Frauen und Technik? Wer sich an HTLs oder in technischen Studienrichtungen umsieht, begegnet immer noch mehrheitlich Männern. Aber es gibt sie, die Frauen, die in technischen Berufen arbeiten.
Der Wiener Wirtschaftsjournalist und Autor Reinhard Engel hat sich auf die Suche nach solchen Frauen gemacht und mehr als 20 für sein neues Buch „Frauen können Technik“ porträtiert.
14 Prozent der SchülerInnen an Höheren Technischen Lehranstalten sind Mädchen. An den Technischen Universitäten machen Studentinnen rund ein Viertel der Studierenden aus. Die Gründe dafür sind vielfältig, schreibt Engel: „Sie reichen von klassischen tradierten Rollenbildern über hässliches Macho-Gehabe auf unterschiedlichsten Ebenen bis zu späteren institutionellen Hemmnissen wie Aufnahmetests nur durch männliche Recruiter oder fehlende Kinderbetreuung.“
Engel sieht das Glas dennoch eher halb voll als halb leer. Denn im Zug seiner Recherchen ist er einer ganzen Reihe von Frauen in technischen Berufen begegnet – darunter Schweißerinnen, eine Lokführerin, Mechatronikerinnen, eine Bauingenieurin. In allen Porträts klingt die Begeisterung für ihren Beruf durch.
So erzählt etwa die Schlosserin Julia Scherzer, die nun für die ÖBB Züge lenkt: „Ich bin draußen, habe etwas zu schauen und zu tun. In einem faden Büro zu sitzen, kann ich mir nicht vorstellen.“ Sie räumt aber ein, dass sie sich anfangs auch Respekt verschaffen musste. Bei einem Polizeieinsatz an einer Station wollte sie ein Uniformierter nicht durchlassen, bis sie ihm ihren Ausweis unter die Nase hielt: „Ich fahre diesen Zug.“
Frauen im Metallberuf
Auch Jessica Karner und Jaqueline Leitgeb haben sich für einen Lehrberuf entschieden, in dem bis heute wesentlich mehr junge Männer als junge Frauen anzutreffen sind. Die beiden sind Metallverarbeitungstechnikerinnen, umgangssprachlich Schweißerinnen genannt. In der Berufsschule gab es Rivalitäten mit ein paar Burschen, erzählen sie. „Es hat ein paar Spezialisten gegeben. Die Buam haben am Anfang gedacht, ich kann das nicht“, so Karner. „Aber wenn man sich bemüht, überholt man sie doch.“ Inzwischen sind sie Gesellinnen, zufrieden in ihrem Beruf und auch damit, dass sie gut verdienen.
Nermina Mumic hat an der Technischen Universität (TU) Wien technische Mathematik studiert. Derzeit werkt sie an ihrer Dissertation. Gleichzeitig betreibt sie aber auch ein Start-up, das sie mitgegründet hat. Es heißt Legitary und ermöglicht MusikerInnen eine korrekte Abrechnung mit Plattformen, die Musik vertreiben. Mumic hat dafür Algorithmen entwickelt, die beim Streaming oder Download nach Unregelmäßigkeiten suchen und diese auch finden. Denn es müsse gar nicht Betrug sein, damit MusikerInnen oder RechtebesitzerInnen ihre korrekten Honoraranteile nicht bekommen, sagt sie. „Es genügt schon, dass die Programme Fehler haben oder ungenau arbeiten. Bis jetzt mussten die Musiker den Plattformen wie Spotify, Apple Music oder Amazon Music glauben, dass ihr Titel vielleicht hundertmal heruntergeladen wurde. Es hätte aber auch zweihundertmal sein können.“
Das Start-up basiert auf der Arbeit ihrer Dissertation, die vom Musikvertrieb Rebeat initiiert und von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) unterstützt wurde. Wenn die Firma profitabel wird, erhält die TU Lizenzgebühren. Die Chancen dafür stehen gut: Legitary wurde im Juni bei der B2B-Musikmesse Midem in Cannes beim wichtigsten Musik-Start-up-Bewerb der Welt bereits ausgezeichnet. Das Studium war für sie im Rückblick zwar ein „Sprung ins kalte Wasser“, erzählt sie. Sie musste sich hineinknien, die KollegInnen, die zuvor eine HTL besucht hatten, hatten einen Vorsprung. Doch Aufgeben kam für sie nicht in Frage. Dass Frauen in der Start-up-Szene kaum zu finden sind, ist ihr klar und man spürt, dass sie stolz darauf ist, sich von nichts und niemandem Steine in den Weg legen zu lassen: Unter zehn GründerInnen gebe es eine Frau, „im technischen Bereich geht die Zahl praktisch gegen Null“, betont Mumic. Auch in der Musikszene fänden sich im Management kaum Frauen. „Jetzt gibt es eben Algorithmen, die Licht in den Streaming-Dschungel bringen, eine echte Disruption, und die kommt von einer Frau.“
Reinhard Engel hat mit „Frauen können Technik“ einen Mutmacher vorgelegt: Frauen, die sich für Technik interessieren, sollen auch den Schritt in diese Richtung wagen. Vielleicht müssen sie sich den Respekt ihrer männlichen Kollegen anfangs erst erarbeiten. Auf lange Sicht stehen sie Männern aber nicht nur um nichts hinterher – sie wissen oft sehr genau, was sie wollen und wie sie es erreichen.
Frauen können Technik
Frauen können Technik
Wien 2019
Verlag Kremayr & Scheriau
24 Euro, 176 Seiten
ISBN 978-3-218-01186-0