4.000 bis 6.000 ArbeitnehmerInnen müsste der Arbeitsmarkt aufnehmen, wenn AsylwerberInnen offenen Zugang zu legalen Jobs bekämen, meint Herbert Langthaler von der Asylkoordination.
KOMPETENZ: Die Asylwerber in Österreich fordern den vollständigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Ist das realistisch?
Herbert Langthaler: Ja, das gibt es in manchen Ländern schon. Zum Beispiel in Schweden. Dem schwedischen Staat ist es am liebsten, wenn sich die AsylwerberInnen selbst erhalten. Aber das ist international eher die Ausnahme. Nach EU-Recht müssen die Mitgliedstaaten den Flüchtlingen neun Monate nach Einreichung ihres Asylantrags grundsätzlich Zugang zu ihrem Arbeitsmarkt gewähren. Das kann mit dem Argument der Arbeitslosigkeit eingeschränkt werden. Die ist aber bei uns in Wahrheit ein Randproblem, Österreich hat nur eine geringe strukturelle Arbeitslosigkeit. Bereits nach drei Monaten dürfen AsylwerberInnen arbeiten, wenn der Arbeitgeber eine Beschäftigungsbewilligung im Rahmen des Ersatzkraftverfahrens beantragt, das heißt, wenn kein/e InländerIn, kein/e EU-BürgerIn und kein/e integrierte/r AusländerIn den Job will.
Seit dem Bartenstein-Erlass aus dem Jahr 2004 (unter Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein, Anm.) dürfen AsylwerberInnen nur in befristeten Tätigkeiten als Saisonniers arbeiten. Das ist schwierig, weil es in den Bundesländern und in Branchen wie Gastgewerbe und Landwirtschaft unterschiedliche Quoten für eine Arbeitsbewilligung gibt. Wenn ausgerechnet in Wien die Quote bei 40 liegt, diese erschöpft ist und sich im Salzkammergut im Tourismus noch eine Quote auftut, ist das für einen Flüchtling schwierig, das Bundesland zu wechseln. Und wer arbeitet, verliert die Grundversorgung (finanzielle Zuschüsse, Krankenversicherung, Anm.). Also das System ist extrem darauf ausgelegt, dass die Flüchtlinge nicht Fuß fassen. Außer als Selbstständige ohne Gewerbeschein in extrem ausbeuterischen Formen wie Zeitungskolporteure, Marktfahrer oder Prostituierte.
KOMPETENZ: In welcher Größenordnung würde sich in Österreich die Anzahl der AsylwerberInnen, die legale ArbeitnehmerInnen werden könnten und der Arbeitsmarkt verkraften müsste, bewegen?
H. Langthaler: Wir haben ca. 10.000 bis 30.000 Anträge pro Jahr, davon sind ein Drittel Frauen, zwei Drittel Männer. Etwa ein Drittel kommen altersmäßig als ArbeitnehmerInnen nicht in Frage. Also wären es unter 10.000, etwa 4.000 bis 6.000 ArbeitnehmerInnen.
Manche AsylwerberInnen arbeiten schwarz, wenn sie jahrelang auf den Ausgang ihres Verfahrens warten. Der Zugang zum Arbeitsmarkt würde die undokumentierte Arbeit eindämmen.
Wir fordern in erster Linie, dass der Bartenstein-Erlass außer Kraft gesetzt wird. Wir wissen aus Gesprächen mit Minister Rudolf Hundstorfer, dass das Sozialministerium dazu bereit wäre. Allerdings befürchtet das Innenministerium einen „pull“-Faktor, einen Signal-Faktor, dass in Österreich mehr Flüchtlinge um Asyl ansuchen könnten.
KOMPETENZ: Bestätigen das die Erfahrungen aus liberaleren Ländern wie Schweden?
H. Langthaler: In Schweden werden schon mehr Asylanträge gestellt. Die Frage gehört europaweit harmonisiert! Derzeit läuft es auf einen Wettlauf der Abschreckung in den Ländern hinaus. Seit 9/11 haben die Hardliner in der EU das Oberwasser. Zumindest unser Innenministerium steht unter der jetzigen Führung einer Harmonisierung offener gegenüber…
KOMPETENZ: War das vorher (unter Maria Fekter, Anm.) anders?
H. Langthaler: Ja. Österreich betreibt seit 20 Jahren eine Abschreckungspolitik! Manfred Matzka (1993-1999 Sektionschef für Migrationsfragen im Innenministerium, Anm.) meinte, man müsse den Flüchtlingen die Situation „so unangenehm wie möglich“ machen.
KOMPETENZ: Die undokumentierte Arbeit zu beseitigen, daran müsste doch auch ein Rechtsstaat wie Österreich größtes Interesse haben.
H. Langthaler: Genau. Und dass die legal arbeitenden Flüchtlinge zu gleichwertigen ArbeitnehmerInnen werden. Viele von ihnen sind zu wenig informiert und werden ausgebeutet, im Bau- oder Gastgewerbe wird schon mal ein Facharbeiter als Hilfsarbeiter beschäftigt. Natürlich sind Flüchtlinge bei den Unternehmern als gut qualifizierte und billige Arbeitskräfte beliebt. Wobei es auch Unternehmer gibt, die idealistisch sind. Die jugendliche Flüchtlinge trotz bürokratischer Hürden als Lehrlinge aufnehmen und im Nachhinein sagen, wenn sie gewusst hätten, wie schwierig das sei, hätten sie es nicht gemacht. Asylwerber unter 18 Jahren dürfen ja mittlerweile in Österreich eine Lehre machen. Aber nur für Mangelberufe wie Schweißer – die werden seit mehr als 30 Jahren gesucht, entsprechende Kurse hat man auch schon den Chileflüchtlingen nach 1973angeboten.
KOMPETENZ: Wie optimistisch sind Sie, dass sich an der Beschäftigungssituation der AsylwerberInnen etwas ändert?
H. Langthaler: A la longue bin ich optimistisch, dass es möglich ist, die Verschärfung durch den Bartenstein-Erlass zu beseitigen. Der aktuelle Vorschlag der NGOs geht dahin, nach sechs Monaten den Arbeitsmarktzugang ohne Ersatzkräfteverfahren zu ermöglichen. Wir brauchen auch Kursmaßnahmen und außerbetriebliche Maßnahmen speziell für jugendliche Flüchtlinge. Und das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) müsste abgeschafft werden. Das AuslBG ist eigentlich überflüssig, weil sich die Situation seit 2002 geändert hat. Das ist eine sinnlose Schikane für eine ganz kleine Gruppe. Den hegemonialen Diskurs zu durchbrechen ist schwierig. Man müsste Migration nicht als Sicherheitsfrage, sondern mehr als soziales und wirtschaftliches Thema betrachten.
Mehr Info: www.asyl.at