Während der Krise sicherten die ArbeitnehmerInnen im Lebensmittelhandel unsere Grundversorgung. Als Corona-HeldenInnen wurden sie deshalb gelobt. Doch die Unterstützung der Regierung endet, wenn es um konkrete Taten geht, etwa bei der Einführung einer bezahlten Maskenpause.
Extreme Leistungsbereitschaft und ein hohes Maß an Flexibilität, das haben die Beschäftigten im österreichischen Handel seit Beginn der Corona-Pandemie täglich bewiesen. Zeitgleich konnte der Lebensmittelhandel in den vergangenen Monaten hohe Umsätze erzielen. Trotz allem wird nun um ein wenig Entlastung hitzig debattiert. Für Anita Palkovich, Wirtschaftsbereichssekretärin und KV-Verhandlerin in der GPA-djp, gibt es daran auch gar nichts zu rütteln: „Eine bezahlte Maskenpause, die Zeit zur Regeneration gibt und die hohe Arbeitsbelastung etwas abmildert, haben sich die Beschäftigten wohl mehr als verdient.“
Hinter Zellstoff und Plastik
Wer schon einmal mit MN-Schutz gearbeitet hat, kennt die Problematik. „Beim Schlichten und Einräumen der Waren kommen die KollegInnen schnell ins Schwitzen,“ weiß Sabine Eiblmaier aus Erfahrung. Die Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Interspar berichtet von der körperlichen Belastung bei Sommerhitze und gleichzeitiger Maskenpflicht, die ihre MitarbeiterInnen in gehörige Atemnot gebracht hat. Aber nicht bloß körperlich ist die Arbeit in den Supermärkten noch anstrengender geworden, auch sonst ist es schwieriger geworden.
„Beim Schlichten und Einräumen kommen die Kolleginnen schnell ins Schwitzen.“
Sabine Eiblmair
Die herausfordernden Zeiten sorgen schon mal für schwierige KundInnen, die etwa eine MNS-Maske verweigern – trotz des eigenen Stresses dabei besonnen zu agieren, ist nicht immer einfach. „Und was noch dazukommt: Weil auch die KundInnen Masken tragen müssen, sind sie schwerer zu verstehen und die MitarbeiterInnen müssen lauter sprechen“, erklärt Eiblmaier. „Mit der Zeit führt das alles zu einer ziemlichen Belastung.“
Unterbesetzt und allein gelassen
Zu Beginn des Sommers hat die GPA-djp mehr als 2.000 Handelsangestellte aus allen Bundesländern zu ihren Arbeitsbedingungen befragt. Dabei gaben 75,6 Prozent der Beschäftigten an, sich durch die gesetzten Maßnahmen am Arbeitsplatz sicher und geschützt zu fühlen. „Die MNS-Maske für KundInnen und die verschärften Hygienebestimmungen haben den Handelsangestellten Sicherheit gegeben“, erklärt Anita Palkovich. „Jetzt heißt es, nicht nachzulassen, damit das Einkaufen weiterhin für alle ungefährlich bleibt.“
„Viele Filialen sind unterbesetzt. Das sorgt für zusätzliche Belastung und mehr Stress. Gerade jetzt braucht es mehr Personal.“
Anita Palkovich
Arbeit mit Maske belastet
Was die MitarbeiterInnen bei der Umfrage jedoch beklagten, sind die Belastungen, die ihre Arbeit mit der MNS-Maske verursacht, die Unterbesetzung der Geschäftsfilialen und, dass sie bei der Bewältigung des plötzlich angefallenen Stresses allein gelassen wurden. Die GPA-djp fordert deshalb: wird der MNS-Schutz über zwei Stunden getragen, muss es auch eine verpflichtende und bezahlte Pause von 15 Minuten für die ArbeitnehmerInnen geben. Das ist schon allein deshalb notwendig, weil der Lebensmittelhandel die mit Abstand höchste Quote an Teilzeitbeschäftigten hat. Sie arbeiten oftmals weniger als sechs Stunden und haben darum nicht einmal Anspruch auf die gesetzliche unbezahlte Pause. „Deshalb ist die bezahlte Maskenpause schon sehr wichtig“, sagt Michael Wörthner, Betriebsratsvorsitzender von Lidl Österreich. „Das Tragen der Maske ist auf Dauer anstrengend, es ist daher wichtig, dass die Belegschaft durchschnaufen kann und für ihren Einsatz belohnt wird.“ Um Pausen überhaupt einhalten zu können und den Arbeitsdruck auf ein normales Niveau zu senken, ist eine Mindestbesetzung in den Filialen dringend notwendig. „Doch viele Filialen sind unterbesetzt“, weiß Anita Palkovich. „Das sorgt für zusätzliche Belastung und mehr Stress. Gerade jetzt braucht es mehr Personal.“ Die GPA-djp fordert zudem schnelle und unbürokratische Hilfe bei der Verarbeitung besonderer Belastungen und außergewöhnlicher Situationen.
Pausenlos mit der ÖVP
Doch nicht jeder gönnt den ArbeitnehmerInnen leichtere Bedingungen. Wirtschaftskammer und regierende ÖVP-MinisterInnen lehnen das ab. Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck argumentiert: „Wir dürfen die Unternehmen in der jetzigen Zeit nicht noch mehr belasten“. Die ArbeitnehmerInnen aber offenbar schon. Dabei hat der Lebensmittelhandel heuer Umsatzgewinne verzeichnet – zwischen März und Juni 2020 gab es zweistellige Zuwachsraten. Trotzdem erachten die Arbeitgeber es nicht als notwendig, eine gesetzliche Maskenpause einzuführen. Palkovich ist verärgert: „Es ist längst an der Zeit, diese minimale Erleichterung für die Beschäftigten umzusetzen, denn die Arbeitsbelastung im Lebensmittelhandel ist ungebrochen hoch .“
Kein Corona-Tausender in Sicht
Die Pandemie veränderte den Arbeitsalltag, für die Bewältigung des enorm gewachsenen Arbeitsaufwandes wurden die HandelsmitarbeiterInnen gelobt, beklatscht und besungen. Doch wenn es um konkrete Gegenleistungen geht, schaut es eher düster aus „Für alle Beschäftigten, die zwischen dem 13. und 21. März gearbeitet haben, gab es eine Prämie“, ergänzt Eiblmaier, sie vertritt 6.500 ArbeitnehmerInnen bei Interspar. Dafür waren die MitarbeiterInnen zwar dankbar, aber 75 Euro für eine Teilzeitkraft und 150 Euro für eine Ganztagskraft sind vom vielfach bemühten Corona-Tausender arg weit entfernt. „Beim Thema Corona-Tausender wird von der Geschäftsführung immer wieder auf die Regierung verwiesen, wir müssen also warten, was da kommt“, so Eiblmaier.
Vor dem Hintergrund steigender Infektionszahlen steigt auch die Anspannung unter den BetriebsrätInnen wieder: „Jeden Tag kommen neue Themen, wir schauen uns die Regierungspressekonferenzen an, um zu hören, was jetzt wieder verkündet wird“. So sind Weihnachtsfeiern derzeit abgesagt, auch die Problematik, wie Risikogruppen unter den Beschäftigten in der Arbeit eingesetzt werden sollen, bleibt. „Und viele Menschen schütten bei uns Betriebsräten ihr Herz aus“, berichtet Eiblmaier. „Das nimmt einen schon mit, das beschäftigt einen, das können wir nach dem Ende des Gesprächs nicht einfach wegschalten.“