Laut dem überwiegenden Teil der Meinungsforschung ist klar: Ausschlaggebend für das Wahlergebnis vom 15. Oktober ist der Wunsch nach Veränderung, der genährt wird von einem hohen Grad an empfundener Unzufriedenheit und Unsicherheit.
Nun haben die Regierungsverhandlungen zwar begonnen, die neue Bundesregierung steht jedoch derzeit (Nov. 2017) noch nicht fest. Für uns gilt aber jedenfalls weiterhin: Die Gewerkschaft beurteilt jede Regierung danach, was sie bereit ist für die ArbeitnehmerInnen zu tun.
Noch warten die im Wahlkampf präsentierten Pläne auf eine Konkretisierung – insbesondere wie die Senkung der Steuerquote auf 40 Prozent gegenfinanziert werden soll. Wie auch vor der Wahl geht man derzeit inhaltlich nicht in die Tiefe, sondern bleibt auf der sicheren Oberfläche. Viel Energie wird in „Vorwahlmanier“ in die Inszenierung von Ereignissen und Personen investiert. Konkrete Inhalte haben da keinen Platz und laufen Gefahr, nicht ausreichend diskutiert zu werden.
Zuletzt war auch von einer Reform der Sozialpartnerschaft zu lesen. Gemeint ist damit aber wohl die Frage der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern. Denn diese ist in der Tat eine, die der Gesetzgeber entscheiden kann. Aus gutem Grund hat er diese Strukturen auch in der Verfassung verankert und damit ihren Stellenwert zum Ausdruck gebracht: Kammern sind demokratische Selbstverwaltungsorgane, keine Lobbyorganisationen.
Für die ArbeitnehmerInnen ist übrigens nicht nur die Arbeiterkammer wichtig, sondern auch die Wirtschaftskammer. Durch die gesetzliche Mitgliedschaft der Unternehmen in der Wirtschaftskammer sind Kollektivverträge für sie bindend. Nur dadurch können sich nahezu 98 Prozent der ArbeitnehmerInnen in Österreich auf ein kollektivvertragliches Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie ein Mindestgehalt verlassen.
Wer Kammern abschaffen will, nimmt in Kauf, dass diese Sicherheit zerstört wird. Wenn man das will, muss man es sagen. Wer aber glaubt, dass damit die gewerkschaftliche Mitbestimmung elegant ausgeschaltet werden kann, der irrt. Und wir werden – wenn der Gesetzgeber „Reformen“ macht, die die Grundlagen der sozialen Sicherheit untergraben – dagegenhalten. Mit allen gewerkschaftlichen Mitteln.
Auch wir glauben im Übrigen an die Notwendigkeit von Veränderung. Die zunehmende Prekarisierung am Arbeitsmarkt, die wachsende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen, die eklatante Einkommensungleichheit zwischen Männern und Frauen oder die riesigen Steuerschlupflöcher für Milliardäre sind nur eine paar der Bereiche, die geradezu nach Veränderung schreien.
Wenn hier sinnvolle Maßnahmen gelingen, sind wir jederzeit gerne bereit diese mitzutragen – egal welche Bundesregierung sie beschließt. Ich bin überzeugt, dass so auch die berechtigte Verunsicherung in Teilen der Bevölkerung reduziert würde.