„ArbeitgeberInnen müssen Rassismus am Arbeitsplatz ernst nehmen!“

Foto: Nurith Wagner-Strauss

Seit Wochen bestimmt das Thema Rassismus die mediale Berichterstattung. Viele von uns erleben auch an ihrem Arbeitsplatz Diskriminierung. Meysara Majdoub von ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) erklärt, wie sich Betroffene gegen Rassismus wehren können – und wie ArbeitgeberInnen dafür sorgen könnten, dass es erst gar nicht soweit kommt.

KOMPETENZ: Wie groß ist das Problem Rassismus in unserer Gesellschaft und im Bereich Arbeit – was sind die Auswirkungen?

Meysara Majdoub: Rassismus ist in der Gesellschaft enorm tief verankert und wir alle tragen irgendwo Vorurteile in uns. Keiner ist davon frei. Im Jahr 2019 haben wir bei ZARA 1950 rassistische Vorfälle bearbeitet, davon betrafen 59 den Arbeitsbereich. Diese Zahlen sind nur die Spitze des Eisberges. Und damit nicht repräsentativ, weil wir ja nur Fälle registrieren, die von Betroffenen oder ZeugInnen aktiv an uns herangetragen werden.

Ich glaube, sehr viele Menschen sind von Diskriminierung am Arbeitsplatz betroffen. Sehr viele Menschen aus meinem Umfeld haben in ihrem Arbeitsumfeld Rassismus erlebt. Das kann von KollegInnen oder ArbeitgeberInnen ausgehen, manchmal sind das auch unreflektierte Aussagen, die für die Betroffenen sehr verletzend sein können.

Vor allem am Arbeitsplatz ist das sehr belastend und kann massive Auswirkungen mit sich bringen, wie Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörung oder sogar Suizidgedanken.

KOMPETENZ: Welche Themen kommen in euren Beratungsgesprächen am häufigsten zu Sprache?

Meysara Majdoub: Oft werden uns Vorfälle rassistischer Diskriminierung schon im Bewerbungsverfahren um Arbeitsstellen gemeldet – etwa von Musliminnen, die ein Kopftuch tragen. Sie werden manchmal schon vor dem Bewerbungsgespräch gefragt, ob sie bereit sind ihr Kopftuch abzulegen. Man geht also kaum auf die Qualifikationen der BewerberInnen ein, sie werden erst gar nicht zu Bewerbungsgesprächen eingeladen.

Andere Meldungen betreffen Menschen, die schon in einem Arbeitsverhältnis stehen  und von ArbeitgeberInnen oder KollegInnen rassistisch beschimpft oder belästigt werden, bis hin zu rassistisch motiviertem Mobbing.

Ein besonders großes Problem ist, dass die ArbeitgeberInnen, wenn sie informiert werden, oft nicht den Betroffenen glauben, sondern denen, von denen die Diskriminierung ausgeht. Dabei sind ArbeitgeberInnen verpflichtet ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen.

Uns wurden auch Vorfälle gemeldet bei denen sich Betroffene an den Arbeitgeber gewendet haben, weil sie von KollegInnen beleidigt wurden – und daraufhin selbst entlassen wurden.

KOMPETENZ: Wie können sich Betroffene von Rassismus am Arbeitsplatz wehren?

Meysara Majdoub: Sich Hilfe suchen und sich über die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten informieren. Wer von Rassismus betroffen ist, kann sich bei ZARA oder der Gleichbehandlungsanwaltschaft rechtliche Hilfe und Beratung suchen.

„Ein besonders großes Problem ist, dass die ArbeitgeberInnen, wenn sie informiert werden, oft nicht den Betroffenen glauben, sondern denen, von denen die Diskriminierung ausgeht.“

Meysara Majdoub

Es hilft ein Gedächtnisprotokoll zu schreiben, denn falls man später rechtliche Schritte einleiten will, hilft das, die rassistische Belästigung glaubhaft zu machen. Sollte die rassistische Belästigung von anderen ArbeitskollegInnen ausgehen, wäre es ein wichtiger Schritt direkt an den Arbeitgeber heranzutreten.

Es gibt aber keinen universellen Leitfaden für das richtige Vorgehen. Wir haben es mit einer sehr komplizierten Dynamik zu tun.

KOMPETENZ: Auf welche gesetzlichen Grundlagen gegen Rassismus kann man sich stützen

Meysara Majdoub: Die geschützten Merkmale sind im Gleichbehandlungsgesetz normiert. Dort steht, dass man aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit, seiner Weltanschauung, seines Geschlechts, der Religion, des Alters oder der sexuellen Orientierung nicht ungleich behandelt werden darf.

Meysara Majdoub ist Beraterin ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit). Sie berät Menschen, die am Arbeitsplatz aus rassistischen Gründen diskriminiert werden. Nebenbei studiert sie Rechtswissenschaften an der Universität Wien und spezialisiert sich auf den Bereich Grund- und Menschenrechte sowie Religionsrecht.
Fotos: Nurith Wagner-Strauss

KOMPETENZ: Wie sieht ein mögliches Vorgehen gegen Diskriminierung am Arbeitsplatz durch ZARA aus?

Meysara Majdoub: Es kommt immer auf den Wunsch der KlientInnen an, das heißt, wir klären sie über ihre Möglichkeiten auf und setzen dann die Handlungen, die sie sich wünschen:

Manchmal bedeutet das ein Interventionsschreiben an den Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin. Darin klären wir sie über das Gleichbehandlungsgesetz auf, und weisen sie auf die Pflicht der Schaffung eines diskriminierungsfreien Arbeitsplatzes hin, wir berichten ihnen von den diskriminierenden Vorfällen im Unternehmen und bitten dagegen vorzugehen oder Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen. Oft ist damit schon einiges getan.

Wenn die KlientInnen das wollen, dann schreiben wir auch einen Antrag an die Gleichbehandlungskommission. Die Kommission kann festlegen, ob es sich um eine Diskriminierung gehandelt hat oder nicht. Sie kann aber nur eine Empfehlung über einen Schadensersatz erlassen, das wäre im Gegensatz zu einem gerichtlichen Urteil nicht vollziehbar. Als nächsten Schritt kann man den Fall dann aber vor das Arbeits- und Sozialgericht bringen.

Manche KlientInnen wünschen sich auch nur die Dokumentation eines Vorfalls. Es ist wirklich immer unterschiedlich.

KOMPETENZ: Was können ArbeitgeberInnen tun um ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen?

Meysara Majdoub: ArbeitgeberInnen müssen das Thema Rassismus und Ausgrenzung im Arbeitsumfeld sehr ernst nehmen, etwa wenn sich MitarbeiterInnen melden, sie wurden in der Arbeit diskriminiert.

Auch können sich ArbeitgeberInnen fragen, wie es im eigenen Unternehmen aussieht: Haben wir Gruppen die unterrepräsentiert sind? Welche positiven Anreize kann ich setzen, um diese Gruppen in meinem Unternehmen zu fördern? Da lässt sich einiges machen.

ZARA bietet auch Diversity-Trainings an, wo man den Umgang mit Vielfalt erlernt.

KOMPETENZ: Wie können sich KollegInnen verhalten, die rassistisches Benehmen in der Arbeit beobachten?

Meysara Majdoub: Zivilcourage zeigen! Auch wenn man nicht direkt von einer rassistischen Beleidigung betroffen ist, kann man sich an den Täter bzw. die Täterin wenden und ihn wissen lassen, das ihr oder sein Verhalten nicht in Ordnung war. Man kann die Betroffenen bestärken. Es ist auch möglich Informationen über den Vorfall an ArbeitgeberInnen weiterzuleiten, um so etwas künftig zu verhindern.

ZARA –  Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit
Tel: 01 192 913 99
zara.or.at
Gleichbehandlungsanwaltschaft
Tel: 0800 206 119
www.gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at

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