Seit 2011 gibt es ein Werkzeug für mehr Transparenz. Einige BetriebsrätInnen haben dies bereits zum Vorteil für die Beschäftigten genutzt.
Der Gender Pay Gap beträgt in Österreich 24 Prozent. Anders ausgedrückt: Alle Frauen gemeinsam verdienen um nahezu ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Das erklärt sich laut Statistik Austria nicht nur durch die bei Frauen beliebte Teilzeitarbeit. Denn werden Faktoren wie Branche, Beruf, Ausbildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Voll- oder Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags, Region und Unternehmensgröße berücksichtigt, beträgt der Lohnunterschied zwischen den Geschlechtern immer noch knapp 15 Prozent.
Die Schere zwischen Männer- und Fraueneinkommen geht nach wie vor weit auf. Ein Instrument dagegen ist auf Gesetzgeberseite vorhanden. 2011 brachte eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes die verpflichtende Erstellung von Einkommensberichten. „Das ist ein gutes Instrument“, betont GPA-djp-Frauensekretärin Kasia Eljasik, „welches in den Betrieben gut genutzt werden kann.“
Gestaltungspielraum für Betriebe
Formale Vorgaben hat der Gesetzgeber keine gemacht, also haben die Unternehmen hier Gestaltungsspielraum – die einen legen ein Blatt mit Zahlen vor, andere umfassend gestaltete Reporte. Zu erstellen ist der Einkommensbericht jedenfalls alle zwei Jahre für Unternehmen mit mindestens 150 MitarbeiterInnen. Abzulesen sein soll das durchschnittliche Einkommen von Frauen und Männern in den verschiedenen Verwendungsgruppen und Verwendungsgruppenjahren. MitarbeiterInnen werden darin allerdings weder namentlich angeführt noch wird das individuelle Gehalt angegeben.
Jürgen Handlbauer, betreuender Regionalsekretär für die Bereiche Druck, papierverarbeitende Industrie und Journalismus in der GPA-djp Oberösterreich, weiß aus der Praxis, wie effektiv dieses Tool sein kann. „In einer Druckerei in Oberösterreich hat sich die Belegschaftsvertretung mit Unterstützung der GPA-djp den Einkommensbericht ganz genau angesehen. Dabei fiel eine gläserne Decke für Frauen im ungelernten Bereich auf. In der Folge kontrollierte der Betriebsrat für jede einzelne Kollegin, ob die kollektivvertragliche Einstufung auch mit der überwiegend ausgeübten Tätigkeit im Betrieb zusammenpasst. Dass das sehr viel Arbeit für den Betriebsrat war, ist mir bewusst“, räumt Handlbauer ein. „Aber das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.“ Auf jeden Fall: Denn von 110 Arbeiterinnen in der Druckerei wurden 30 schließlich höher eingestuft und erhalten nun für ihre Arbeit mehr Lohn. „Zudem wird im Betrieb jetzt viel genauer auf die richtige Einstufung geachtet. Das zeigt, dass Einkommensberichte ein Meilenstein auf dem Weg zur Einkommensgerechtigkeit sind“, betont Handlbauer.
Beispiel BAWAG/PSK
Positives hat auch die Betriebsratsvorsitzende der BAWAG/PSK, Ingrid Streibel-Zarfl, zu berichten. Sie vertritt rund 2.200 MitarbeiterInnen, davon 54 Prozent Frauen, wobei diese 44 Prozent der Vollzeitstellen, aber 90 Prozent der Teilzeitposten besetzen. Bei der BAWAG/PSK wurde der Einkommensbericht gemeinsam von Geschäftsführung und Belegschaftsvertretung entwickelt. 2011 wurde der erste Bericht – für das Jahr 2010 – erstellt und rasch war klar: „Auch bei uns geht die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen auseinander.“
Die Bank hat daraus Konsequenzen gezogen: Ein Gleichstellungsplan wurde aufgestellt, der einerseits das Schließen des Gender Gaps zum Ziel hat, aber auch den verstärkten Einsatz von Frauen als Führungskräfte und Expertinnen. Noch gebe es aber leider zu wenige Frauen in Führungspositionen, bedauert Streibel-Zarfl. Die Einkommensschere will man etwa durch eine gerechtere Aufteilung der Bonusbudgets schließen. Hier wurde bisher mehrheitlich an Männer ausgeschüttet – das hat man nun besser im Blick. Im Rahmen einer Fraueninitiative wurde zudem ein Frauen-Mentoring-Programm entwickelt. „Wir sprechen damit nicht nur junge Frauen an, sondern auch Mitarbeiterinnen, die bereits 20, 25 Jahre im Unternehmen sind.“
Frauen, so die Erfahrung Streibel-Zarfls, werden nämlich nicht selten zu niedrig eingestuft – sie kommen auch oft wesentlich langsamer voran als ihre männlichen Kollegen. Eingehakt hat die BAWAG/PSK hier auch beim Thema Babypause und Rückkehr in den Beruf: Es gibt regelmäßig Veranstaltungen sowohl für werdende Eltern als auch für KarenzrückkehrerInnen. „Die Bank hat zudem nun erstmals die Möglichkeit geschaffen, auch während der Karenz geringfügig beschäftigt zu sein. So können die Betroffenen einmal im Monat in den Betrieb kommen, um zu schauen, was sich tut.“ Damit werde die Babypause nicht zur Karrierebremse.
Für Eljasik zeigen diese Beispiele, dass in Betrieben einige positive Veränderungen passieren. „Wenn man sich einmal mit dem Einkommensbericht näher beschäftigt hat, dann erkennt man rasch die Systematik dahinter.“ Ihr Tipp: Nicht zu versuchen, alles auf einmal zu analysieren, sondern sich auf die auffälligsten Punkte konzentrieren und diesen nachgehen. „Im Zentrum steht Gerechtigkeit. Gleichwertige Tätigkeiten sollen gleich entlohnt werden. Der Einkommensbericht ist ein wichtiger Schritt dazu: Er macht transparent, was Frauen und Männer verdienen und ist ein geeignetes Instrument für mehr Durchblick und Fairness im Betrieb.“
Nachfragen ist wichtig
Hinter all den Zahlen stehen Menschen, betont Eljasik. Wenn einem Betriebsrat/einer Betriebsrätin auffalle, dass in einer Verwendungsgruppe besonders viele Frauen seien, könne man sich ansehen, warum das so sei. Gebe es besonders viele Frauen, die Teilzeit arbeiten, lautet die Frage: „Wie lange arbeiten sie schon Teilzeit? Und: Ist das gewollt oder ungewollt?“ Eljasik erklärt: „Eine fairere Entlohnung kommt allen zugute. Denn es gehe ja um Ehefrauen, Partnerinnen, Töchter.“ Verdienen Frauen mehr, steigt das Familieneinkommen. Das betrifft dann auch die Männer.
Für die GPA-djp-Bundesfrauenvorsitzende Ilse Fetik fehlen Sanktionsmöglichkeiten, wenn Betriebe entweder keinen Bericht erstellen oder daraus keine Maßnahmen ableiten. Sie appelliert an Betriebsrätinnen und Betriebsräte, hier eine Priorität in der Vertretungsarbeit zu setzen. Dass Einkommenstransparenz wichtig ist, macht auch Fetik klar: Das Einkommen sei nicht nur für das aktuelle Auskommen wichtig. „Das Einkommen ist Basis für die Berechnung der Höhe des Arbeitsloseneinkommens“, gibt sie zu bedenken. „Und das Einkommen ist die Basis für die Berechnung der Höhe der Pension.“ Private Pensionsvorsorge könnten sich nur jene leisten, die genug verdienen. Und das seien dann eher vollzeitbeschäftigte Männer. Vom Anspruch gleicher Lohn für gleiche Arbeit sei man jedenfalls noch „viel zu weit entfernt“.
Sandra Steiner ist Betriebsratsvorsitzende des IT-Betriebs ATOS IT Solutions and Services (AIS). ATOS ist ein internationaler Konzern mit Hauptsitz in Frankreich mit weltweit an die 100.000 Beschäftigten, rund 1.300 davon arbeiten in Österreich. Die Besonderheit: Ein Teil der Belegschaft in der AIS fällt unter den IT-Kollektivvertrag (ohne jährliche Ist-Erhöhung), der größere Teil unter den Elektro-Kollektivvertrag (mit jährlicher Ist-Erhöhung). Schon daraus ergeben sich Einkommensdiskrepanzen.
Männer rücken schneller vor
Was beim ersten vom Unternehmen vorgelegten Einkommensbericht aber zusätzlich augenfällig wurde: Auf den ersten Blick verdienen Frauen in manchen Verwendungsgruppen mehr als Männer. Allerdings muss man hier auch die Verweildauer in einer solchen Gruppe berücksichtigen. Da zeigt sich, dass Männer zwei bis vier Jahre in einer Verwendungsgruppe bleiben, Frauen dagegen schon 15 oder 20 Jahre so eingestuft sind. Steiner wünscht sich daher eine wesentlich differenziertere Darstellung. Und auch ihr fehlen die Sanktionsmöglichkeiten. Sie bedauert, dass ATOS und die anderen internationalen Konzerne zu wenig Engagement zeigen. Börsenorientierte Unternehmen in Österreich hätten hier dagegen eine öffentliche Präsenz – da sei man entsprechend engagierter. „Es gibt in diesem Bereich dann zum Beispiel auch Auszeichnungen.“
Ein Unternehmen mit hoher öffentlicher Präsenz ist der ORF, wo Frauenförderung seit einigen Jahren groß diskutiert wird. Christiana Jankovics ist Betriebsratsvorsitzende im Bereich Fernsehprogramm. „Im ORF wurde bereits im Jahr 2003 begonnen, einen Gleichstellungsplan vorzulegen. Wirklich Biss bekommen hat das Ganze allerdings erst mit der Novellierung des ORF-Gesetzes“, erzählt Jankovics. „Heute lässt sich sagen, dass wir über sehr gute Instrumente verfügen, die auch besser sind als die Einkommensberichte, die das Gesetz vorschreibt. Bis es so weit war, mussten wir allerdings eine jahrelange Auseinandersetzung führen und eine Reihe von Problemen und Hürden überwinden. Wir haben sogar Beschwerde vor der Gleichbehandlungskommission des Bundes geführt. Die Gleichstellungspläne schreiben die Gleichstellungsbeauftragten in Abstimmung mit der Gleichstellungskommission im ORF, das Gesetz und die Betriebsvereinbarung geben die Richtlinien dafür vor. Anders als die Einkommensberichte in anderen Unternehmen wird der Gleichstellungsplan bei uns auch auf orf.in, dem Intranet des Medienunternehmens, veröffentlicht, sodass alle MitarbeiterInnen Zugang zu dem Dokument haben. Das schafft Bewusstsein“, ist Jankovics überzeugt. Für die Bemühungen um mehr Geschlechtergerechtigkeit wurde der ORF von EIGE (European Institute für Gender Equality) als Best Practice ausgezeichnet. Der Gender Pay Gap liegt bei knapp 14 Prozent.
Nach massivem Lobbying der Frauen im ORF ist es auch gelungen, eine Frauenquote von 45 Prozent für Verwendungs-, Entlohnungs- und Funktionsgruppen im ORF-Gesetz festzuschreiben. Der Anteil von Frauen im Gesamtunternehmen liegt derzeit bei rund 43 Prozent, in einzelnen Abteilungen seien Frauen aber nach wie vor unterrepräsentiert. Das habe aber nicht immer mit dem Unwillen des Unternehmens zu tun, gibt die Betriebsrätin zu bedenken. So bewerben sich in der Technik nur wenige Frauen. „Man bemüht sich aber um Lösungsansätze: Es gibt einen Töchtertag, wir kooperieren mit Fachhochschulen und versuchen zu vermitteln: mehr Frauen in die Technik.“
Pay Gap hat viele Ursachen
Beim Thema Entlohnung hat sich gezeigt, dass das Gefälle zwischen Männer- und Frauengehältern eine Reihe von Ursachen hat: unterschiedliche Verträge, unterschiedliche Voraussetzungen für Zulagen und unterschiedliche Verweilzeiten in derselben Verwendung, zu wenig Frauen in Führungspositionen etc. Auch die Überstunden spielen für manche Bereiche eine gewisse Rolle. In der Technik ergeben sich zum Beispiel bei den Nachrichtenformaten Neun-Stunden-Dienste, da ist die neunte Stunde eine quasi verordnete Überstunde. In der Administration, wo mehr Frauen arbeiten, gibt es weniger Überstunden. „In all diesen Bereichen suchen wir nach Lösungen.“ Mentoring-Programme haben inzwischen vielen Frauen vor Augen geführt, „dass es in ihrem Interesse ist, sich für Gleichstellung zu interessieren, dass sie eben nicht alles hinzunehmen haben“.
Fazit von Eljasik: Einkommensberichte können nicht alles lösen, aber sie sind ein wichtiges Werkzeug, um einen weiteren Schritt in Richtung Einkommensgerechtigkeit zu machen. Sie appelliert daher an alle BetriebsrätInnen, die Einkommensberichte zu nutzen. „Nur so können wir gemeinsam die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz erreichen.“