Selbstverteidigung im Internet

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Eine neue Broschüre bietet Hilfe zur Selbsthilfe.

Wer unschuldig attackiert wird, wird sich wohl auch selbst verteidigen. Und es ist immer besser, vorher anstatt nachher zu wissen, wie Selbstverteidigung effektiv funktioniert, will ein Opfer möglichst keinen Schaden nehmen. Das gilt in der realen Welt mit Hilfe verbaler oder körperlicher Abwehr. Und das gilt genauso in der digitalen Welt des world wide web. Hier scheint das Opfer-Bewusstsein allerdings noch in den Kinderschuhen zu stecken. Grund genug für wichtige Tipps zur „Digitalen Selbstverteidigung“.

Das ist auch der Titel einer Broschüre, die die Plattform Grundrechtspolitik epicenter.works herausgegeben hat. Es ist die führende nicht-staatliche Organisation (NGO) in Österreich für die Stärkung von Grund- und Freiheitsrechten im digitalen Zeitalter. Gegründet hat sie sich 2010 als „Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich“ (AKVorrat). Der Verein erreichte 2014 die Aufhebung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH), danach erfolgte die Namensänderung. Die Ausweitung der Überwachung durch den Staat und durch Großkonzerne ist der NGO ein Dorn im Auge. epicenter.works macht sich zudem für ein freies, offenes Internet stark.

Dass es ein Grundrecht auf das Internet – insbesondere für die Schwächsten in der Gesellschaft wie Geflüchtete und Inhaftierte – gibt, haben auch schon mehrere Höchstgerichte in Europa entschieden. In Estland existiert sogar ein Grundrecht auf freies Internet. Besondere Dienste darum hat sich als Vordenker der ehemalige sozialdemokratische Staatspräsident Toomas Hendrik Ilves erworben. Der ausgebildete Psychologe gilt als Wegbereiter der Digitalisierung in seinem Heimatland.

Der baltische Staat zählt nicht ganz 1,3 Millionen EinwohnerInnen, gilt aber trotzdem als internationales Vorbild – auch für Österreich. Sogar abstimmen und wählen ist in Estland online möglich; etwa ein Drittel der Wahlberechtigten nutzten zuletzt diese Möglichkeit. Nicht ohne Sicherheitsprobleme, die inzwischen aber wieder behoben sind.

Unsere persönlichen Daten sind unser höchstes Gut im Internet-Zeitalter. Dazu zählt genau genommen auch simples Surfen im weltweiten Netz – sofern eine dominierende Suchmaschine wie Google verwendet wird. Einer der größten Konzerne der Welt weiß damit sehr genau, wofür wir uns interessieren. Eine Internet-Suche oder das Lesen von Online-Informationen und -Zeitungen ist nämlich nur vermeintlich kostenlos: Bezahlen tun wir am Ende mit unseren Daten, wenn sie ausgelesen und weitergegeben werden. Zum Glück ist es einfach, dem zu entkommen.

Beispielsweise mittels kostenfreier, datenschutzfreundlicher Suchmaschinen wie der niederländischen StartPage oder DuckDuckGo. Sie speichern im Unterschied zu den Großen nicht die IP-Adresse (des Internet-Protokolls, Anm.); das ist die eindeutige Nummer des Netzwerkgeräts, mit der sich Profile der Internet-NutzerInnen anlegen lassen – personalisierte Werbeeinschaltungen, die einem am Bildschirm suggestiv eingeblendet werden, sind die Folge.

Eine andere Möglichkeit, sich im Internet anonym zu bewegen („Darknet“), ist der Tor-Browser. Er leitet beim Surfen die Daten nach dem Prinzip der Zwiebelschichten über mehrere Server um und verschleiert so die eigene IP-Adresse, dadurch kann die lokale Internetzensur („dieser Inhalt ist in Ihrem Land nicht verfügbar“) umgangen werden. Ursprünglich wurde Tor entwickelt, um investigativen JournalistInnen und MenschenrechtsaktivistInnen in autoritären Staaten zu ermöglichen, das freie Internet ungehindert zu nutzen. Zu bedenken gilt es außerdem, zusätzlich einen Werbeblocker zu installieren. epicenter-works empfiehlt etwa uBlock Origin, der frei und plattformübergreifend funktioniert.

KundInnen, die sich auf Internet-Seiten einwählen, sollten möglichst sichere Passwörter – am besten ganze Sätze – verwenden, empfehlen die ExpertInnen. Zudem gibt es Passwort-Manager-Programme wie KeePassXC, das zufällige Passwörter generiert und speichert. Werden Nachrichten mit heiklen Inhalten im geschäftlichen oder privaten Bereich verschickt, sollten die Emails verschlüsselt werden.

Und wenn Kurznachrichten anstelle eines SMS immer häufiger mittels WhatsApp, also via Internet, „gratis“ verschickt werden, sollte Folgendes bedacht werden: WhatsApp wurde vor genau fünf Jahren von den beiden Gründern, Jan Koum und Brian Acton, dem kalifornischen Giganten Facebook verkauft – für 19 Milliarden US-Dollar, davon vier Milliarden in bar, der Rest in Form von Facebook-Aktien; die Datensicherheit ist jedoch nicht unbedingt das höchste Gut weder bei WhatsApp noch bei Facebook. Das haben bereits mehrere Fälle von Datenweitergabe offengelegt.

Zur Verschlüsselung der Inhalte von Nachrichten und Anrufen empfiehlt epicenter.works deshalb eher die Nachrichten-Anwendung Signal. Diese Anwendungssoftware (App) ist kostenlos und derzeit der beste frei verschlüsselte Kurznachrichtendienst (Messenger), heißt es. Signal wird von der „Freedom of the Press Foundation“ unterstützt und gilt auch nach den Enthüllungen 2013 von Edward Snowden, dem früheren US-Geheimdienstmitarbeiter, als sicher. Entwickelt wurde Signal übrigens von einem der beiden Erfinder des nicht so sicheren WhatsApp, Brian Acton, inzwischen Milliardär. Offensichtlich lernen auch Software-Entwickler der ersten Stunde in Sachen Datenschutz dazu. Und verdienen sehr gut daran – im Unterschied zu den KonsumentInnen.

„Um sich in unserer zunehmend digitalisierten Gesellschaft zurecht zu finden, sollte jede/r NutzerIn über ein bestimmtes Grundwissen und über bestimmte digitale Kompetenzen verfügen“, wird auch im Blog „Arbeit und Technik“, dem Online-Auftritt zum ArbeitnehmerInnen-Datenschutz der GPA-djp, betont. 

Der Folder „Digitale Selbstverteidigung“ wurde von der GPA-djp mitfinanziert. Die Arbeit von epicenter.works lebt ausschließlich von Spenden.

Mehr Tipps zum Thema gibt die Broschüre digitale Selbstbestimmung: Sie kann von eingeloggten GPA-djp-Mitgliedern kostenlos herunter geladen werden.

Weitere Informationen, die ständig aktualisiert und ausgebaut werden, sowie die Broschüre „Digitale Selbstverteidigung“ sind hier abrufbar: epicenter.works/crypto

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