Erfolg für die Rechtsabteilung in OÖ: Die Beschäftigten der OÖ Nachrichten bekommen bei Teilnahme an Betriebsversammlungen während der Arbeitszeit dafür auch weiterhin Entgelt.
Im Druckzentrum der OÖ Nachrichten in Pasching arbeiten zirka 90 Personen in einem Dreischichtbetrieb. Für diese Beschäftigten war es aufgrund der betrieblichen Verhältnisse seit Jahren möglich, während der Arbeitszeit an Betriebsversammlungen teilzunehmen. Ihr Entgelt wurde ihnen in diesem Fall immer fortgezahlt. Als jedoch der Betriebsratsvorsitzende Günther Schalek eine Betriebsgruppenversammlung in Form von zwei Teilversammlungen, aufgeteilt auf zwei Tage, durchführte, um möglichst vielen ArbeiterInnen die Teilnahme trotz Schichtbetriebs zu ermöglichen, weigerte sich die Geschäftsleitung plötzlich, den Beschäftigten für diese Zeit ihren Lohn auszuzahlen.
Man warf Günther Schalek vor, die TeilnehmerInnen für die beiden Versammlungen nicht korrekt abgegrenzt zu haben. Weiters hätte er bei der Terminwahl keine Rücksicht auf Arbeitgeberinteressen genommen. Insbesondere der zweite Termin, ein Abendtermin, sei so gewählt worden, dass dem Unternehmen ein Schaden entstehen sollte, weil die gewählte Tageszeit die „heiße Phase“ für die Auslieferung der Tageszeitung gewesen sei. Zirka 4.500 ZeitungsabonnentInnen hätten in der Folge nur wesentlich verspätet, rund 600 AbonnentInnen überhaupt erst einen Tag später beliefert werden können. Dadurch hätte nicht nur das Image der Firma gelitten, sondern es sei auch ein finanzieller Schaden wegen zusätzlicher Lieferkosten entstanden. Dies alles sei, so die Unternehmensleitung, eine „unzulässige Kampfmaßnahme“ seitens der Interessenvertretung gewesen, um Druck für die Kollektivvertragsverhandlungen aufzubauen.
Betriebsversammlungen sind ein zentrales Recht der Beschäftigten.
„Diese Vorwürfe sind völlig aus der Luft gegriffen“, empört sich Günther Schalek. „Wir haben bei der Wahl der Termine besonders darauf geachtet, möglichst vielen Beschäftigten eine Teilnahme in ihrer Freischicht zu ermöglichen, und selbstverständlich haben wir auch auf betriebliche Erfordernisse Rücksicht genommen. Unterstrichen wird das dadurch, dass der Beginn der zweiten Versammlung extra um eine Viertelstunde nach hinten verschoben wurde, um die Produktion möglichst wenig zu beeinträchtigen.“
Nachdem es trotz Gesprächen und Verhandlungen mit der Geschäftsführung zu keinem Einlenken kam, blieb dem Betriebsratsvorsitzenden keine andere Möglichkeit, als die ausständigen Zahlungen für 44 MitarbeiterInnen mithilfe der Rechtsabteilung der GPA-djp OÖ einzuklagen. „Es besteht eine langjährige betriebliche Übung für die Entgeltfortzahlung bei Betriebsversammlungen und es spielt keine Rolle, ob es sich dabei um Teilgruppenversammlungen handelt oder nicht“, so Dr. Michael Dorrer, Rechtsschutzsekretär der GPA-djp OÖ.
Der Oberste Gerichtshof sah das genauso. Er gab Gewerkschaft und Betriebsrat Recht und entschied, dass der Lohnabzug für die Zeit der Teilbetriebsversammlungen unrechtmäßig erfolgt war. Die betroffenen ArbeitnehmerInnen bekommen die Entgeltdifferenzen daher nachbezahlt. „Ich freue mich sehr, dass unsere MitarbeiterInnen nun bekommen, was ihnen zusteht. Bei uns zeigt sich ganz klar, wie wichtig es ist, eine Gewerkschaft an der Seite zu haben und notfalls vor Gericht für die Rechte der ArbeitnehmerInnen zu kämpfen. Je mehr Mitglieder die GPA-djp in einem Betrieb hat, umso stärker sind wir als Interessenvertretung“, ist Schalek erfreut über diesen Erfolg.
Rechtsexpertin Andrea Komar
ArbeitnehmerInnen haben zwar grundsätzlich Anspruch auf Arbeitsfreistellung zwecks Teilnahme an einer Betriebsversammlung, aber nicht automatisch auch Anspruch auf Entgeltfortzahlung während dieser Freistellung. Die GPA-djp OÖ konnte nun in einem Druckzentrum ein richtungsweisendes OGH-Urteil erwirken.
Aber was genau ist „Betriebsübung“ eigentlich?
Arbeitsrechtliche Ansprüche entstehen nicht bloß durch ausdrückliche Vereinbarung, sie können aufgrund einer langen betrieblichen Praxis auch schlüssig Vertragsinhalt werden. Zahlt der Arbeitgeber das Entgelt im Fall der Teilnahme an einer Betriebsversammlung regelmäßig und vorbehaltlos weiter, dürfen die ArbeitnehmerInnen darauf vertrauen, dass er das auch in Zukunft tun wird. Sie erwerben den Entgeltanspruch schlüssig. Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung ist also entscheidend, welchen Eindruck die ArbeitnehmerInnen bei sorgfältiger objektiver Überlegung von dem schlüssigen Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durften.
Daran ändert ganz grundsätzlich auch die Ansicht des Arbeitgebers, eine bestimmte (Teil-)Betriebsversammlung wäre ihm während der Arbeitszeit nicht zumutbar, nichts.