Der Presserat verteilt öffentliche Rügen an Medien, die ethische Grundregeln in der Berichterstattung verletzen.
2002 stellte der Österreichische Presserat seine Tätigkeit ein, nachdem ein Konflikt mit der Kronen Zeitung eskaliert war. Außerdem wurden die Differenzen zwischen dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und dem ÖGB unüberbrückbar. Der VÖZ stieß sich vor allem an der sozialpartnerschaftlichen Organisation, die der Gewerkschaft in dem Gremium eine so wichtige Rolle einräumte.
2010 wurde der Presserat wieder gegründet – und, betont dessen Präsidentin Astrid Zimmermann im Gespräch mit der KOMPETENZ, „steht heute auch rechtlich korrekt da“. Der Presserat ist heute eine als Verein organisierte Selbstregulierungseinrichtung, dessen Träger die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs sind.
In den Presserat-losen Jahren dazwischen wurde Mediengeschichte im negativen Sinn geschrieben. In diese Zeit fiel sowohl der Fall Fritzl in Amstetten als auch das Auftauchen der entführten Natascha Kampusch. „Hier wurden von vielen Medien alle ethischen Regeln missachtet. Und es war kaum jemand da, der das laut gesagt hat, außer dem Presseclub Concordia oder einzelnen Medienanwälten“, bedauert Zimmermann.
Kein zahnloses Mittel
Die Journalistengewerkschaft war eine der treibenden Kräfte dabei, dass wieder ein Presserat eingesetzt wird. „Manche sagen zwar, es sei ein zahnloses Mittel“, so Zimmermann, „aber es ist ein öffentlicher Schandpfahl“. Und offenbar ist es nicht sehr angenehm, an diesem zu stehen. War es früher die Kronen Zeitung, die den Presserat öfters klagte, so ist es heute Österreich, und zwar, wie die Präsidentin erklärt, „wegen unlauteren Wettbewerbs“. Es sei eben doch unangenehm, hier öffentlich gerügt zu werden.
Eine Beschwerde an den Presserat kann von jeder LeserIn, aber auch von sonstigen Betroffenen eingebracht werden. Allerdings, und das räumt auch Zimmermann ein, gibt es einen Wermutstropfen: wer den Presserat anruft, verzichtet gleichzeitig auf den Gang vor Gericht. Die Entscheidung, ob ein veröffentlichter Artikel unethisch ist, wird dann jeweils in einem Senat getroffen, der aus JournalistInnen unter dem Vorsitz einer/ JuristIn besteht.
Ethische Verstöße
Die Fallstatistik für das Jahr 2013 zeichnet bei den Beanstandungen ein klares Bild. Insgesamt wurde der Presserat 155 Mal angerufen – in 16 Fällen wurde ein Verstoß geortet, vier Mal eine Lösung im Ombudsverfahren erreicht und elf Verfahren sind noch nicht abgeschlossen. Ethische Verstöße sah der Presserat in acht Beiträgen der Kronen Zeitung, sechs Artikeln in Österreich, einem Echo-Text und einem News-Beitrag.
In der Kronen Zeitung ist es vor allem die Kolumne „Post von Jeannée“, mit der sich der Presserat immer wieder zu befassen hat. Im Jänner dieses Jahres hatte der Autor darin vier einer Straftat verdächtige junge Männer als „elendes, niederträchtiges Pack“ und „Dreckskerle“ bezeichnet. Aus Sicht des Presserats, der hier selbst das Verfahren einleitete, wurde dabei gegen das Prinzip der Unschuldsvermutung verstoßen.
Österreich wiederum geriet im Herbst 2013 durch abgedruckte direkte Zitate des Kapitäns des österreichischen Fußball-Nationalteams, Christian Fuchs, sowie von Teamchef Marcel Koller in die Negativschlagzeilen. Wie sich herausstellte, haben diese Gespräche niemals stattgefunden, auch das ist ein Verstoß gegen den Ehrenkodex des Presserats.
Online-Medien im Blick
Hat sich durch die Wiedereinrichtung des Gremiums in der Qualität der Berichterstattung generell etwas verbessert? „Um ganz ehrlich zu sein, für mich ist es schon ein Erfolg, dass es sich nicht weiter verschlechtert hat“, sagt Zimmermann. Sie freut sich, dass nun auch der Regionalmedienverband mit an Bord des Presserats ist. Ein Fortschritt sei zudem, dass die Online-Medien, die zu den Verlagsmedien gehören, nun vom Presserat mitkontrolliert werden.
Die Online-Welt hat aus Sicht der Presserats-Präsidentin insgesamt jede Menge Tücken. Nicht zuletzt die sozialen Netzwerke wie Facebook haben zu dem Trend geführt, dass zunehmend Privates veröffentlicht wird. „Die Individualisierung ist eine Begleiterscheinung des Neoliberalismus und hat zu einer starken Personalisierung geführt. Die Grenzen zwischen öffentlich und privat sind sehr fließend geworden.“
Persönliche Details vermeiden
Voyeurismus und Gossip seien heute tragende Säulen der Boulevardmedien. „Wenn ich ganz hart bin, muss ich aber sagen: Die Pressefreiheit ist erkämpft worden, damit kritisch gegen Mächtige in Politik und Wirtschaft berichtet werden kann.“ Beispiel Suizid, zuletzt der eines jungen Mannes, der eine Explosion in einem Wiener Wohnhaus auslöste, wodurch ein Teil des Daches in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dieser Selbstmord habe zwar sicher Nachrichtenwert gehabt, immerhin sei der Schaden am Haus sichtbar gewesen. Über den Toten auch persönliche Details zu berichten, das sei aber nicht nötig.
Grundsätzlich sollten Berichte über Suizide vermieden werden, denn man wisse, dass das Nachahmungstäter anstachle. „Was ist der Infowert einer Selbsttötung?“, fragt Zimmermann. „Brauche ich das, um als Bürger Entscheidungen treffen zu können? Hier wird ein Voyeurismus bedient. Das sind Geschäftsmodelle, die mit Pressefreiheit nichts zu tun haben.“
Der Presserat hat übrigens erst vergangenes Jahr in seinen Ehrenkodex einen Punkt aufgenommen, wonach bei der Berichterstattung über Suizide besondere Sorgsamkeit zum Tragen kommen muss, eben um nachahmende Selbsttötungen zu vermeiden. Und dass es im Zug detaillierter Berichterstattungen zu solchen komme, das sei empirisch belegt, betont Zimmermann.