Porträt: Wie arbeitet es sich mit 50 plus?

V. l. n. r.: Bernhard Kleemann, Elisabeth Althoff, Rupert Schober und Stefan Burger beschäftigten sich im Rahmen einer Themenplattform mit der Arbeitssituation von Menschen über 50. Foto: Nurtith Wagner-Strauss
V. l. n. r.: Bernhard Kleemann, Elisabeth Althoff, Rupert Schober und Stefan Burger beschäftigten sich im Rahmen einer Themenplattform mit der Arbeitssituation von Menschen über 50. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Die Themenplattform „Mit 50 plus in der Arbeitswelt“ will ein differenziertes Bild der Über-50Jährigen schaffen und auf die Bedürfnisse dieser ArbeitnehmerInnen-Gruppe hinweisen.

Der Bauarbeiter, der von seiner Jugend an im Freien schwere körperliche Arbeit verrichtet, ist im Alter von 40, 45 Jahren oft schon körperlich ausgebrannt und kann diesen Job nicht mehr ausüben. Eine gut ausgebildete Frau, die erst spät zwei Kinder bekam, hat Anfang 50 vielleicht noch ein Kind, das erst die Volksschule besucht und muss Arbeitsalltag, Kinderbetreuung und Haushalt unter einen Hut bekommen, obwohl sie sich nicht mehr ganz so fit fühlt wie ihre 30-jährige Kollegin.
Lebenssituationen von Menschen im Alter von rund 50 Jahren sind äußerst verschieden. Entsprechend differenziert muss auch diskutiert werden, wenn es um die Situation von Frauen und Männern dieser Altersgruppe am Arbeitsmarkt geht, wünscht sich Bernhard Kleemann.

Themenplattform 50 plus
Kleemann hat mit Unterstützung der GPA-djp Wien die Themenplattform „Mit 50 plus in der Arbeitswelt“ gegründet. In seiner Tätigkeit für Trendwerk war er zunehmend mit dieser Altersgruppe konfrontiert und stellte fest: Anders als in Deutschland oder der Schweiz gibt es hier noch keine bundesweite Vertretung. Die brauche es aber, um Bewusstsein für die Bedürfnisse dieser Beschäftigtengruppe zu schaffen. Das Pensionsalter ist inzwischen für alle Erwerbstätigen höher. „Auch Frauen stehen mit etwas über 50 eben nicht mehr kurz vor der Pension“, betont Kleemanns Mitstreiterin Elisabeth Althoff. Sie ist Betriebsratsvorsitzende der Pensionsversicherungsanstalt Wien und weiß daher aus mehreren Perspektiven, wo in dieser Altersgruppe der Schuh drückt. Auf dem Vormarsch sind generell psychische Erkrankungen. Oft kommt dabei bei den Betroffenen vieles zusammen: private Probleme paaren sich mit zu viel Druck am Arbeitsplatz. Gerade ArbeitnehmerInnen über 50 mit Pflichtschulabschluss seien noch nicht mit dem Computer groß geworden. Diesen Menschen falle es schwer, mit der ständigen Aktualisierung von Programmen Schritt zu halten, so Althoff. Dazu kommt das immer größere Arbeitspensum für die/den Einzelne/n, denn die Personaldecke sei heute generell dünn.

Kürzere Arbeitstage
Stefan Buger, Zentralbetriebsrat der Bank Austria, weiß, wie man hier gegensteuern könnte. Ein zeitlich begrenztes Projekt („Flexidays“) lotete in dem Bank­unternehmen die Möglichkeiten aus. Dabei konnten ArbeitnehmerInnen, die älter als 50 Jahre waren, bei reduziertem Gehalt (Pensionsbasis bleibt das ursprüngliche Gehalt) ihre Arbeitstage kürzer gestalten. Diese „Flexidays“ seien von den ArbeitnehmerInnen sehr gut angenommen und geschätzt worden. „Das kann ein Modell für die Zukunft sein“, meint Buger. „Man kann auch mit 60, 65 sicher noch 100 Prozent Leistung bringen – aber nicht acht oder zehn Stunden am Tag.“ Er tritt daher allgemein für eine laufende Reduzierung der Tagesarbeitszeit mit zunehmendem Alter ein – bei zumindest teilweisem Lohnausgleich.
Rupert Schober, langjähriger Betriebsrat im WAFF und inzwischen selbst bereits in Pension, nimmt auch ArbeitnehmerInnen selbst in die Pflicht: Lebenslanges Lernen werde künftig noch stärker von Bedeutung sein. „Wir brauchen hier einen Paradigmenwechsel. Man wird nicht mit dem Wissen, mit dem man mit 20 begonnen hat, mit 65 in Pension gehen. Da liegen Welten dazwischen.“

Bedürfnisse Älterer
Was sind aber nun tatsächlich die Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen über 50? Das Team der Themenplattform „Mit 50 plus in der Arbeitswelt“ arbeitet derzeit an einem Fragebogen, der zunächst an GPA-djp-VertreterInnen, in einer zweiten Runde an Betriebsräte und schließlich an Beschäftigte in der Privatwirtschaft in Wien gehen soll.
Die Fragestellungen sind vielfältig, betont Kleemann: „Es geht um die Arbeitssituation als solches, die Arbeitszeit, es geht um Ausbildung, Urlaubsanspruch, Gesundheit, die Zusammenarbeit mit KollegInnen und Führungskräften.“

Weniger Stunden arbeiten
Liegen hier Ergebnisse vor, will sich die Plattform an die Ausarbeitung von Vorschlägen für die eine oder andere gesetzliche Adaption machen, so Althoff. Sie spricht eine sechste Urlaubswoche zumindest für ArbeitnehmerInnen über 50 an. Vorstellbar sei aber eben auch  eine Stundenreduktion bei zumindest teilweisem, im Idealfall vollem Lohnausgleich. Unternehmensintern geht es in vielen Firmen darum, Bewusstsein zu schaffen: Gibt es, wenn zum Beispiel ein neues Computerprogramm zum Einsatz kommt, vielleicht künftig nicht mehr die eine Schulung für alle, sondern werden hier differenziertere Angebote gemacht? Es sei erwiesen, dass ältere MitarbeiterInnen anders lernen als jüngere.
Was Kleemann vor allem wichtig ist: „Es muss sich das mediale Bild ändern.“ Derzeit sehe das Bild eines/r Über-50-Jährigen am Arbeitsmarkt so aus: „Krank, kann nicht mehr, schlecht ausgebildet und vielleicht auch noch zu teuer.“ Das stimme so aber eben nicht. Dazu gebe es auch schon viel ExpertInnenwissen. „Wenn wir dieses Bild ändern, dann haben wir schon viel erreicht. Das hat dann auch Einfluss auf die Gespräche mit ArbeitgeberInnen.“ Die Themenplattform wurde in Wien gestartet. Nach und nach will man die Initiative aber auch auf alle Bundesländer ausweiten. „Ideal wäre es, wenn wir am Ende den gesamten ÖGB für unser Anliegen interessieren“, sagt Schober. Kleemann ist hier zuversichtlich. Er sieht die Arbeitssituation von Über-50-Jährigen als Querschnittsmaterie: „Es betrifft viele Themen von Arbeitsdruck bis Gesundheit. Und das ist eine Chance, die Rahmenbedingungen von Arbeit generell zu überdenken und zukunftsorientiert zu formulieren.“

 

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