Wolfgang Heinzl ist Österreichs oberster Banken-Gewerkschafter. Er verhandelt derzeit eine Reallohnerhöhung für die 80.000 Angestellten der Finance-Branche.
Die Rahmenbedingungen für den höchsten Gewerkschaftsfunktionär des Landes, der für die Angestellten aller Banken- und Finanz-Institute spricht, waren noch nie so schwierig wie jetzt. Das gleich zu Beginn des Interviews zuzugeben, damit hat Wolfgang Heinzl keinerlei Probleme. Denn: „Wenn’s einen Gott gibt auf dieser Welt, dann hat er mir eines mitgegeben, und das ist, dass ich gut abschalten kann“, erklärt Heinzl.
Die Arbeit bis zum nächsten Tag hinter sich zu lassen, das schafft er meist schon auf der Heimfahrt, vielleicht bei einer Zigarette, oder dann beim Entspannen auf Facebook im Internet. Man glaubt es ihm, wenn er meint, „ich bin nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen“, so geduldig, wie er wirkt, und so überlegt, wie er antwortet. „Wenn’s stressig wirkt, sage ich, so Leute, wir machen jetzt einen Schritt nach dem anderen.“
Kollektivvertrag Finance
Wolfgang Heinzl sagt von sich selbst, „ich habe einen langen Atem“. Und den wird er in diesen Wochen ganz besonders brauchen. „Es wird zunehmend schwerer, den MitarbeiterInnen Ruhe zu vermitteln.“ Heinzl ist Zentralbetriebsratsvorsitzender der Bank Austria und seit rund eineinhalb Jahren Vorsitzender der Wirtschaftsbereichsgemeinschaft (WBG) Finance in der GPA-djp. Er ist somit Chefverhandler für die rund 80.000 Angestellten der österreichischen Banken, Sparkassen, Raiffeisenbanken, Kreditkartengesellschaften, Volksbanken und Hypobanken. Seit Mitte Jänner leitet er die diesjährigen Verhandlungen über den Kollektivvertrag (KV) auf der Seite der ArbeitnehmerInnen.
Klarerweise ist Wolfgang Heinzl loyal zur Bank Austria, seiner Arbeitgeberin, für die – seinerzeit als „Zentralsparkasse“ – er seit ziemlich genau 40 Jahren tätig ist. Dass er deshalb manchmal in einen Interessenskonflikt gerät als gleichzeitig neutraler Verhandlungsleiter für alle Banken, glaubt er nicht. „Ich behaupte nicht, die Bank Austria sei eine Insel der Seligen.“
Branche unter Druck
Aber der Druck auf die MitarbeiterInnen in der gesamten Branche sei immens gewachsen in den vergangenen Jahren. Nach dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise ist es schon vorgekommen, dass Kunden einzelne ArbeitnehmerInnen in den Filialen beschimpft und bedroht haben, schildert Heinzl die Lage derjenigen, für die er dieser Tage die KV-Verhandlungen führt. „Beim Thema Fremdwährungskredite“, gesteht er, „da haben alle Banken Fehler gemacht“. Und dass die Institute ihre Angestellten derart unter Druck setzen, indem sie pro Jahr bestimmte Volumsziele von – teilweise auch riskanten – Finanz-Produkten verkaufen müssen, soll sich auch ändern. „Aus der Erkenntnis, dass wir wieder das Vertrauen in die KundInnen gewinnen müssen.“
Gehaltserhöhung gerechtfertigt
Das ist denn auch die Erklärung, mit der Heinzl den gewerkschaftlichen Standpunkt bekräftigt: „Ja, man muss in Zeiten wie diesen eine nettoreale Gehaltserhöhung fordern.“ Die operativen Geschäfte würden eine Erhöhung rechtfertigen, und der Personalaufwand gemessen an den Betriebserträgen sei laufend gesunken. Die Wertberichtigungen seien durch Entscheidungen des Managements in der Vergangenheit verursacht worden, dafür dürften aber die Beschäftigten nicht zur Kasse gebeten werden.
„Wir verhandeln die Valorisierung der Gehaltsschemata“ – ganz im Gegensatz zum italienischen Mutter-Institut UniCredit: In Italien führt jede Bank ihre eigenen KV-Verhandlungen. Ein besonderes Anliegen in Österreich sind die niederen Gehälter, präzisiert Wolfgang Heinzl. „Wie junge Schulabgänger mit diesen Einstiegsgehältern eine Familie erhalten sollen, ist mir ein Rätsel.“ Die Lehrlingsentschädigung müsse ebenfalls angehoben werden. Eine weitere wichtige Forderung in den KV-Verhandlungen ist die Anrechnung aller Karenzzeiten für alle dienstzeitabhängigen Ansprüche. Und dafür lohnt es sich, nötigenfalls auch mit gewerkschaftlichen Aktionen, couragiert und entschlossen zu kämpfen, betont er.
Überzeugter Verhandler
Ungeachtet der Krisenstimmung im Finanz-Sektor hat man den Eindruck, Wolfgang Heinzl übt seine Funktion als ArbeitnehmerInnenvertreter mit Leidenschaft aus. „So lange es geht, ist der Verhandlungsweg der beste“, hat er sich zur Maxime gesetzt. Dabei ist die Fraktion der sozialdemokratischen GewerkschafterInnen (FSG), die er vertritt, in der Finance-Branche in der Minderheit. Erschwerend kommt hinzu, dass die MitarbeiterInnen der ganzen Branche nicht leicht zu mobilisieren seien, erzählt Rapid-Fan Heinzl. „Aber ich habe den sportlichen Ehrgeiz, Dinge umzusetzen.“
Warum er sich das alles antut? „Ich habe eigentlich immer Menschen gern gehabt. Ich bin nicht machtgeil, und es war nicht mein Lebensziel, Betriebsratsvorsitzender zu werden, sondern das hat sich aus einer Eigendynamik ergeben.“ Eine höhere politische Funktion strebe er jedenfalls nicht an, beteuert er. „Ich werde heuer 59, und ich hab‘ immer gesagt, lasst die jungen Leute ran.“ Er spüre schon manchmal, dass seine Regenerationszeiten länger werden, so Heinzl, „wir stehen ja schon seit Jahren unter Druck“.
Abwehr von Kündigungen
Das wird sich freilich nicht so schnell ändern. Zumal dem Zentralbetriebsratsvorsitzender der Bank Austria noch eine größere innerbetriebliche Front bevorsteht: Die UniCredit will im Gefolge der internationalen Krise bis 2015 die Kosten um 1,5 Milliarden Euro senken. Dazu werden etwa auch die Ausbaupläne der Bank Austria in Ungarn und Rumänien auf Eis gelegt – und die Anzahl der MitarbeiterInnen soll reduziert werden. Betriebsbedingte Kündigungen sind ein Tabu für ihn und die möchte der Betriebsratsboss auch weiter abwehren, erklärt er im Gespräch. Dann zündet er sich eine Zigarette an und strahlt wieder die Ruhe in Person aus. „Man muss sich seiner eigenen Stärke bewusst sein, ohne das permanent zur Schau zu stellen.“