Bei der Herbstlohnrunde kommen heuer zur wirtschaftlichen Gesamtsituation in Europa große Unsicherheiten in Folge der Russland-Ukrainekrise.
Den Auftakt bei den herbstlichen Lohn- und Gehaltsverhandlungen macht wie gewohnt die Metallindustrie für etwa 170.000 Beschäftigte. Der gemeinsam von der Produktionsgewerkschaft PRO-GE und GPA-djp getätigte Abschluss gilt nach wie vor als Richtschnur für andere Branchen. Im vergangenen Jahr ist es wieder gelungen, trotz getrennter Verhandlungsstrukturen einen einheitlichen Abschluss in allen Fachverbänden der Metallindustrie zu erreichen. „Es ist wirklich zu hoffen, dass sich bei den Arbeitgebern langsam die Einsicht durchsetzt, dass die getrennten Verhandlungen nicht der Weisheit letzter Schluss sind. Durch eine uns von den Arbeitgebern „aufgezwungene“ Verhandlungsstruktur ist viel Zeit und Kraft aufgebraucht worden, die wir besser für zukunftsrelevante Themen investieren hätten können“, so der Chefverhandler der GPA-djp, Karl Proyer. „Es ist als Signal in die richtige Richtung zu werten, dass bei der Forderungsübergabe am 25. September wieder alle sechs Fachverbände mit uns an einem Tisch saßen“, so Proyer.
Beschäftigung und Nachfrage sichern
Was die Menschen derzeit zweifellos am meisten beschäftigt, ist die Frage, ob von den Lohn- und Gehaltsabschlüssen am Ende des Tages auch netto ein Plus für ihre Familien bleibt, sowie sicherlich auch die Frage, ob in Zukunft ausreichend Beschäftigung da ist und der Wirtschafts- und Industriestandort Österreich gesichert bleibt. Die Metallbranche trägt als das Herzstück der österreichischen Wirtschaft, in der eine hohe Wertschöpfung erfolgt, eine große Verantwortung für die Gesamtwirtschaft. „Deshalb haben wir auch die so genannte Freizeitoption (siehe unten) als Forderung in die Verhandlungen eingebracht, die einen Beitrag zur Beschäftigungssicherung sein soll, von der alle Seiten einen Nutzen ziehen“ erklärt Karl Proyer.
Beschäftigte arbeiten flexibel
Wenn von Arbeitgeberseite immer wieder die mangelnde Flexibilität der Gewerkschaften in Sachen Arbeitszeit aufs Tapet gebracht wird, muss einmal mehr klipp und klar gesagt werden: Die Beschäftigten in der Metallindustrie arbeiten in einem hohen Ausmaß flexibel! Bei den Angestellten ist die Gleitzeit inzwischen das überwiegende Arbeitszeitmodell und man fragt sich, welche zusätzliche Flexibilität da noch Platz greifen soll.
„Wenn die Debatte um Flexibilität aber nur vorgeschoben wird, um in Wirklichkeit bei den Gehältern und den Überstundenzuschlägen zu sparen, dann werden wir weiterhin kein Partner bei den Verhandlungen sein“, so Proyer. „Wir brauchen in Wirklichkeit Mechanismen, um zum Beispiel die ausufernde Verbreitung von All-In-Verträgen einen Riegel vorzuschieben“.
Die Gewerkschaften werden sicher nicht zulassen, dass mit dem Verweis auf eine Lohnsteuerentlastung – die auf Grund der ÖGB-Kampagne hoffentlich rasch kommen wird – bei ihren Forderungen nach einer kräftigen Bruttolohn- und Gehaltserhöhung Abstriche gemacht werden. Denn: Nur wenn die Kaufkraft nachhaltig gestärkt wird, wird die Wirtschaft wieder an Dynamik gewinnen. Zuletzt hat selbst die OECD eingeschätzt, dass Lohnsteigerungen auch im Sinne der Krisenbewältigung in Österreich besonders wichtig seien.
„Es besteht überhaupt kein Grund zur Zurückhaltung bei den aktuellen Lohn- und Gehaltsverhandlungen. Selbstverständlich sehen auch wir die aktuellen Probleme sowohl bei der Inlandsnachfrage als auch bei den unsichereren Exporten. Wenn aber im Jahr 2013 wieder zwei Drittel des Jahresüberschusses an die Aktionäre ausgeschüttet wurde, dann kann es den Unternehmen nicht so schlecht gehen. Alle Akteure müssen ein Interesse daran haben, dass sowohl Beschäftigung gesichert wird und jene, die es dringend nötig haben, eine Stärkung ihrer Kaufkraft erfahren. Sicherheit und Stabilität für die Beschäftigten ist gerade in einem unsicheren Umfeld ein Signal, das weit über die Metallbranche hinaus wirkt “, gibt Proyer die Linie für die Lohn- und Gehaltserhöhung vor.
Handel mit Doppelabschluss
Die rund 500.000 Angestellten im österreichischen Handel können sich heuer aufgrund des im Vorjahr getätigten Doppelabschlusses auf eine reale Erhöhung der Mindestgrundgehälter um 0,4 Prozentpunkte über der aktuellen Inflationsrate verlassen. Das niedrigste Mindestgrundgehalt liegt mit 01. Jänner 2015 bei 1.500 Euro brutto. Die laufenden Verhandlungen über eine grundlegende Reform und Modernisierung des kollektivvertraglichen Gehaltssystems sind auf einem guten Weg.
Freizeitoption
Der Kollektivvertrag sieht vor, dass anstelle der IST-Gehaltserhöhung den einzelnen ArbeitnehmerInnen die Möglichkeit eröffnet wird, statt der Gehaltserhöhung zusätzliche und nachhaltige Freizeit zu vereinbaren. Voraussetzung dafür, dass in einem Betrieb diese Freizeitoption angewandt werden kann, ist der Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung.