In Deutschland gilt das österreichische Pensionssystem als vorbildhaft. WKÖ und IV verbreiten trotzdem Zweckpessimismus.
Üblicherweise sind es Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung, die mit Vorliebe Vergleiche zu Deutschland ziehen – in der Regel, um Österreichs Wirtschaft und Arbeitsmarkt schlechtzureden und um den angeblichen Reformstau in Österreich zu illustrieren. Nun hat die deutsche Böcklerstiftung im Rahmen einer Studie mit dem Titel „Vom Nachbarn lernen“ die Alterssicherung in Deutschland und Österreich verglichen und festgestellt, dass Österreich hier deutlich besser abschneidet. Während Österreich nach wie vor hauptsächlich auf die umlagefinanzierte gesetzliche Pensionsversicherung setzt, wurde und wird in Deutschland das Niveau dieser „ersten Säule“ immer stärker abgesenkt. Private Altersvorsorge soll die geringeren Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichen. Das ist ein Modell, das nicht aufgeht. Im Vergleich zum deutschen Pensionssystem gewährt das österreichische einen deutlich besseren Schutz im Alter und sichert sowohl „DurchschnittspensionistInnen“ als auch GeringverdienerInnen merklich besser ab. Auch die Pensionsperspektiven für die heute Jüngeren sind in Österreich wesentlich besser als in Deutschland. Die Studie zeigt außerdem, dass ein starkes öffentliches Pensionssystem die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Landes nicht belastet.
Offensichtlich existiert, was das österreichische Pensionssystem betriff t, ein markanter Unterschied zwischen Innen- und Außensicht. Während sich in Österreich die Wirtschaftsvertreter gegenseitig mit Schreckensszenarien über den Zustand des österreichischen Pensionssystems übertrumpfen, werden wir in Deutschland durchaus darum beneidet.
Gewisse politische AkteurInnen in Österreich sind jedenfalls was das Thema Pensionen betrifft mit einer speziellen, sehr selektiven Form der Blindheit geschlagen. Sie sind nicht nur blind gegenüber einer positiven Außensicht aus dem sonst so hochgelobten Deutschland. Sie sind auch blind gegenüber den Reformerfolgen der vergangenen Jahre. Auch dass die Menschen, wie immer gefordert, seit diesen Reformen merklich später in Pension gehen, fällt offenbar dem blinden Fleck zum Opfer. Genauso wie die Tatsache, dass sich der Kostenanstieg in Relation zur demografischen Entwicklung in den nächsten Jahrzehnten in Grenzen halten wird. Von der chronischen Blindheit gegenüber den Misserfolgen der privaten Vorsorge überhaupt nicht zu reden. Unvermindert wird auf eine neuerliche (Pensionskürzungs-) Reform gepocht und in Endlosschleife die immer gleichen Horrormeldungen vom drohenden Kollaps der staatlichen Pensionen verbreitet. Doch da haben sie die Rechnung ohne die Gewerkschaften gemacht. Zum Glück sind wir im Gegensatz zu IV und Wirtschaftskammer von selektiver Blindheit verschont geblieben und haben die dahinter liegende Strategie längst erkannt: Den Menschen so lange zu erklären, dass sie ohnehin keine staatliche Pension bekommen, bis sie es schließlich glauben und auch massive Einschnitte widerstandslos hinnehmen, die dann angeblich durch private Vorsorge auf den Aktienmärkten ausgeglichen werden müssen.