Es ist wieder so weit: Rechtzeitig vor Weihnachten erhalten die meisten Arbeitnehmer:innen ein zusätzliches Gehalt, das Weihnachtsgeld. In Zeiten hoher Inflation und exorbitanter Teuerungen kommt diese Sonderzahlung besonders gelegen, noch dazu in der Vorweihnachtszeit, in der Weihnachtsmärkte locken und Geschenke für Familie und Freunde gekauft werden.
So selbstverständlich erscheinen uns das 13. und 14. Gehalt inzwischen, dass sich der hartnäckige Irrglaube hält, diese Sonderzahlungen stünden gesetzlich zu.
Kein Weihnachtsgeld ohne Kollektivvertrag
Auch Gudrun T. ist verblüfft, als sie bei einem Beratungsgespräch in der Gewerkschaft GPA erfährt, dass Sonderzahlungen nicht im Gesetz, sondern im anzuwendenden Kollektivvertrag geregelt sind. Sie müssen also ausverhandelt werden. Eigentlich ist Gudrun T. gekommen, um sich ausrechnen zu lassen, wie hoch ihr Anspruch auf Sonderzahlungen am Ende des Jahres sein wird. Sie ist erst seit sieben Monaten in einem Verein beschäftigt und hat sich zumindest die Auszahlung aliquoter Sonderzahlungen erwartet. „Wir unterliegen keinem Kollektivvertrag“, sagt sie nun. „Bedeutet das, dass ich keinen Anspruch auf Sonderzahlungen habe? Muss ich mit 12 Gehältern mein Auskommen finden?“ „So ist es“, bestätigt der GPA-Rechtsberater. Allerdings eröffnet er Gudrun T. Möglichkeiten, doch noch zu einem 13. und 14. Gehalt zu kommen. Er schlägt vor, in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu treten. Sonderzahlungen können auch einzelvertraglich vereinbart werden. „Dabei unterstütze ich Sie gerne“, versichert er. Sein Ziel ist es, eine einheitliche Lösung für alle Arbeitnehmer:innen des Vereins zu finden. Für die Zukunft regt er die Wahl eines Betriebsrates an.
Höhe der Weihnachtsgelds
Gomez P. erkundigt sich in seinem Beratungsgespräch über Höhe und Fälligkeit der Sonderzahlungen. „Beides hängt von den Regelungen im anzuwendenden Kollektivvertrag ab“, erfährt er. Zwar wird das Urlaubsgeld häufig mit dem Juni- oder Juligehalt und das Weihnachtsgeld mit dem November- oder Dezembergehalt ausbezahlt, aber es gibt auch andere Regelungen. Mitunter werden die Sonderzahlungen sogar quartalsweise aufgesplittet.
Gomez P. ist seit eineinhalb Jahren im Einzelhandel angestellt. Er arbeitet Vollzeit und erhält keine Provisionen. Schlägt man den Handels-Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge auf, erfährt man, dass er Anspruch auf Weihnachtsremuneration und Urlaubsbeihilfe hat. Die Weihnachtsremuneration gebührt ihm spätestens am 1. Dezember und beträgt 100 Prozent des Novembergehaltes. Die Fälligkeit der Urlaubsbeihilfe ist etwas komplizierter: Sie gebührt beim Antritt des gesetzlichen Urlaubs, falls dieser in Teilen gewährt wird, bei Antritt des längeren, bei gleich großen Urlaubsteilen bei Antritt des ersten Urlaubsteiles, spätestens aber am 30. Juni Sie beträgt 100 Prozent des im Zeitpunkt des Urlaubsantrittes bzw am 30. Juni zustehenden Bruttomonatsgehaltes.
Sonderzahlung und Überstunden
„Werden geleistete Überstunden in die Bemessungsgrundlage der Sonderzahlungen einbezogen?“, möchte Gomez P. noch wissen. „Üblicherweise nicht“, erläutert der GPA-Rechtsberater. „Das müsste im Kollektivvertrag dezidiert geregelt sein.“
Die im Innendienst einer Versicherung angestellte Svetlana Z. wiederum fragt an, in welcher Höhe ihr Sonderzahlungen zustehen, wenn sie das Unternehmen während des Jahres verlässt. „Ich habe mit Ende November gekündigt“, erklärt sie, „aber in der Endabrechnung zu wenig Weihnachtsgeld erhalten.“ Im Unternehmen werden die Sonderzahlungen Ende Mai bzw Ende November ausbezahlt.
Aliquotierte Sonderzahlungen
Die GPA-Rechtsberaterin erläutert, dass die Sonderzahlungen für 2023 zumindest im aliquoten Ausmaß (nämlich für die geleistete Dienstzeit) zustehen. Das regelt das Angestelltengesetz für den Fall, dass Angestellten Remunerationen gebühren.
„Dann müsste ich anteiliges Weihnachtsgeld für 11 Monate erhalten“, überlegt Svetlana Z. „Aber darf mir der Arbeitgeber auch 1/12 des Urlaubsgeldes abziehen? Das habe ich bereits im Mai zur Gänze erhalten.“ Der anzuwendende Kollektivvertrag regelt, dass bei Beginn und/oder Ende des Dienstverhältnisses während des Kalenderjahres die Sonderzahlungen anteilig gebühren und dass die zu viel erhaltenen Sonderzahlungen rückverrechnet werden können. Die GPA-Rechtsberaterin verspricht, die Endabrechnung in diesem Sinne rechnerisch zu überprüfen.
Rückforderung zu viel erhaltener Sonderzahlungen
Was die Rückforderung zu viel erhaltener Sonderzahlungen betrifft, können Kollektivverträge allerdings auch für Arbeitnehmer:innen günstigere Regelungen treffen. Die Aliquotierungsregelung des Angestelltengesetzes definiert lediglich den Mindestanspruch.
Manche Kollektiverträge verzichten im Fall bestimmter Auflösungsarten auf die Rückforderung zu viel erhaltener Sonderzahlungen, zB dann, wenn der oder die Arbeitgeber:in kündigt oder ungerechtfertigt entlässt oder wenn der oder die Arbeitnehmer:in berechtigt vorzeitig austritt.
Unterschied Urlaubsgeld und Urlaubsentgelt
Einen weiteren verbreiteten Irrtum gilt es noch aufzuklären: Der Urlaubszuschuss, auch Urlaubsbeihilfe oder Urlaubsgeld genannt, muss vom sogenannten Urlaubsentgelt unterschieden werden.
Unter Urlaubsentgelt versteht man jenes Einkommen, das Arbeitnehmer:innen während ihres Urlaubs zusteht, obwohl sie in dieser Zeit keine Arbeit leisten (Entgeltfortzahlung).
Anders als beim Urlaubsgeld müssen in die Bemessungsgrundlage des Urlaubsentgelts neben dem Grundgehalt auch andere Entgeltbestandteile eingerechnet werden. Hier spielen bei der Berechnung also auch regelmäßig geleistete Überstunden, eine Überstundenpauschale oder Zulagen eine Rolle. Die Konsumation von Urlaub darf Arbeitnehmer:innen nämlich finanziell nicht schlechter stellen als wenn sie gearbeitet hätten (Ausfallsprinzip).