Billigkonkurrenz aus dem EU-Ausland setzt die Lohnstruktur der Branche unter Druck. Die Gewerkschaft lehnt einseitige Lohnkürzungen ab.
In die großen Rollen der Druckmaschinen hat sich Sand eingeschlichen. Trotz gültigem Kollektivvertrag für das graphische Gewerbe hört man es knirschen. „Die Arbeitgeber sind mit dem Wunsch an uns herangetreten, den Kollektivvertrag (KV) vorzeitig zu verändern“, erklärt Christian Schuster, der in der GPA-djp zuständige Wirtschaftsbereichssekretär. Gewünscht werden gewaltige Einsparungen um bis zu 15 Prozent – völlig einseitig und zu Lasten der Beschäftigten. Dabei gibt es einen gültigen Kollektivvertrag für das Gewerbe, der bis Ende 2016 nicht einseitig veränderbar ist. Dieser wurde nach dem letzten Arbeitskampf im graphischen Gewerbe 2011/12 zwischen Gewerkschaft und dem freiwilligen Arbeitgeber-Interessenverband Druck & Medientechnik ganz bewusst für den längeren Zeitraum von vier Jahren abgeschlossen.
Doch die Branche hat europaweit Probleme, leidet unter kleiner werdenden Aufträgen und steigendem Kostendruck. Im Speziellen beklagen die Arbeitgeber die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Reformländern und Deutschland. Dort gibt es keinen länderweiten sogenannten Flächentarifvertrag – wie in Österreich – mehr. In Deutschland gelten die Flächenkollektivverträge beispielsweise lediglich für die großen Unternehmen, also für rund 30 Prozent aller ArbeiterInnen der Branche. Für alle anderen DruckerInnen gelten KV‘s auf Betriebsebene, die mit dem jeweiligen Arbeitgeber abgeschlossen sind und in der Regel nicht die Qualität des deutschen Flächen-KV‘s erreichen.
„Ja, wir haben aus Sicht der Beschäftigten einen der besten Kollektivverträge im graphischen Gewerbe in ganz Europa“, gesteht Michael Ritzinger, Betriebsratsvorsitzender der ArbeiterInnen in der Druckerei Mediaprint in Wien-Inzersdorf und Vorsitzender des Wirtschaftsbereiches Druck, Kommunikation, Papierverarbeitung in der GPA-djp, ein. Die Nachteile von Betriebs-KV‘s liegen für ihn klar auf der Hand: „Je weniger ArbeitnehmerInnen ich vertrete, desto weniger Gewicht kann ich in Verhandlungen einbringen. Betriebskollektivverträge erreichen daher selten das Niveau eines Flächen-KV‘s, wie man am Beispiel Deutschland sehr deutlich sieht.“ Es werde immer einen teuersten KV aus Sicht der Arbeitgeber geben, das Ziel müsste aber sein, die Arbeitsbedingungen in anderen Ländern an die Qualität des österreichischen KV‘s heranzuführen. Gewisse Spielräume für Veränderungen sind natürlich gegeben, doch „einseitige Verschlechterungen der Arbeits- und Entgeltbedingungen für die Beschäftigten“ lehnt er ab.
Arbeiten unter ständigem Druck
Die Druckerbranche ist eine der ältesten Branchen in Österreich, Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretungen gibt es schon seit 1842. Über viele Jahrzehnte hinweg haben sich die Kollektivverträge weiterentwickelt und an die harten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten angepasst. Viele Zulagen sind historisch gewachsen, basieren aber auch heute noch auf dem ständigen Druck, dem die Beschäftigten während ihrer Arbeit ausgesetzt sind: Die Bedienung der Druckmaschinen, die einen Wert von mehreren Millionen Euro haben, wird immer komplexer und die Verantwortung der Beschäftigten für die Maschine und für die Druckprodukte steigt ständig. Der Andruck bei den Tageszeitungen geschieht immer später, weil seitens der Zeitungsredaktionen auf aktuelle Ereignisse Rücksicht und auf letzte Ergebnisse gewartet wird. Sind alle Informationen da, muss sehr rasch gearbeitet werden, damit die Zeitungen zeitgerecht im Verkauf sind. „Dieser Druck macht die Arbeit sehr stressig und schwierig, Fehler dürfen eigentlich gar keine passieren“, so Ritzinger. Dabei sei man in den Druckereien derzeit ohnehin schon am personellen Limit angelangt. „Immer wieder wird Personal eingespart, ohne dass sich die Aufgabenbereiche der MitarbeiterInnen reduzieren – viele laufen die längste Zeit an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.“ Auch der Alltag eines Schichtbetriebes zehrt an den Kräften.
Wettbewerbsfähigkeit als Feigenblatt
Nun will die Arbeitgeberseite frühzeitig gewaltige Einsparungen zu Lasten der Beschäftigten heraufbeschwören. Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen dient als Feigenblatt für gewünschte Einschnitte ins Rahmenrecht und in die Entlohnung.
Es geht wieder einmal um die Nachtzuschläge der DruckerInnen und um die Zuschläge für Sonntagsarbeit. Auch jene zwei freien Tage, auf die DruckerInnen bei Tageszeitungen als Ausgleich für die an Sonn- und Feiertagen zu leistende Produktionsarbeit Anspruch haben, sind den Arbeitgebern ein Dorn im Auge. Die wöchentliche Arbeitszeit soll in allen Arbeitsbereichen von 37 auf 38,5 Stunden angehoben werden.
Ritzinger sucht lieber nach neuen Zukunftsperspektiven für Arbeitgeber und ArbeitnehmerInnen auf „gleicher Augenhöhe“. „Wir haben nichts gegen Veränderungen solange sie beide Seiten bedienen. Ein Wegfall von Zuschlägen könnte zum Beispiel mit der teilweisen Einrechnung in den Grundlohn kompensiert werden. Die Gewerkschaft hat noch andere Ideen zur Modernisierung des Kollektivvertrages im graphischen Gewerbe: Altersgerechtes Arbeiten in Verbindung mit einer Reduktion der Arbeitszeit brächte eine Entlastung für ältere MitarbeiterInnen. Zukunftsorientiert wären auch die Vier-Tage Woche oder die Freizeitoption, die in anderen Branchen zu höherer Produktivität und großer Zufriedenheit bei den Beschäftigten geführt hat. Auch die Einführung einer Branchenstiftung wäre durchaus sinnvoll.
Gewerkschaftsintern werden zurzeit in den bereits installierten Arbeitsgruppen „Sonderbestimmung Tageszeitung“ und „Rollenoffset“ mit den BetriebsrätInnen Modelle für einen veränderten, zukunftsorientierten Kollektivvertrag ab 2017 entwickelt.
„Wir sind in sozialpartnerschaftlicher Manier immer zu Gesprächen bereit“, stellt Schuster von Gewerkschaftsseite her klar. „Unser Anspruch ist es, innovative, nachhaltige und durchdachte Lösungen für die rund 9.200 Beschäftigten und die Branche zu finden. Pauschale Einsparungen durch eine Erhöhung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, durch das Streichen diverser Zulagen und Zuschläge oder durch eine schlichte Absenkung der Löhne- und Gehälter, so wie sich das die Arbeitgeberseite wünscht, wäre ein Diktat und keine Lösung“, so Schuster.