Krankenstand verboten

Quelle: Fehlzeitenreport 2018, WIFO
Grafik: GPA-djp Öffentlichkeitsarbeit, Lucia Bauer

Trotz zunehmender Belastung am Arbeitsplatz gehen die Krankenstandstage langfristig zurück. Fragwürdige Managementmethoden verstärken den Druck krank arbeiten zu gehen.

Wer ist nicht schon mal krank arbeiten gegangen? Der langfristige Trend seit den 80er-Jahren zeigt jedenfalls, dass die durchschnittlichen Krankenstandstage pro Jahr rückläufig sind. Viele ArbeitnehmerInnen haben Angst ihren Arbeitsplatz zu verlieren und das Gefühl, es sich nicht leisten zu können, in Krankenstand zu gehen. Daher vermeiden sie Krankenstände, die eigentlich notwendig wären. Langfristig schaden sie damit ihrer Gesundheit massiv. Langzeitkrankenstände, etwa durch Burn-out nehmen dagegen immer weiter zu. Diese Entwicklung ist gesundheitspolitisch bedenklich und gefährdet wichtige Errungenschaften wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Noch verstärkt wird dieser Trend in vielen Betrieben durch fragwürdige Methoden des „Krankenstands- oder Fehlzeitenmanagements“, mit denen die Arbeitgeber direkt oder indirekt den Beschäftigten Misstrauen signalisieren und in Frage stellen, ob die Abwesenheit auch gerechtfertigt war.

Angst den Job zu verlieren

Der jährliche Fehlzeitenreport des WIFO zeigt, dass die Angst der Beschäftigten aufgrund eines Krankenstands den Job zu verlieren nicht unbegründet ist: Spätestens nach zwei bis vier Wochen Krankenstand steigt das Risiko im Jahr darauf den Job zu verlieren massiv an. Ältere ArbeitnehmerInnen mit längeren Krankenständen haben zudem kaum Chancen ins Arbeitsleben zurück zu kehren. Diese Erfahrung musste auch Sandra K. machen. Sie erlitt während der Arbeit als Verkäuferin einen Herzinfarkt. Zunächst zeigten sich alle mitfühlend und verständnisvoll. Als sie allerdings nach zwei Monaten Krankenstand an ihren Arbeitsplatz zurückkehrte und an einem heißen Sommertag wegen Kreislaufproblemen noch einmal einen Tag zu Hause blieb, wurde sie umgehend gekündigt. Sandra K., die mittlerweile 58 ist, ist seither arbeitslos. Sie kann nur hoffen, dass sie mit ihrer Kündigungsanfechtung vor Gericht Erfolg haben wird.

Krankenstandsrückkehrgespräche

In einigen Unternehmen werden ArbeitnehmerInnen nach der Rückkehr aus dem Krankenstand zu einem Gespräch mit dem/der Vorgesetzten eingeladen. In diesem sogenannten Krankenstandsrückkehrgespräch wird in der Regel ein standardisierter Fragenkatalog durchgegangen, der häufig auch Fragen enthält, die eigentlich unzulässig sind, weil sie die Intimsphäre der Beschäftigten betreffen, wie etwa die Frage nach der Diagnose. Die Gespräche werden dokumentiert und oft auch elektronisch erfasst. Den ArbeitnehmerInnen wird dabei jedenfalls vermittelt, dass sie sich für den Krankenstand rechtfertigen müssen.

Ratings und Prämien

Besonders problematisch – aber wie die Beratungspraxis der GPA-djp zeigt an der Tagesordnung – sind Krankenstandsratings. Häufig werden etwa die Krankenstände aller MitarbeiterInnen gegenübergestellt und kategorisiert. Dabei wird nicht nur massiver Druck aufgebaut, krank arbeiten zu gehen, häufig wird auch mit personenbezogenen Daten fahrlässig umgegangen. Die RechtsberaterInnen der GPA-djp sind immer wieder mit solchen Fällen konfrontiert. So wurden etwa im Intranet eines Unternehmens die Krankenstandstage sämtlicher MitarbeiterInnen für alle zugänglich dargestellt und je nach Anzahl der Krankenstandstage farblich unterschiedlich markiert. Wie bei einem Ampelsystem war dabei auf den ersten Blick erkennbar, wer häufig und wer eher selten krank war. Nur ein Krankenstand bis zu sechs Tagen pro Jahr wurde dabei als „in Ordnung“ dargestellt, ab 15 Krankenstandstagen galt man bereits als „Problemfall“. Ein solches System ist unzulässig, weil personenbezogene Daten zweckwidrig verwendet werden und die ArbeitnehmerInnen im Betrieb an den Pranger gestellt und damit ihrer Menschenwürde verletzt werden. Selbst durch Abschluss einer Betriebsvereinbarung kann es daher nicht „legalisiert“ werden.

Eine weitere häufige Methode, um Krankenstände zu reduzieren, sind sogenannte Anwesenheitsprämien. Damit werden MitarbeiterInnen belohnt, die möglichst durchgehend im Betrieb anwesend waren. Anders als öffentliche Krankenstandsratings sind diese Prämiensysteme oft versteckt in einem komplexen Entgeltsystem und daher nicht auf den ersten Blick erkennbar, sie sind aber mindestens ebenso problematisch. In einem Betrieb richtete sich der leistungsbezogene Teil des Entgelts nach einem Punktesystem, in dem auch die Abwesenheiten eine Rolle spielten, die Führungskräfte hatten dabei die Möglichkeit zu entscheiden, ob berücksichtigungswürdige Gründe für eine Abwesenheit vorlagen. Mit solchen Systemen wird zusätzlich zur Sorge um den Arbeitsplatz auch ein wirtschaftlicher Druck aufgebaut, krank arbeiten zu gehen. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs sind „Anwesenheitsprämien“ übrigens „sittenwidrig“ und daher „nichtig“, weil sie kranke ArbeitnehmerInnen dazu verleiten würden, keine Rücksicht auf ihre Krankheit zu nehmen und Raubbau mit ihrer Gesundheit zu betreiben.

Insgesamt lässt sich sagen, dass Krankenstandsdaten immer häufiger zu einem Instrument des Personalmanagements werden – ein besorgniserregender Trend in Zeiten, in denen stress- und arbeitsbedingte psychische Krankheiten auf dem Vormarsch sind. Die Abteilung Arbeit und Technik in der GPA-djp hat sich diesen Trend noch genauer angesehen und in einer Broschüre aufgearbeitet. Im Sinne des Konzepts der „guten Arbeit“ werden außerdem Modelle vorgestellt, wie die Gesundheit im Betrieb sinnvoller gefördert werden kann als mit fragwürdigem „Fehlzeitenmanagement“.

GPA-djp-Mitglieder können die Broschüre hier kostenlos downloaden.

 

Die Gewerkschaft GPA hilft

GPA-Mitgliedern steht ein vielfältiges Beratungsangebot zu arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Nicht-Mitglieder können unter 050301-301 eine kostenlose Erstberatung in Anspruch nehmen.

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