
Die US-Entwicklungen mahnen zur Wachsamkeit: Auch hierzulande versuchen rechtspopulistische Kräfte, Arbeitnehmer:innen mit arbeiterfreundlich klingender Rhetorik zu gewinnen. Wer die Trump-Kampagne analysiert, erkennt eine Strategie, die man auch in Europa beobachten kann. In seinen Reden spricht der Milliardär häufig über Jobs und „den kleinen Mann“. Anschließend wird aber Politik gemacht, die sich an Gewinninteressen von Unternehmen orientiert und die Schwächung von Arbeitnehmer:innenrechten und damit die Senkung der allgemeinen Lebensqualität bewusst in Kauf nimmt.
Die US-Erfahrungen bestätigen, dass kollektive Organisierung und starke Gewerkschaften der beste Schutz für Arbeitnehmer:innenrechte sind. Konsequente Interessenvertretung, starke betriebliche Mitbestimmung und der weitere Ausbau der österreichischen und europäischen Sozialpartnerschaft sind dafür unerlässlich.