Zu Lasten der Familie

Foto: Sandy Millar, Unsplash

2019 sind die Umsätze im Einzelhandel österreichweit auf 73 Milliarden Euro gestiegen. Doch nicht alles ist rosig, denn die Öffnungszeiten besonders zwischen Weihnachten und Silvester sorgen bei den ArbeitnehmerInnen für Unmut.

„Billa sagt der Hausverstand“ das ist einer der bekanntesten Werbesprüche in Österreich. Dass aber Stress und Überlastung auf Dauer nicht förderlich sind, sollte auch dem Hausverstand klar sein. Zum Jahreswechsel sind die Handelsangestellten besonders gefordert, das gilt auch für die Billa-MitarbeiterInnen. Doch am 31. Dezember wurden die Öffnungszeiten verlängert. Die Billa Filialen sperrten nicht mehr wie vorher üblich um 15 Uhr sondern erst um 16 Uhr zu. Zwar wurde diese Verlängerung den MitarbeiterInnen rechtzeitig angekündigt – mit dem Betriebsratsvorsitzenden Werner Hackl wurde darüber nicht vorab geredet. Als daraufhin Hackl einen Termin mit der Geschäftsführung vereinbarte, sagte man ihm, er solle es nicht so dramatisch sehen, es ist ja nur eine Stunde länger offen. Ändern konnte er nichts mehr. „Es war dann schon Unmut von einigen Beschäftigten zu spüren“, sagt Hackl.

Bei Hofer wird zu Silvester seit 2018 bis 17 Uhr offengehalten. Besonders erfreut waren die MitarbeiterInnen nicht, stellt der Betriebsratsvorsitzende von Hofer, Markus Aunitzki fest. „Einige sagten sogar: ein Wahnsinn, jetzt müssen wir auch zu Silvester länger arbeiten“. „Das Vorgehen ist gesetzlich erlaubt“, erklärte dagegen die Geschäftsführung. Betriebsrat Markus Aunitzki argumentiert daher:„Eine Firma wird selten freiwillig auf seine Rechte verzichten. Um die Mitarbeiter zu entlasten, sollten der Gesetzgeber oder die kollektiv-vertraglichen Partner eine Regelung für die Silvester-Öffnungszeiten treffen.“

Je länger die Öffnungszeiten sind, desto mehr sind die Handelsangestellten und ihre Familien die Leidtragenden. Silvester gehört zu den stressigsten Arbeitstagen im Handel. Viele Beschäftigte beginnen an diesem Tag in den frühen Morgenstunden mit ihrer Arbeit, etwa wenn sie die bestellten Feinkostplatten vorbereiten. Und mit Geschäftsschluss kann die Belegschaft nicht alles Liegen und Stehen lassen und aus dem Laden stürmen. Es gibt nämlich einiges an Nachbereitungsarbeiten zu tun, wie etwa die Kassa-Abrechnung oder das Putzen der Feinkostabteilung.

Handelsangestellte und ihre Familien leiden

Einzelne Geschäfte hatten sogar, entgegen der bisherigen Praxis, zu Silvester bis 17 Uhr und am 23. Dezember und am 30. Dezember bis 21 Uhr geöffnet.  „Wir fordern daher die Wirtschaftskammer auf, rasch mit uns eine bundeseinheitliche, kollektivvertraglich verankerte Regelung zu schaffen, die einerseits der Belastung gerecht wird und andererseits den überbordenden Öffnungszeiten im österreichischen Handel entgegenwirkt“, fordert die GPA-Vorsitzende Barbara Teiber.

Nach dem anstrengenden Advent ist gerade die Arbeitsbelastung um Weihnachten und Silvester für Handelsangestellte besonders intensiv, die Arbeit ist um einiges stressiger als in der restlichen Jahreszeit. 35 Prozent der Jahres- Umsätze werden in der Regel zwischen 16. und 24. Dezember erzielt, zwischen Weihnachten und Silvester sind es weitere 10 Prozent.

Das spüren nicht nur die MitarbeiterInnen im Handel, auch die Familien leiden darunter wenn Mutter oder Vater um vier oder fünf Uhr in der Früh aufstehen müssen. Das geht auf Kosten der Lebensqualität und Lebensfreude. – wer am 31. Dezember einen langen, intensiven Arbeitstag hatte, der kann in aller Regel die Jahreswende nicht besonders genießen.-

Dabei geht es dem Einzelhandel in Österreich gut. Die Umsätze sind 2019 gegenüber 2018 nominell um 1,3 Prozent auf rund 73,2 Milliarden Euro gestiegen. 41 Prozent der Einzelhandelsgeschäfte konnten 2019 Umsatzzuwächse realisieren, 22 Prozent melden eine stabile Entwicklung. „Wir appellieren an den österreichischen Handel, Rücksicht auf die Beschäftigten und ihre Bedürfnisse zu nehmen. Einzelne Handelsketten und Einkaufszentren zeigen vor, dass solche Lösungen möglich sind“, sagt GPA-djp Wirtschaftsbereichssekretärin Anita Palkovich.

Emotional gebundene Tage

Dass es anders geht, zeigt Lidl. „Ursprünglich hatte man vor die Geschäfte zu Silvester bis 17 Uhr offen zu haben “, sagt der Lidl-Betriebsratsvorsitzende Michael Wörthner. Doch dann wurde dieses Vorhaben zurückgenommen. Bei Lidl gab es einen Wechsel in der Geschäftsführung. Eine der ersten Ankündigungen der neuen Leitung war: „Die Geschäfte schließen um 15 Uhr und Lidl schenkt den Mitarbeitern mehr Freizeit.“, erzählt Wörthner. In der Belegschaft ist das sehr gut angekommen. „Diese Aktion hat die Stimmung massiv angehoben. Gerade Weihnachten und Silvester sind emotional gebundene Tage. Die Mitarbeiter wollen auch Zeit für die Familie haben“ führt Wörthner aus. Auch in der Mitarbeiter App wurde diese Entscheidung sehr positiv bewertet. „Und obwohl die Konkurrenz länger geöffnet hatte, wurde uns bisher nicht von einem geringeren Umsatz berichtet“, erklärt Wörthner.

Exzessiv längere Öffnungszeiten ändern nicht viel und bringen auf lange Sicht nicht mehr Einnahmen. Die Kunden geben in der Regel nicht mehr Geld aus, sie sind es nur gewohnt später einkaufen zu gehen. Werden die Menschen aber auf die Probleme der Handelsangestellten aufmerksam gemacht, sind sie durchaus bereit, auch auf die Bedürfnisse der Handelsangestellten Rücksicht zu nehmen. „Gerade der Handel ist in den letzten Jahren einer großen Veränderungsdynamik unterworfen. Wir sind aber überzeugt, dass die Beschäftigung im Handel eine Zukunft hat, wenn man die Arbeitsbedingungen attraktiver macht. Wir brauchen insbesondere höhere Einkommen, mehr Arbeitszeitqualität und Freizeit“, fasst Anita Palkovich die Lage zusammen.

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