Die Arbeitgeber brachten den Drucker-Kollektivvertrag zum Erlöschen. Trotz Bemühungen der ArbeitnehmerInnen haben die Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag noch nicht begonnen.
Rund 9.000 Beschäftigte in der Drucker-Branche warten auf einen Kollektivvertrag (KV). Den bis vor kurzem geltenden KV haben die Arbeitgeber trickreich aufgelöst. „Das wollen wir uns nicht mehr gefallen lassen“, zeigt sich Michael Ritzinger, Vorsitzender des Wirtschaftsbereichs Druck, Kommunikation, Papierverarbeitung in der GPA-djp verärgert. Der Hintergrund: Im September 2016 strich der Verband Druck & Medientechnik Österreich den Punkt „Kollektivvertragsfähigkeit“ einfach aus seiner Satzung.
Die absurde Begründung für die Streichung und damit das Aus für den KV: In der bisher geltenden Vereinbarung seien manche Passagen unklar formuliert. Das könne dazu führen, dass einige Mitgliedsunternehmen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz bestraft werden. Seither ist ein ganzes Jahr vergangen und die Arbeitgeber zeigen wenig Interesse, einen neuen KV zu verhandeln.
Böse Überraschung
In einer Sozialpartnerschaft steht es den jeweiligen Partnern zwar frei, den Kollektivvertrag einseitig zu kündigen. Doch üblicherweise setzen sich die Arbeitgeber und Gewerkschaften an einen Tisch, um die strittigen Punkte neu zu verhandeln. Ungewöhnlich war allerdings auch die Art und Weise, wie der Kollektivvertrag aufgekündigt wurde – die ArbeitnehmerInnen und die Gewerkschaft erfuhren die Neuigkeiten durch eine Presseaussendung. Michael Ritzinger fühlt sich von dieser Vorgehensweise brüskiert: „Wir hatten bereits Arbeitsgruppen eingesetzt, die über eine Modernisierung des Kollektivertrags verhandelten. Bei einigen Unternehmen waren wir vor Ort und niemand hat sich bei uns beschwert.“ Die Arbeitgeber sagten, es sei alles in Ordnung und sie würden sich nur etwas mehr Flexibilität wünschen. „Deshalb waren wir auch sehr verwundert, dass sich der freiwillige Arbeitgeberverband Druck & Medientechnik auf diese Art der Kollektivvertragshoheit entledigt hat“, erklärt Ritzinger.
Spielchen statt handeln
In einer einstimmigen Resolution fordert die GPA-djp: „Schluss mit den Spielchen!“ Michael Ritzinger macht deutlich: „Wir sind bereit, mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln für unseren Kollektivvertrag zu kämpfen!“
Durch geschicktes Taktieren haben es die Arbeitgeber geschafft, die Verhandlungen über einen neuen KV zu verzögern. Mit Juni war der alte KV allerdings endgültig Geschichte – das Bundeseinigungsamt hatte offiziell festgestellt, dass der Verband Druck & Medientechnik Österreich keine Befähigung zum Abschluss eines Kollektivvertrags mehr hat. Das Mandat ging damit an die Landeskammern der Wirtschaftskammer Österreich über.
Protest vor der WKO
Deshalb protestierten über 400 betroffene ArbeitnehmerInnen Mitte Juni lautstark vor der Wirtschaftskammer in Wien für einen raschen Abschluss mit der WKO.
Denn die WKO muss jetzt einen bundesweiten Kollektivvertrag für alle Beschäftigten im grafischen Gewerbe verhandeln. „Wir wollen keinen kollektivvertragsfreien Zustand akzeptieren und halten auch Verhandlungen über Kollektivverträge auf Landesebene der Wirtschaftskammern nicht für zielführend“, ergänzt Christian Schuster, Wirtschaftsbereichssekretär in der GPA-djp. „Das würde nur zu gravierenden Wettbewerbsverzerrungen führen.“
Doch statt zu konstruktiven Gesprächen aufzurufen, verstecken sich die Arbeitgeber hinter formalen Regelungen. Christian Schuster beschreibt es so: „Der Verband Druck & Medientechnik wollte nicht länger verhandeln, und die Fachgruppen in den Bundesländern erklärten sich bis Juni als noch nicht zuständig.
Jetzt ist die Zuständigkeit in der Wirtschaftskammer. Und weil es unser Ziel ist, wieder einen Kollektivvertrag für ganz Österreich abzuschließen, wollen wir natürlich mit dem Bundesfachverband Druck in der Wirtschaftskammer verhandeln.“
Eine einjährige Narretei
Der Bundesverband winkt ab, da erst die Verzichtserklärungen der Fachgruppen aus den Bundesländern eintreffen müssen. Und das wiederum bedeutet nichts anderes als Warten. Im günstigsten Fall können die neuen KV-Verhandlungen im Dezember 2017 starten – mehr als ein Jahr nach der Kündigung durch den Verband Druck & Medientechnik Österreich.
Einige Arbeitgeber haben bereits die Arbeitsbedingungen für ihre Beschäftigten durch neue Einzelvereinbarungen verschlechtert. Christian Schuster: „Die Arbeitswoche beträgt bei diesen MitarbeiterInnen dann 40 statt 38,5 Stunden. Und es gibt Fälle, wo die Nachtzuschläge erst ab 22 Uhr und nicht, wie vorgesehen, ab 19 Uhr bezahlt werden.“ Kürzungen gibt es auch beim Urlaubszuschuss und der Weihnachtsremuneration.
Günther Schalek arbeitet bei den Oberösterreichischen Nachrichten – als Konzernbetriebsrat vertritt er 600 MitarbeiterInnen, als Arbeiterbetriebsrat 90 Beschäftigte. „Wir sind sauer, dass dieser Zustand schon so lange andauert. Viele Menschen in unserem Betrieb sind verunsichert und wissen nicht, wie es auf Dauer weitergehen soll.“ Im Betrieb ist die Gewerkschaft stark, die Regelungen des Kollektivvertrags gelten bei den Oberösterreichischen Nachrichten auch für ArbeitnehmerInnen, die in der Zwischenzeit neu zur Firma gekommen sind. „Wir sind durch Betriebsvereinbarungen gut abgesichert“, weiß Schalek. Der Betriebsrat vermutet, dass viele Unternehmen keinen Kollektivvertrag mehr wollen und stattdessen nur auf betrieblicher Ebene zu Verhandlungen bereit sind.
„Keiner von uns möchte einen Arbeitskampf. Wenn wir aber, wie es im Moment der Fall ist, dazu gezwungen werden, werden wir ihn führen“, erklärt Wirtschaftsbereichssekretär Schuster mit Nachdruck. „Mehr als nur ein Zeichen sind die Kundgebungen und Betriebsversammlungen – denn ohne Druck geht gar nichts! Wir kämpfen um unseren Kollektivvertrag!“