„Geschenkt bekommt man gar nichts!“ – Ein Leben als Betriebsrat

Foto: privat

Beinahe drei Jahrzehnte Arbeitnehmervertreter bei TK-Elevator, KV-Verhandler im Metaller-Team und Vorsitzender der Arge Aufzug: Das Betriebsrats-Urgestein Oswald Rosenits blickt für KOMPETENZ auf ein bewegtes Arbeitsleben zurück.

„Ich hab mir Sessel und Tisch geschnappt und mich direkt neben den Kopierer gesetzt. Mitten in den Weg vom Chef.“ Ihm sei als Betriebsrat in einem Unternehmen für Aufzugstechnik ein eigener Arbeitsplatz zugestanden, erzählt Rosenits. Der Chef aber habe sich anfangs geweigert diesen bereit zu stellen. Aber das dauerte nicht lange. Nach der ungewöhnlichen, aktionistischen Intervention des „Streithansels“, wie sich der Lifttechniker selber nennt, ging es dann aber schnell. Am fünft-letzten Arbeitstag vor seiner Pensionierung erzählt Oswald Rosenits von seinem ersten Betriebsrats-Büro, der Systemrelevanz seiner Branche und einem Abschiedgeschenk, nach dem er zufrieden die Pension antreten kann.

Vollzeitbetriebsrat seit 2005

 „Mein erstes Büro hatte nicht mal eine Tür,“ so Rosenits. Sein zweites war dann direkt im Eingangsbereich der Firma, was dem Chef auf Dauer auch nicht gefiel. Mit der Zeit aber „ist man dann schon zusammengekommen“, erzählt Oswald Rosenits in einem Wiener Cafehaus. 2005 habe der gelernte Elektromechanikers seinen letzten Aufzug repariert. Ab dann war er Vollzeit für die Interessen der Belegschaft im Einsatz. Auch wenn er zuletzt in keinen Liftschächten mehr kniete, der Branche ist er bis heute treu geblieben; als Betriebsrat und zuletzt als Euro-Betriebsrat bei TK-Elevator.

Aufgewachsen ist Rosenits in einem sozialdemokratisch geprägten Haushalt im Burgenland. Die Mutter kümmerte sich um den Haushalt und war in der Landwirtschaft tätig, während der Vater schon, ein Maurer, Betriebsrat in einer Baufirma war. 1975 bewarb sich „Rosi“, wie ihn seine KollegInnen nennen, für eine Lehrstelle als Elektromechaniker in Wien. Im darauf folgenden Jahr fing er beim Aufzugsunternehmen Wertheim an. Nach einigen Firmenfusionen und Jobwechsel landete er bei seinem letzten Arbeitgeber Thyssen-Krupp Elevator, wo er aktuell sein 27. Arbeitsjahr zählt. Und es wird sein letztes gewesen sein. Mit Ende des Jahres geht Rosenits in Pension.

„Ich bin einer, der ständig versucht für gute Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.“

Oswald Rosenits

Für die Firma Schindler sei Rosenits „viel durch die Welt geflogen“, erzählt er, habe Fahrtreppen in aller Herren Länder repariert. Mit dem Nachwuchs im Haus hat sich das dann aber geändert, Rosenits wurde sesshafter. Er wurde auch Vollzeit-Betriebsrat, und zwar aus ganzen Herzen: „Ich bin einer, der ständig versucht für gute Lebens- und Arbeitsbedingungen zu kämpfen.“ Um sein Ziel zu erreichen geizt er nicht mit Beharrlichkeit, Verhandlungsgeschick und wenn nötig, etwas Theatralik. Beispielhaft seine Anekdote einer Verhandlungsrunde in der letzten Firma. Der Betriebsrat forderte für seine KollegInnen eine einmalige Corona-Prämie, „als Wertschätzung in der Krise“, sagt er. „Mach mir ein Angebot für meine Kollegen,“ habe er dem Chef vorgeschlagen. Einzige Bedingung: „Die Zahl muss zwei Nuller hinten dran haben.“ Die KollegInnen hätten ohne Pausen durchgearbeitet, auch während aller Lockdowns. Als der Vorgesetzte dreist „0,00“ antwortete, musste Rosenits tief einatmen. Bedeutungsschwer habe er den Verhandlungssaal ohne ein Wort – sonst wohl eher nicht seine Art – verlassen, um im Freien Luft zu schnappen.

350 Euro Corona-Prämie

Am Ende habe er 350 Euro für jeden seiner KollegInnen raushandeln können, erzählt er sichtlich stolz. „Ich bin denen nix neidig,“ rechtfertigt er sich. „Ich sitze aber für meine Monteure da. Mir ist wichtig, dass diejenigen, die wenig haben, mehr bekommen,“ erklärt Rosenits und schlürft an seinem Cafe.

Dieses Verhandlungsgeschick hat ihm eine Betriebsrat-Karriere sondergleichen ermöglicht: Im Jahr 1995 wurde Rosenits erstmals zum Betriebsrat gewählt. Im selben Jahr ist er auch als Vorsitzender in die „Arge Aufzug“ eingestiegen. Die Arbeitsgemeinschaft ist eine Plattform der BetriebsrätInnen aller Aufzugsfirmen. Die Beschäftigten von Otis, TK-Elevator, Kone und Schindler; sie alle vernetzen sich in der Arge, bis zuletzt mit Oswald Rosenits an der Spitze. 2003 bekam der bei seiner Firma TK-Elevator, mit seinen rund 180.000 Beschäftigten, einen Sitz im Euro-Betriebsrat.

Trotzdem verlor Rosenits nie den Arbeitsalltag der Monteure aus den Augen: Wieviel Zeit verbringen die Arbeiter in bückender, hockender oder sitzender Stellung? Wo ist die zu reparierende Störung? Fragen, die Rosenits und seinen KollegInnen für eine Studie gestellt wurden. Und Antworten, die vor zehn Jahren dazu führten, dass Aufzugstechnik heute als Schwerarbeit gilt. Ganz allgemein gelte die „Kalorienregel“. Wer einen Tagesverbrauch von 2000 Kilo-Kalorien überschreite müsse dementsprechend entlohnt werden. Im Gespräch mit Rosenits wird offensichtlich, welch zentrale Arbeit den AufzugstechnikerInnen zukommt: Fahrtreppen in der U-Bahn, Aufzüge im Krankhaus, die kritische Infrastruktur der einfachen Leute! Kein Wunder, dass Rosenits KollegInnen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, unterwegs sein müssen.

„Man muss sich vorstellen, unser Gegenüber, das sind Eigentümer, keine Firmen-Manager. Ihr Ziel ist einzig ihr Vermögen zu vermehren.“

Oswald Rosenits

Und unterwegs war Rosenits selbst zuletzt im Team der Metaller bei den Kollektivvertrags-Verhandlungen. „Man muss sich vorstellen, unser Gegenüber, das sind Eigentümer, keine Firmen-Manager. Ihr Ziel ist einzig ihr Vermögen zu vermehren,“ erläutert Rosenits, warum die alljährlichen Metaller-KV-Verhandlungen dermaßen zäh vonstatten gehen. Mit dem diesjährigen Ausgang zeigt sich der Betriebsrat zufrieden.

Metaller-Warnstreiks an der Triesterstraße im Oktober 2021
Foto: Daniel Gürtler

Viel zufriedener aber noch war er mit den Kampfmaßnahmen. „Metaller Protest sorgt für Verkehrsstau“ titelte am vierten November der ORF . Das waren Rosenits’ Leute. Gemeinsam mit 300 LifttechnikerInnen führte er einen Warnstreik auf der Wiener Triester Straße durch. Heute, kurz vor seiner Pension, nennt der die Aktion ein „Abschiedsgeschenk“. Sichtlich glücklich ist er, wenn er ins Handeln kommen kann mit seinen KollegInnen. „Viele Dinge muss man sich erst erkämpfen,“ spricht er aus langjähriger Erfahrung. „Denn geschenkt bekommt man gar nichts.“

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