Helmut Wolff, ehemaliger Europa-Betriebsrat bei unify im Interview mit Datenschutzexpertin Clara Fritsch
Clara Fritsch: Du hast in deiner Tätigkeit als BR immer wieder das Thema Beschäftigtendatenschutz aufs Tapet gebracht. Wie bist du vorgegangen?
Helmut Wolff: Das kommt drauf an, in welcher Rolle man selbst sich gerade befindet. Bei Verhandlungen zur Betriebsvereinbarung haben wir Betriebsräte immer verlangt, dass genau, also taxativ, aufgezählt wird, welche personenbezogenen Daten wofür verwendet werden. Auf internationaler Ebene habe ich zum Beispiel versucht, Verbündete in den anderen Niederlassungen zu finden – bis auf Deutschland muss ich ehrlicher Weise sagen, ist das aber auf wenig Interesse gestoßen. Da darf man sich nicht zu viel erwarten. Aber immerhin konnten wir das Datenschutz-Thema innerhalb des Europäischen Betriebsrates zu einem der wichtigsten machen.
Wenn was zum Datenschutz in der Zeitung gestanden ist, hab ich schon mal den Artikel mitgenommen und dem zuständigen HR-Chef auf den Schreibtisch gelegt. Als Kollege konnte ich ihn so auf Veränderungen in der Gesetzeslage aufmerksam machen.
Fritsch: Was konntest du mit deinem Einsatz erreichen?
Wolff: Als bei uns eine konzernweite Skill-Datenbank eingeführt wurde, die die Bildung von internationalen Teams je nach Qualifikation der Beschäftigten erleichtern sollte, da konnten wir verhindern, dass eine zentrale, für alle sichtbare Beurteilung kommt. Wir haben durchgesetzt, dass ausschließlich der disziplinäre Vorgesetzte den oder die Mitarbeiter_in beurteilen darf. Außerdem können auch nur direkte Vorgesetzte sehen, wenn sie Mitarbeiter_innen für ein neues Projekt suchen, wer welche Qualifikationen hat. Diese Führungskräfte entscheiden dann, ob die Leute in ihrer Abteilung überhaupt Zeit für Extra-Projekte haben oder sie wissen ohnehin, dass die aus privaten Gründen gar nicht interessiert sind. Und damit ist verhindert worden, dass irgendwelche Projektleiter nur wegen „schönen Profilen“, die Kolleginnen und Kollegen kontaktieren.
Wir haben Log-Ins für uns als Betriebsräte in ein neues Performancemanagement System eingefordert, das zur Berechnung der variablen Einkommen und zur Leistungsbeurteilung dienen soll. Nachdem uns dies zuerst seitens der Geschäftsführung verweigert wurde, haben wir in der Betriebsvereinbarung einfach keine weiteren Module mehr frei gegeben. Das Grundmodul konnten wir natürlich nicht mehr rückgängig machen, aber ohne betriebsrätliche Kontrollmöglichkeiten wollten wir nicht riskieren, dass Leistungen erhoben, international ausgewertet und wofür auch immer verwendet werden – wobei „international“ in unserem Fall eben auch die USA einschließt. Wichtig war auch, dass wir festgehalten hatten, dass für neue Module die Betriebsvereinbarung erweitert werden muss, sodass eine „schleichende“ Einführung weiterer Module explizit ausgeschlossen wurde.
Sehr hilfreich war unsere Abmachung, den betrieblichen Datenschutz einmal im Jahr ganz allgemein anzuschauen. Durch diese regelmäßige Evaluierung sind wir immer am Ball geblieben und konnten der Geschäftsführung „auf die Finger schauen“.
Wir haben auch eingeführt, dass es eine Ansprechperson innerhalb des Betriebsrates gibt, die sich mit Datenschutz auskennt. Denn auch wir mussten einsehen, dass das ein Spezialthema ist, das man nicht „nebenbei“ erledigen kann.
Fritsch: Gab’s irgendwo besondere Schwierigkeiten?
Wolff: Weil wir ein internationaler Konzern mit Matrixstrukturen sind, war es nicht immer leicht, Ansprechpartner und Verantwortliche für unsere jeweiligen Anliegen zu finden. Da muss man wirklich hartnäckig bleiben. Durch unsere US-amerikanischen Eigentümer war es auch so, dass die sich vor gerichtlichen Auseinandersetzungen nicht gefürchtet haben – das hat für die zum Geschäft dazu gehört.
Zentrale Vorgaben waren auch ein großes Problem in Sachen Zeitdruck. Da wurde europaweit zentral bestimmt wer wann welches System einführen sollte, ohne auf irgendwelche nationalen Besonderheiten einzugehen. Wir mussten da als Betriebsrat oft auf der Bremse stehen und mit dem Image der „Verhinderer“ kämpfen.
Fritsch: wie lange würdest du sagen hat es gebraucht, bis du die Geschäftsführung und die Kollegen und Kolleginnen auf die Bedeutung des Themas aufmerksam machen konntest?
Wolff: Bis dieses Thema als wichtig akzeptiert wurde, hat es tatsächlich ein paar Jahre gebraucht. Aber jetzt habe ich den Eindruck, dass – nicht zuletzt durch die Datenschutzgrundverordnung – das Bewusstsein gewachsen ist und wir hier mittlerweile ganz gut aufgestellt sind.
Fritsch: Was sind die drei wichtigsten Botschaften, die du anderen Betriebsräten und Betriebsrätinnen, die vielleicht noch am Anfang des Weges stehen, mitgeben möchtest?
Wolff:
- Stelle fest, wer bei einem Thema welche Interessen hat und suche Verbündete. In internationalen Konzernen, kann die lokale Geschäftsführung ähnliche Interessen wie der Betriebsrat haben – zumindest manchmal.
- Bleib am Ball. Was einmal eingeführt und passiert ist, kann praktisch nicht mehr „eingefangen“ werden. Das ist leider auch mir passiert.
- Informiere dich und ziehe rechtzeitig Expertinnen und Experten hinzu.
- Fürchte dich nicht vor einer gerichtlichen Auseinandersetzung.
Der Beitrag ist erstmals am Blog http://arbeitundtechnik.gpa-djp.at/ erschienen.