Die Teilung in Frauen- und Männerberufe passiert bereits in zu jungen Jahren, unser Schulsystem unternimmt zu wenig, um dem gegenzusteuern. Einmal eingeschlagene Bildungswege sind schwer zu verlassen. Wir brauchen eine Bildungsreform!
Mädchen und Burschen wählen ihre Ausbildungen immer noch sehr geschlechtskonservativ. Lisa wird Frisörin, Lukas wird Mechaniker. Das entscheidet sich mit 15. Dass Anna Lehrerin wird und nicht Bauingenieurin, dafür werden auch schon mit 14 oder gar mit 10 oder 12 die Weichen gestellt: Da wählt Anna nämlich den Sprachenzweig oder den naturwissenschaftlichen Schwerpunkt, da entscheidet sie sich für oder gegen eine HTL. Das Ergebnis ist ein Arbeitsmarkt, der in Männer- und Frauenbranchen unterteilt ist. Da Frauenberufe meist niedriger entlohnt werden als traditionelle Männerberufe, hat die zu frühe Schwerpunktsetzung bzw. Berufswahl lebenslange Auswirkungen. Es ist dies ein wesentlicher Grund für die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern.
„Frauen haben im Laufe des 20. Jahrhunderts eine bemerkenswerte Aufholjagd bei den Bildungsabschlüssen gestartet und sind letztlich mit den Männern gleichgezogen“, betont GPA-djp Frauensekretärin Barbara Marx. Heute unterscheiden sich junge Männer und Frauen eines Jahrganges nicht bei der Häufigkeit von (Berufs-)Reifeprüfungen und Universitätsabschlüssen. „Unterschiede bestehen aber weiterhin bei den Ausbildungswegen“, so Marx. „Junge Frauen besuchen überproportional häufig Schulen mit einer sozialen oder pädagogischen Orientierung, während junge Männer tendenziell in technischen Schulen – HTL‘s, technischen Fachschulen – zu finden sind.“
„Die Segregation des Arbeitsmarktes in Frauen- und Männerbranchen beginnt in der Schulzeit und setzt sich danach ungehindert fort“, kritisiert Marx. Sowohl bei Lehrberufen, als auch bei mittleren und höheren Schulen und bei Akademikerinnen entscheiden sich nach wie vor viel zu viele Frauen für Berufe und Branchen, die ohnehin schon frauendominiert sind. Frauen gelingt es kaum, in Männerbereiche vorzudringen. Und das, obwohl es von politischer Seite seit Jahren ernsthafte Bemühungen gibt, Frauen für technische Berufe zu begeistern und vieles unternommen wird, um die Frauenquote an technischen Schulen und Hochschulen anzuheben.
Für sich genommen wäre eine unterschiedliche Berufswahl bei Burschen und Mädchen noch kein Problem – wäre da nicht die schlechtere Entlohnung in den Frauenbranchen. „Techniker in der Industrie sind besser bezahlt als z.B. Lehrerinnen oder Pflegerinnen“, sagt Marx. Was die Situation insofern noch verschlimmert ist, dass die unterschiedliche Bezahlung die Lage einzementiert: „Je schlechter die Einkommen in den Frauenbranchen, desto weniger Männer wollen sich für diese Berufe entscheiden. Weil Männer nicht nur mit dem Image von ‚Frauenberufen‘ hadern, sondern auch von Jugend an karriereorientierter handeln“, meint Marx. Die GPA-djp hat sich in den letzten Jahren des Problems verstärkt angenommen und bereits vieles erreichen können: So wurden in Branchen wie dem Handel oder bei den Gesundheits- und Pflegeberufen besonders die unteren Einkommen bei den KV-Verhandlungen angehoben. Ein ganz wesentlicher Schritt war auch die Anrechnung der Karenzzeiten auf die Vorrückungen, die die GPA-djp in allen großen Branchen durchsetzen konnte.
Fehlende Vorbilder
„Ein großes Problem sind fehlende Vorbilder“, findet Marx. „Eltern raten ihren Kindern meist zu den traditionellen Rollen, weil sie sie selbst innehaben. Ein Mädchen soll Frisörin und nicht Mechanikerin.“ Und so kommt es, das in vielen Klassen in technischen Fachschulen grade mal zwei Mädchen sitzen – „was eine Vierzehnjährige dann erst recht abschreckt, einen technischen Zweig zu wählen“, befürchtet Marx.
Obwohl in den Schulen geschlechtssensibler Unterricht und Sprache zwar verankert sind, scheinen viele Barrieren – vor allem im Kopf – immer noch nicht überwunden. Nach wie vor schneiden auch schon im Schulunterricht Mädchen in den Sprachen besser ab, Buben in den Naturwissenschaften. „Wenn bei einer Probeschularbeit für die Zentralmatura jedes dritte Mädchen eine Fünf hatte, aber nur jeder vierte Bub, wie jüngst geschehen, dann sehe ich hier einen sehr dringenden pädagogischen Handlungsbedarf!“ ärgert sich Marx. Dass die Schulerfolge dann die Berufswahl beeinflussen, nimmt nicht Wunder.
Initiativen
Zahlreiche Unternehmen versuchen durch konkrete Initiativen gegenzusteuern: So sucht die OMV „Technikqueens“, Siemens fördert Informatikstudentinnen durch Exzellenzstipendien. Auch die Politik ist nicht untätig: Als eine der bekanntesten Initiativen sei FEMtech angeführt, das Frauen in Forschung und Technologie fördert.
Trotzdem sind diese Initiativen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine umfassende Reform des Bildungswesens, die den Aspekt der Geschlechtergleichstellung deutlich mehr als bisher berücksichtigt, ist längst überfällig. Ein wesentliches Element ist eine gemeinsame Schule bis 14 Jahre. „Eine möglichst späte Berufsentscheidung macht es leichter, auf tatsächliche Begabungen und Interessen zu erkennen. Da ein einmal eingeschlagener Bildungsweg nur mehr sehr schwer zu verlassen ist, ist dies umso wichtiger!“ betont Marx.
Ein europäischer Vergleich zeigt, dass es in anderen Ländern zwar auch Tendenzen zu einer geschlechtsspezifischen Berufswahl gibt, sie sind jedoch meist weniger deutlich ausgeprägt, was dann auch zu einer kleineren Lohnschere führt. „Unser Ausbildungssystem muss neue Ansätze finden, um eine Berufswahl zu fördern, die eine bessere Chancengleichheit verspricht“, fordert Marx, „Es darf auch nicht weiterhin tatenlos zugesehen werden, wie Burschen in Mathe besser abschneiden und Mädchen in Sprachen. Natürlich sollte die Schule persönliche Vorlieben berücksichtigen, aber solche Phänomene dürfen nicht einfach unhinterfragt hingenommen werden.“
Infos zu Förderungen und Initiativen
Der „Girl’s Day“ bietet Mädchen zwischen 10 und 14 die Chance, erste Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erhalten und praktische Erfahrungen zu sammeln: www.girlsday.at
FEMtech fördert Frauen in Forschung und Technologie und schafft Chancengleichheit in der industriellen und außeruniversitären Forschung www.femtech.at
Siemens Exzellenzstipendien für Frauen: mehr dazu auf www.tuwien.ac.at/aktuelles
Technikqueen will neue Initiativen in der Berufswahl unterstützen: www.technikqueen.at
FIT veranstaltet Schulbesuche und Infotage zum Thema Frauen und Technik: www.fitwien.at