Immer mehr HandelsmitarbeiterInnen fühlen sich durch die zunehmende Aggression von KundInnen unter Druck. Die GPA-djp möchte hier sensibilisieren und verweist auch auf die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber.
Menschen, die im Handel beschäftigt sind, sehen sich immer öfter Beschimpfungen, Bedrohungen oder sogar tätlichen Angriffen ausgesetzt. All das fällt nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation ILO unter Gewalt am Arbeitsplatz. Wovon Betriebsräte und Betriebsrätinnen verstärkt berichten, wird auch durch eine IFES-Umfrage unter Handelsangestellten im Burgenland belegt. Demnach wurden 25 Prozent der Befragten schon einmal selbst angeschrien oder eingeschüchtert. Zehn Prozent wurden bereits bedroht und 42 Prozent der Beschäftigten haben solche Vorfälle an ihrem Arbeitsplatz schon wahrgenommen oder beobachtet.
Der Kunde ist König: diesem Leitsatz wird im Handel auch von Arbeitgeberseite oft das Befinden der MitarbeiterInnen untergeordnet, bedauert Anita Palkovich, GPA-djp Wirtschaftsbereichssekretärin Handel. Der Kunde ist König meine aber Serviceorientiertheit und gute Beratung. „Es bedeutet nicht, dass sich Kunden an keine Benimmregeln mehr halten.“
Palkovich sieht einerseits den für alle gestiegenen Arbeits- und Zeitdruck als einen der Gründe für die zunehmende Aggressivität von Kunden. Wer in der Mittagspause in den Supermarkt geht, fühlt sich rascher gestresst, wenn er an der Kasse etwas warten muss. Aber auch die zunehmende Anonymität sorge – wie im Internet – für raschere Enthemmung. „Je anonymer die Kundenbeziehung, desto niedriger wird die Hemmschwelle“, sagt sie. In kleineren Ortschaften, in denen man einander gut kenne, gebe es weniger Vorfälle als im urbanen Raum. Dazu komme, dass MitarbeiterInnen oft Namensschilder tragen müssen. Sie sind dann mit anonymen Beschwerden an ihre Vorgesetzten konfrontiert und nicht immer reagiere der Arbeitgeber verständnisvoll.
„Niemand muss sich Beschimpfungen und Bedrohungen gefallen lassen!“
Josef Hager, Betriebsratsvorsitzender bei dm
Josef Hager, Betriebsratsvorsitzender bei dm, kennt Situationen, in denen Kunden ausfällig werden. „Vor allem in der Warteschlange an der Kasse nimmt die Ungeduld zu. Oder aber, wenn Hilfe nicht rasch genug kommt.“ Manche Mitarbeiter nehmen sich verbale Attacken mehr, manche weniger zu Herzen. Besonders betroffen würden sehr junge Menschen, wie etwa Lehrlinge, reagieren. Er macht aber klar: Niemand muss sich Beschimpfungen und Bedrohungen gefallen lassen. Bei dm gibt es hier von Unternehmensseite präventives Coaching für die MitarbeiterInnen – und Unterstützung, wenn Beschäftigte durch Anfeindungen unter Druck geraten.
Hier setzt auch Palkovich an. Arbeitgeber hätten eine Fürsorgepflicht für ihre MitarbeiterInnen. Es liege also daher auch in ihrer Verantwortung dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten nicht immer weiter unter Druck gerieten – denn das hinterlässt Spuren und wirkt sich vor allem negativ auf die Psyche und insgesamt die Gesundheit aus.
IFES hat auch abgefragt, was die zunehmende Gewalt im Handel aus Sicht der MitarbeiterInnen auslöst. 90 Prozent der Befragten nannten steigenden Arbeitsdruck, 91 Prozent zunehmende Rücksichtslosigkeit beziehungsweise Gewaltbereitschaft, ebenfalls 91 Prozent einen schlechten Führungsstil und 73 Prozent zu wenig Personal als Gründe für eine Arbeitsatmosphäre, in der Beschäftigte zunehmend verbal attackiert, angespuckt oder sogar tätlich angegriffen würden.
„Ein Schlüssel zur Entschärfung der angespannten Situation liegt in einer ausreichenden Personalplanung.“
Anita Palkovich, GPA-djp Wirtschaftsbereichssekretärin Handel
Das entspricht auch dem, was BetriebsrätInnen berichten, so Palkovich. Eine oftmals sehr knappe Personaldecke vergrößere den Druck auf MitarbeiterInnen. Wenn dann noch Rabattaktionen dazu kommen und der Arbeitgeber das nicht bei der Personalplanung berücksichtige, liegen die Nerven rasch blank. Ein Schlüssel zur Entschärfung der angespannten Situation liege also in einer ausreichenden Personalplanung.
Aber auch baulich kann präventiv angesetzt werden. „Schmale Kassagänge führen dazu, dass sich Kunden eingesperrt fühlen und das fördert Aggression“, so Palkovich. Die GPA-djp spricht sich daher für Gewaltschutzbeauftragte aus, die einerseits Schnittstelle zur örtlichen Polizei und Gewaltschutzorganisationen sind, andererseits sich aber eben die baulichen Gegebenheiten auch unter dem Aspekt der Gewaltprävention ansehen und hier Änderungen anregen und umsetzen.
Und für den Fall, dass bereits ein Übergriff passiert ist, pocht die GPA-djp auf rasche unbürokratische psychologische Hilfe und ein Recht auf Supervision – also das, was bei dm bereits erfolgreich gelebt wird. Aber auch andere Handelsunternehmen haben begonnen, sich hier zu engagieren. Best practice gibt es hier zum Beispiel auch im Rewe-Konzern (Billa, Merkur, Penny, Adeg, Bipa). Rewe bietet den 44.000 MitarbeiterInnen Schulungen für den Fall der Fälle, es gibt Handlungsanleitungen für den Umgang mit aggressiven KundInnen oder bei Belästigung. Aber auch auf das richtige Reagieren bei Ladendiebstahl oder einem Überfall werden die Beschäftigten vorbereitet. Eine Kooperation mit der Opferunterstützungsorganisation „Weißer Ring“ stellt zudem sicher, dass nach schwerwiegenden Vorfällen rasch die nötige psychologische Betreuung erfolgt.
Die wichtigste Botschaft an alle im Handel Beschäftigten aber lautet: Oft geäußerte Empfehlungen oder Stehsätze wie „Zähne zusammenbeißen“ oder „leg dir eine dickere Haut zu“ oder „immer lächeln, egal was passiert“ lösen das Problem nicht und bringen Betroffene nur immer weiter unter Druck. Es gibt Grenzen dafür, was HandelsmitarbeiterInnen akzeptieren müssen. Der wichtigste Partner ist hier der Arbeitgeber, der sich im Idealfall klar hinter seine MitarbeiterInnen stellt, aber auch dafür sorgt, dass sich durch ausreichend Personal die Kundenaggression erst gar nicht gegen einen Mitarbeiter richtet, der das von ihm geforderte Arbeitspensum gar nicht rascher bewältigen kann.
Die Gewerkschaft GPA hilft
GPA-Mitgliedern steht ein vielfältiges Beratungsangebot zu arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Nicht-Mitglieder können unter 050301-301 eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.