Mobile Pflege: Dienst an Körper und Seele

Volkshilfe-Betriebsrätin Waltraud Stock und Pflegerin Daniela Dorn. Foto: Nurith Wagner-Strauss
Volkshilfe-Betriebsrätin Waltraud Stock und Pflegerin Daniela Dorn. Foto: Nurith Wagner-Strauss

Mobile Pflege und Betreuung ist körperlich und geistig extrem fordernd und unvorhersehbar – trotzdem sind die Einsätze minutiös vorausgeplant.

Der Tag beginnt zeitig für Daniela Dorn. „Wenn ich Frühdienst habe, muss ich um 4.45 Uhr aufstehen“, erzählt die Pflegeassistentin der mobilen Dienste in der Volkshilfe Steiermark. Morgens um 6 Uhr holt sie den Schlüssel für das Dienstauto im Volkshilfe Sozialzentrum in Bruck an der Mur ab, bereits um 6.15h läutet Dorn bei Ihrer ersten Kundin. Zu ihren Hauptaufgaben zählt die Körperpflege meist älterer Menschen: „Die Arbeit ist eigentlich schön, aber sie kann mitunter sehr anstrengend und fordernd sein“, weiß Dorn. Meist sind ihre KlientInnen nur mehr eingeschränkt mobil und oft auf den Rollstuhl angewiesen, manche auch bettlägerig. Zwar gibt es einige Hilfsmittel´– etwa Duschstuhl oder Wannen-Sitzbrett -, das Wichtigste aber ist, die älteren Menschen mit der richtigen Technik zu mobilisieren, zu heben und zu lagern. „Ich versuche kineästhetisch korrekt zu arbeiten und meinen Rücken möglichst wenig zu belasten“, erklärt die Pflegeassistentin.Das Um- und Auf ist das schonende Anheben aus den Beinen und der Hüftmuskulatur heraus – die KundInnen sollten diesen Vorgang so weit als möglich unterstützen, denn nur so kann Dorn auf Dauer bis zu acht pflegebedürftige Menschen pro Tag betreuen.

Körper pflegen, Seele streicheln

Mit dem menschlichen Körper hat sich Daniela Dorn schon in ihrer Schulzeit beschäftigt. Die Steirerin absolvierte die Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik in Bruck an der Mur, und schloss danach eine Ausbildung zur Sekretärin an. Nach einigen Jahren in diesem Beruf, hat Dorn „ihre Jungs“ zur Welt gebracht. „Nach der Karenz bin ich zur Volkshilfe gewechselt“, das ist mittlerweile 20 Jahre her. Die „Jungs“ sind jetzt 24 und 22 Jahre alt, arbeiten als Medizintechniker und Konstrukteur. „Bevor meine Kinder auf der Welt waren, hätte ich mir nicht vorstellen können, einem anderen Menschen bei seiner Körperhygiene behilflich zu sein“, doch Dorn hat sich rasch daran gewöhnt. „Zu unserer Arbeit gehört das einfach dazu.“ Gewaschen und mit sauberer Kleidung steigt das Wohlgefühl, entscheidend sind aber auch das Zuhören und Reden. Die Pflegeassistentin: „Für viele KundInnen sind wir oft die ersten Menschen, die sie täglich sehen und bisweilen auch die einzigen“. Aufmerksamkeit und Anteil nehmen, die Pflege mit einem Gespräch begleiten. Freilich betreut Daniela Dorn auch Menschen, die sich nicht länger verbal artikulieren können: „Deshalb erzähle und erkläre ich ihnen, was ich gerade mache. Sie sollen spüren, dass ich gerne bei ihnen bin“. Meist fühlen sich die zu Betreuuenden nach einigen Minuten besser. Die Kummerfalten entspannen sich und ihre Augen leuchten.

Ankunft, Aufenthalt und Abfahrt nach Plan

Vor einigen Jahren war es noch üblich, die Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg zu begleiten. Eine Dame wurde sogar 12 Jahre lang in ihrem Zuhause von der Volkshilfe betreut. Doch gibt es immer mehr LangzeitkundInnen, die ins Pflegeheim übersiedeln. Daheim werden Menschen versorgt, die noch bis zu einem gewissen Ausmaß selbständig sind, oder Angehörige haben, die ihre Pflege und Betreuung übernehmen, sowie PalliativkundInnen. Für diese Menschen legt Dorn mitunter weite Wege zurück – an einem intensiven Tag kommen leicht 100 neue Kilometer auf den Tacho des Dienstautos. In der Gegend um Bruck an der Mur kennt sich die Pflegeassistentin bestens aus, hat sie doch regelmäßig in Oberaich, Pernegg oder auch Tragöß zu tun. Die KundInnen müssen in einem festgelegten Zeitraster besucht und betreut werden – über ein Diensthandy wird die mobile Zeit- und Datenerfassung aktiviert, eng getaktet sind die Dienstpläne. Für unvorhergesehene Ereignisse bleibt kein Platz. „Die vorgeschriebenen Zeiten üben schon einen Druck aus“, weiß Betriebsrätin Waltraud Stock.

Knappes Budget und strenges Korsett

Neulich hat Daniela Dorn die Betreuung eines Klienten übernommen, der sogar für steirische Verhältnisse in der Einschicht lebt. Sogar das Navi hat in diesem Ortsteil nicht mehr weitergewusst: „Ich habe mehrere Einheimische gefragt und mich dem Ziel dann schleichend angenähert“. Anstatt der vorgeschriebenen 10 Minuten für die Wegzeit, hat die Pflegeassistentin eine halbe Stunde für die Anfahrt benötigt. Da kann es schon einmal passieren, dass dann jemand von der Leitung nachfragt und Daniela Dorn sich rechtfertigen muss. Denn das Geld für soziale Leistungen wird auch in der Steiermark immer knapper. Die mobilen Dienste versuchen, die „nicht operative Zeit“ – heißt, ohne direkte KundInnenbetreuung – einzusparen. Dazu gehören etwa möglichst kurze Dienstübergaben und Dienstbesprechungen. „Allerdings“, erklärt Betriebsrätin Stock, „ist dieser Austausch sehr wichtig, denn unsere MitarbeiterInnen arbeiten alleine. Sich auszusprechen und manche Situationen zu reflektieren, hilft den Druck abzubauen“.

Immer herausfordender werden die Dienstpläne – oft sind die Arbeitsstunden quer über den Tag verteilt, etwa in der Früh von 6 bis 11h und nachmittags von 16 bis 20h. Die Zeit dazwischen kann kaum sinnvoll genutzt werden. Außerdem müssen die ArbeitnehmerInnen längst das Risiko der Arbeitgeber tragen. Denn ist die Auftragslage schlecht, werden auch den Teilzeit-Beschäftigten Stunden gekürzt – ist sie jedoch positiv, werden Mehr- oder Überstunden vorausgesetzt. Daniela Dorn: „Ich bin offiziell für 30 Stunden angestellt. Letzte Woche habe ich wieder 38 Stunden gearbeitet“.

Als Dorn bei der Volkshilfe startete, waren nur Vormittagsdienste üblich. „Damals habe ich von 8 bis 12 Uhr gearbeitet, meine Kinder in den Kindergarten gebracht und am frühen Nachmittag wieder abgeholt. Wenn ich jetzt kleine Kinder hätte, könnte ich die Arbeit mit der Familie nicht vereinbaren.“ Und nur angenehm ist die Arbeit als Pflegeassistentin auch nicht: Manch Hund hat die Dienstkleidung zerrissen, manch Katze musste erst weggesperrt und manch dementer Mensch erst beruhigt werden. „Aber an und für sich passieren unangenehme Dinge eher selten“, weiß Dorn. „Hin und wieder bin ich ausgelaugt, aber die Menschen geben mir auch viel Energie zurück“. Um zu entspannen, geht die Steirerin gerne in den Wald, oder engagiert sich bei einem Musikverein in Bruck an der Mur. Dort spielt sie das Flügelhorn. „Da kann ich richtig abschalten“.

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