Perspektiven für Arbeitslose und Region

Illustration Peter M. Hoffmann
Illustration Peter M. Hoffmann

Kürzungen der öffentlichen Hand bedrohen Sozialbetriebe genauso wie die Versorgung speziell in ländlichen Gebieten.

Dass die Menschen als KonsumentInnen ihr Geld ausgeben, ist in erster Linie positiv besetzt. Dass der Staat Geld ausgibt, scheint zunehmend negativ besetzt. So haben derzeit Projekte für (Langzeit-)Arbeitslose mit Kürzungen öffentlicher Subventionen zu kämpfen.

In Osttirol hieß es Anfang des Jahres, dass „s’Gwandtl“ in Lienz nicht mehr gefördert wird und vom Aus bedroht ist. Es folgten etliche Berichte in Tiroler Medien, im Geschäftslokal am Europaplatz bei der Lienzer Fußgängerzone wurden Unterschriftenlisten aufgelegt. „Ich bin von vielen Menschen angesprochen worden, was wir tun können, damit s’Gwandtl erhalten bleibt“, sagt Geschäftsführerin Rita Feldner. Betrieben vom Verein für soziale Osttiroler Frauenprojekte für Arbeitssuchende (SOFA) gehörten bisher zum „s’Gwandtl“ eine Änderungsschneiderei, ein Second-Hand-Shop und ein Naturladen; außerdem wird in Zusammenarbeit mit den Gemeinden in ganz Osttirol die Altkleidersammlung durchgeführt.

Regionale Bedeutung

Aufgrund der regionalen Bedeutung des Sozialunternehmens konnte eine Schließung verhindert werden. Trotzdem muss die Schneiderei Ende des Jahres zusperren. Schade vor allem für die langzeitarbeitslosen Frauen, die bisher via den sogenannten „zweiten (geförderten) Arbeitsmarkt“ die Chance erhielten, wieder in den „ersten Arbeitsmarkt“ und ins Berufsleben einzusteigen. „s’Gwandtl“ erhält nur noch die Hälfte der bisherigen Förderung durch das Arbeitsmarktservice (AMS) Tirol. Das gesamte Team habe mitgeholfen, dass der Betrieb fortgeführt werden kann. Alle seien zu freiwilligen Stundenreduktionen bereit gewesen, berichtet Rita Feldner. Von den bis dato 13 befristeten Arbeitsplätzen bleiben im nächsten Jahr sieben übrig.

Durch eine noch deutlichere personelle Abspeckung besteht vorerst auch „Schindel & Holz“ des Lienzer Vereins zur Förderung und Durchführung von Osttiroler Sozialprojekten für Arbeitssuchende (OSPA) weiter. Dank Firmen-Kooperation und durch Umstrukturierung ebenfalls bei der Arbeitszeit versucht man bei dem Tischler- und Entsorgungsbetrieb, möglichst viele MitarbeiterInnen zu halten. Dennoch: „Der Jahreswechsel bringt für ein Drittel unserer Transitbeschäftigten, die wir eigentlich auf einen Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereiten, die Arbeitslosigkeit“, so der enttäuschte Geschäftsführer, René Ladstätter. „Den betroffenen Langzeitarbeitslosen wird von oben Unterstützung versagt.“

Geschlossen trotz Erfolg

Bereits geschlossen wurde diesen Sommer das Restaurant-Café „Zur Brücke“ im oberösterreichischen Vöcklabruck – trotz Unterschriftenliste und trotz des Einsatzes regionaler Politiker von ÖVP, SPÖ und Grünen. Das sozialökonomische Beschäftigungsprojekt erwirtschaftete die Hälfte der Kosten im Lokal selbst, den Rest finanzierten AMS und Land Oberösterreich. In den vergangenen 21 Jahren haben knapp 700 Langzeitarbeitslose dort eine Beschäftigung unter professioneller Aufsicht gefunden. Ihnen bot die Brücke laut Geschäftsführer Hans Brandstätter, selbst Koch von Beruf, „Chancen zur Stabilisierung, Qualifizierung und persönlichen Stärkung“.

Durch Subventionskürzungen beinah komplett abgedreht worden wäre vor zwölf Jahren das „Ho & Ruck“ in der Tiroler Hauptstadt. Es existiert seit 1984 als Gebrauchtmöbelmarkt und ist in Innsbruck und Umgebung eine Institution. Bei einer Schließung des Projekts für (langzeit-)arbeitslose Personen wären Sozialhilfeausgaben von mehr als einer halben Million Euro angefallen; auf Innsbruck wären nach Angaben von „Ho & Ruck“-Geschäftsführer Wilfried Hanser 360.000 Euro an zusätzlichen Sperrmüll­entsorgungs- und Deponiekosten zugekommen.

Bereits ab Mitte Dezember 2018 werden in Niederösterreich mehr als 30 „soogut“-Sozialmarkt-Haltestellen nicht mehr angefahren. Das betrifft insbesondere das Waldviertel, ebenso strukturschwach wie Osttirol, das Mostviertel und den Klosterneuburger Markt. Die Förderung, die der Träger der „soogut“-Sozialmärkte (SAM NÖ) bis heuer vom AMS erhielt, wird nämlich gestrichen. Nicht nur fallen so Transitarbeitsplätze für jährlich rund 100 Personen weg. Auch die Versorgung für 20.000 Menschen (40 Prozent davon Kinder) in finanziellen Notlagen ist in Zukunft fragwürdig. Die Sozialmärkte verwerten 1,700.000 kg Lebensmittel, die Handelsketten und Produzenten entsorgen weiter und hoffen jetzt auf Spenden.

Taste the waste

Im Burgenland feierte die „Pannonische Tafel“ 2018 ihren zehnten Geburtstag. Der unabhängige Verein überlebt jedoch nur von einem Monat zum nächsten, wie Gründerin Andrea Roschek bestätigt. Die Einrichtung hilft, ähnlich wie andere klassische Sozialbetriebe, auf mehreren Ebenen: Einerseits Obdachlosen, Kranken, Frauen oder Kindern, andererseits Unternehmen und letztlich der Umwelt. Roschek und ihre Mitarbeiter klappern täglich Supermärkte, Gemüse- oder Getränkehändler und Weinbauern ab und geben aussortierte Lebensmittel an Bedürftige ab. Das Motto ist „taste the waste“, frei übersetzt „Lass’ dir den Müll schmecken“. Ehrenamtlich sind rund 50 MitarbeiterInnen, alle aus dem Kundenstock, im Einsatz. Sie helfen bei Amtswegen, wenn’s in der Schule hapert oder manchmal sogar mit kleinen Geldbeträgen, wenn eine zuständige Bezirkshauptmannschaft einer Alleinerzieherin die Mindestsicherung gestrichen hat – aus Versehen. „Viele sehen uns wie eine Familie“, berichtet Andrea Roschek. An den Standorten in Eisenstadt und Oberpullendorf sind nicht ganz 6.000 KundInnen aus der Umgebung mittels VIP-Card registriert; das entspricht der durchschnittlichen Einwohnerzahl einer Bezirkshauptstadt im Burgenland. „Die Angst unter denen, die zu uns kommen, steigt.“ Angst etwa vor einer Kürzung der Mindestsicherung, dass man sich den Einkauf für den Alltagsbedarf nicht mehr leisten kann oder den Zirkel für das eigene Schulkind.

Das Sozialprojekt erhält nach wie vor keine Basisförderung. Möglicherweise gibt es 2019 Geld vom Land. Der Landeshauptmann in spe, SPÖ-Landesrat Hans Peter Doskozil ist von sich aus auf die „Pannonische Tafel“ zugekommen und hat eine Finanzspritze der öffentlichen Hand in Aussicht gestellt. Unterstützung gibt es auch von den Grünen wie von Landeschefin Regina Petrik. Ansonsten ist die „Familie“ der „Pannonischen Tafel“ auf Spenden und Benefizaktionen angewiesen.

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