Ein Projekt zur Vier-Tage-Woche in Südafrika zeigt nicht nur die Vorteile, sondern auch wie die Veränderungen auf den verschiedenen organisatorischen Ebenen ankommen. Ein Überblick.
2169 Jahre an Arbeitszeit sollen die Projekte von „4 Day Week Global“ bislang eingespart und damit ebenso viele Jahre an Freizeit generiert haben. So wird es zumindest auf der Website des weltweit tätigen Initiative etwas plakativ proklamiert. Bis Herbst 2023 lief das erste derartige Projekt am afrikanischen Kontinent, und die Ergebnisse sind beachtlich.
„Ich glaube, das Projekt der Vier-Tage-Woche macht alle Angestellten glücklich,“ wird im Projektbericht ein Manager eines beteiligten Unternehmens aus Südafrika zitiert: „Weil es zeigt, dass sich jemand über ihr Wohlbefinden Gedanken macht, ihre Leistungen anerkennt und den Stress sieht, dem sie ausgesetzt sind.“
„Ich glaube, das Projekt der Vier-Tage-Woche macht alle Angestellten glücklich,“
Manager über den Test der 4-Tage-Woche
Für sechs Monate hatten 27 Unternehmen in Südafrika und eines in Botswana ihre Bediensteten eine Vier-Tage-Woche ermöglicht. Die beteiligten Firmen konnten gleich oder sogar noch produktiver arbeiten, trotz Reduktion der Arbeitstage. Und es zeigte sich, nicht nur die Weiterentwicklung des Unternehmens in der Zeit möglich sei, sondern auch unternehmerisches Wachstum.
Reduktion der Arbeitszeit
In der Versuchsphase konnten Beschäftigte ihre Arbeit an vier Tagen pro Woche entrichten, bei gleicher Entlohnung. Um den Übergang möglichst sanft zu gestalten wurden Unternehmen und Beschäftigte über eine Phase von zwei Monaten mit Workshops und Beratung an das Thema herangeführt. Begleitet wurde der gesamte Prozess von Wissenschafter:innen des Boston College und der Stellenbosch Business School.
Eine Vier-Tage-Woche bedeutet aber mehr als nur weniger Arbeitstage. Im Vorfeld des Versuchs wurden die Arbeitsweisen der Beschäftigten, der ganzen Unternehmen unter die Lupe genommen und „signifikant überarbeitet“, wie es in dem Projektbericht heißt, „um in kürzerer Zeit dasselbe – oder mehr“ zu erreichen. Klüger arbeiten, nicht länger. Die wenigsten Unternehmen aber hatten etwa am Freitag geschlossen. Meist ließen sich andere Lösungen finden, die eine Erreichbarkeit über die ganze Woche ermöglichten.
Viele weibliche Beschäftigte
Beteiligt waren vor allem Unternehmen aus dem digitalen Dienstleistungssektor, der Marketing-, IT-, Finanz- oder Beratungsbranche. Darunter waren IQbusiness, Südafrikas größtes Management- und Technologie-Beratungsunternehmen, Big Beard Web Solutions, das im Bereich Webdesign und Entwicklung arbeitet oder Communicare, das im sozialen Wohnungsbau und der Immobilienentwicklung tätig ist.
Die Mehrzahl der Teilnehmenden sind kleinere Firmen mit bis zu 10 Angestellten, aber auch mittelgroße haben teilgenommen, ebenso wie drei, die mehr als 50 oder 100 Menschen in ihrem Betrieb beschäftigen. Zwei Drittel der Beschäftigten sind weiblich.
Beschäftigte zufrieden
„Zu Beginn war es etwas holprig, aber als sich mit den Monaten am Arbeitsplatz alles beruhigte, war es wirklich eine gute Erfahrung.“
Angestellter über den Test der 4-Tage-Woche
Das Gros der Arbeitnehmer:innen zeigte sich im Nachgang des Projekts sehr zufrieden mit der Vier-Tage-Woche. Jeder zweite konnte die eigene Leistung steigern, jeder Zehnte gab an für kein Geld der Welt wieder fünf Tage die Woche arbeiten zu wollen.
Befragt nach dem subjektiven Wohlbefinden äußerte etwa die Hälfte, dass sie mit ihrem Zeitmanagement besser zurecht kämen und ihre Arbeitsstress und die Burn-out Gefährdung reduzieren konnten. 50 Prozent berichteten auch davon mehr Freizeitaktivitäten zu unternehmen. Mehr als die Hälfte der befragten Beschäftigten berichteten von gesteigerter Kreativität im Job.
Eine einzige Managerin berichtete, sie wolle bei fünf Arbeitstagen bleiben: „Danke, ich will aber nicht einen Tag mehr zu Hause sein und auf mein Kind aufpassen.“
Profite der Unternehmen stiegen
Führungskräfte haben den halbjährlichen Versuchsbetrieb mit 7,5 von 10 Punkten bewertet. Die Produktivität sei sehr zufriedenstellend, auch sei es gut gelungen neue Mitarbeiter:innen zu gewinnen. Es wurde auch über einen Rückgang der Kündigungen (im Schnitt minus elf Prozent) und weniger Fehlzeiten der Angestellten (minus neun Prozent) berichtet. Die Profite der Unternehmen stiegen dabei im Durchschnitt um zehn Prozent.
„Die Arbeitsmoral ist aktuell auf einem Allzeit-Höchststand.“
Manager über den Test der 4-Tage-Woche
„Die Arbeitsmoral ist aktuell auf einem Allzeit-Höchststand,“ so ein Manager. Das bestätigt ein weiterer: „Die Beschäftigten kamen mit neuer Energie zurück zur Arbeit um ihr Bestes zu geben. Die Leistung ist besser, was auch daran liegt, dass unsere Mitarbeiter motiviert sind.“
Auch soll die Mitarbeiter-Bindung durch die Vier-Tages-Woche gesteigert sein. Ein Unternehmen, das traditionell mit hoher Fluktuation zu kämpfen hat, berichtet davon, in der Zeit seines Bestehens erstmals keine offenen Stellen zu haben. Ein Manager eines anderen Unternehmens zeigte sich nach dem Projekt optimistisch. Er wird in dem Projektbericht zitiert mit: „Fühle ich mich noch ein bisschen unter Druck und ausgebrannt? Ja. Aber das hat nichts mit der Vier-Tage-Woche zu tun! Es sind einfach die jährlichen Wachstumsschübe im Unternehmen, die zusätzlichen Druck machen. Aber das Team ist in einem besseren Zustand, es scheinen glücklicher zu sein.“
Wissenschaftliche Begleitung
Die Leiterin der quantitativen Forschung des Projekts, Professor Juliet Schor vom Boston College, findet die Ergebnisse „beeindruckend“, wenn auch die Arbeitszeit nicht in allen Fälle um acht Arbeitsstunden gesenkt werden konnte. „Was Wohlbefinden, Stress, die Gefahr für Burnout, Müdigkeit, Schlafprobleme, und die psychische Gesundheit allgemein angeht, gab es Verbesserungen. Ebenso in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“ Zudem hätten sich die Beschäftigten in ihrer selbst-berichteten Produktivität ohne einer Zunahme der Arbeitsintensität gesteigert, sagt Schor.
„Was Wohlbefinden, Stress, die Gefahr für Burnout, Müdigkeit, Schlafprobleme, und die psychische Gesundheit allgemein angeht, gab es Verbesserungen. Ebenso in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.“
Juliet Schor, Boston College
Die Vier-Tage-Woche war für viele die Fortführung der durch Corona ohnehin schon etablierten flexibleren Arbeitsbedingungen. Die meisten der teilnehmenden Unternehmen (92 Prozent) planen die geänderten Arbeitszeiten auch in Zukunft beizubehalten.
Die Studienautor:innen stellten aber auch fest, dass es „Führung und Engagement für die Einführung neuer flexibler Arbeitsvereinbarungen“ brauche – sowohl auf organisatorischer Ebene, als auch auf jener von Management und Mitarbeiter:innen. Der Übergang zur Vier-Tage-Woche sei nicht mit einem Schritt zu bewerkstelligen, sondern eine Reihe von Anpassungen brauchen. Immerhin handle es sich um Organisationen und Menschen, die in einem Lernprozess stecken.
Freitag mit der Oma
Die Arbeitsreduktion kann aber auch ein Vehikel sein um die Stellung der Arbeit in der Gesellschaft neu zu denken. Ein Manager gab zu Protokoll: „Die Erwartungen der Kunden stimmen nicht mit den Leistungen der Agentur überein. Wir produzieren gestresste, ausgebrannte Lehrlinge in einer gestressten, ausgebrannten Branche. Das muss sich ändern.“
Zeit könnte als die „neue Ware“ definiert werden, von welcher die Lohnabhängigen zu wenig haben. Ein Angestellter berichtete: „Die Vier-Tage-Woche gibt mir die Möglichkeit mehr Zeit mit meiner Oma zu verbringen. Jetzt kann ich jeden Freitag zusammen mit ihr Mittag essen.“
Freizeit als „neue Ware“ für die es sich aus Beschäftigten-Sicht zu kämpfen lohnt. Die Vier-Tage-Woche kann ein guter Start zu sein.
Link zur gesamten Studie „South Africa. A 4 Day Week Pilot Program“